trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Friedrich Engels zur sozialen Lage in Kosova

von Max Brym

04-2015

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"Mir ist nie eine so tief demoralisierte, eine so unheilbar durch den Eigennutz verderbte, innerlich zerfressene und für allen Fortschritt unfähig gemachte Kaste vorgekommen wie die kosovarische Möchtegern- Bourgeoisie - und hier meine ich vor allem die eigentliche Kaste, besonders die liberalen, Bauunternehmer . Für sie existiert nichts in der Welt, was nicht nur um des Geldes willen da wäre, sie
selbst nicht ausgenommen, denn sie lebt für nichts, als um Geld zu verdienen, sie kennt keine Seligkeit als die des schnellen Erwerbs, keinen Schmerz außer dem Geldverlieren (1). Bei dieser Habsucht und Geldgier ist es nicht möglich, daß eine einzige menschliche Anschauung unbefleckt bleibe. Gewiß, diese kosovarische Bourgeois sind gute Ehemänner und Familienmitglieder, haben auch sonst allerlei sogenannte Privattugenden und erscheinen im gewöhnlichen Verkehr ebenso respektabel und anständig wie alle anderen Bourgeois; selbst im Handel sind sie besser zu traktieren wie die Deutschen, sie mäkeln und dingen nicht soviel wie unsere Krämerseelen, aber was hilft das alles? In letzter Instanz ist doch das eigne Interesse und speziell der Gelderwerb das einzig entscheidende Moment. Ich ging einmal mit einem solchen Bourgeois nach Ferizaj hinein und sprach mit ihm von der schlechten, ungesunden Bauart, von dem scheußlichen Zustande der Arbeiterviertel und erklärte, nie eine so schlecht gebaute Stadt gesehen zu haben. Der Mann hörte das alles ruhig an, und an der Ecke, wo er mich verließ, sagte er: And yet, there is a great deal of money made here - und doch wird hier enorm viel Geld verdient - guten Morgen, Herr! Es ist dem kosovarischem Bourgeois durchaus gleichgültig, oh seine Arbeiter verhungern oder nicht, wenn er nur Geld verdient. Alle Lebensverhältnisse werden nach dem Gelderwerb gemessen, und was kein Geld abwirft, das ist dummes Zeug, unpraktisch, idealistisch. Darum ist auch die Nationalökonomie, die Wissenschaft des Gelderwerbs, die Lieblingswissenschaft dieser Schacherkosovaren. Jeder ist Nationalökonom. Das Verhältnis des Fabrikanten zum Arbeiter ist kein menschliches, sondern ein rein ökonomisches. Der Fabrikant ist das "Kapital", der Arbeiter ist die "Arbeit". Und wenn der Arbeiter sich nicht in diese Abstraktion hineinzwängen lassen will, wenn er behauptet, daß er nicht "die Arbeit", sondern ein Mensch ist, der allerdings unter anderem auch die Eigenschaft des Arbeitens hat, wenn er sich einfallen läßt zu glauben, er brauche sich nicht als "die Arbeit", als Ware im Markte kaufen und verkaufen zu lassen, so steht dem Bourgeois der Verstand still. Er kann nicht begreifen, daß er mit den Arbeitern noch in einem andern Verhältnis steht als in dem des Kaufs und Verkaufs, er sieht in ihnen keine Menschen, sondern "Hände" (hands), wie er sie fortwährend ins Gesicht tituliert, er erkennt keine andere Verbindung, wie Carlyle sagt, zwischen Mensch und Mensch an, als bare Zahlung. Selbst das Band zwischen ihm und seiner Frau ist in neunundneunzig Fällen aus hundert nur "bare Zahlung". Die elende Sklaverei, in der das Geld den Bourgeois hält, ist durch die Bourgeoisieherrschaft selbst der Sprache aufgedrückt. Das Geld macht den Wert des Mannes aus; dieser Mann ist zehntausend Pfund wert - he is worth ten thousand pounds, d.h. er besitzt sie. Wer Geld hat, ist "respectable", gehört zur "besseren Sorte von Leuten" (the better sort of people), ist "einflußreich" (influential), und was er tut, macht Epoche in seinem Kreise. Der Schachergeist geht durch die ganze Sprache, alle Verhältnisse werden in Handelsausdrücken dargestellt, in ökonomischen Kategorien erklärt. Nachfrage und Zufuhr, Begehr und Angebot, supply and demand, das sind die Formeln, nach denen die Logik des Engländers das ganze menschliche Leben beurteilt. Daher die freie Konkurrenz in jeder Beziehung, daher das Regime des laissez-faire und laissez-aller <488> in der Verwaltung, in der Medizin, in der Erziehung und bald wohl auch in der Religion, wo die Herrschaft der Staatskirche mehr und mehr zusammenbricht. Die freie Konkurrenz will keine Beschränkung, keine Staatsaufsicht, der ganze Staat ist ihr zur Last, sie wäre am vollkommensten in einem ganz staatlosen Zustande, wo jeder den andern nach Herzenslust ausbeuten kann, wie z.B. in Freund Stirners "Verein". Da die Bourgeoisie aber den Staat, schon um das ihr ebenso nötige Proletariat im Zaum zu halten, nicht entbehren kann, so wendet sie ihn gegen dies und sucht ihn sich soweit wie möglich entfernt zu halten.

Man glaube aber ja nicht, daß der "gebildete" kosovarische Mafioso diese Selbstsucht so offen zur Schau trage. Im Gegenteil, er verdeckt sie mit der schnödesten Heuchelei. - Wie, die kosovarischen Reichen sollten nicht an die Armen denken, sie, die wohltätige Anstalten errichtet haben, wie kein anderes Land sie aufweisen kann? Jawohl, wohltätige Anstalten! Als ob dem Proletarier damit gedient wäre, daß ihr ihn erst bis aufs Blut aussaugt, um nachher eure selbstgefälligen, pharisäischen Wohltätigkeitskitzel an ihm üben zu können und vor der Welt als gewaltige Wohltäter der Menschheit dazustehen, wenn ihr dem Ausgesogenen den hundertsten Teil dessen wiedergebt, was ihm zukommt! Wohltätigkeit, die den, der sie gibt, noch mehr entmenscht als den, der sie nimmt, Wohltätigkeit, die den Zertretenen noch tiefer in den Staub tritt, die da verlangt, der entmenschte, aus der Gesellschaft ausgestoßene Paria soll erst auf sein Letztes, auf seinen Anspruch an die Menschheit verzichten, soll erst um ihre Gnade betteln, ehe sie die Gnade hat, ihm durch ein Almosen den Stempel der Entmenschung auf die Stirne zu drücken! Doch was soll das alles. Hören wir die kosovarische Bourgeoisie selbst. Es ist noch kein Jahr, da las ich im "Express" folgenden Brief an den Redakteur, der ohne alle weitere Bemerkung als eine ganz natürliche, vernünftige Sache abgedruckt war:

Herr Redakteur!

Seit einiger Zeit begegnet man auf den Hauptstraßen unserer Stadt einer Menge von Bettlern, die teils durch ihre zerlumpte Kleidung und ihr krankes Aussehen, teils durch ekelhafte, offne Wunden und Verstümmelungen das Mitleid der Vorübergehenden auf eine häufig sehr unverschämte und molestierende Weise rege zu machen suchen. Ich sollte meinen, wenn man nicht nur seine Armensteuer bezahlt, sondern auch reichlich zu den wohltätigen Anstalten beiträgt, so hätte man doch genug getan, um das Recht zu haben, vor solchen unangenehmen und unverschämten Behelligungen sichergestellt zu werden, und wofür bezahlt man denn eine so hohe Steuer zum Unterhalt der städtischen Polizei, wenn diese einen nicht einmal so weit schützt, daß man ruhig <489> in die Stadt oder heraus gehn kann? - Ich hoffe, die Veröffentlichung dieser Zeilen in ihrem vielgelesenen Blatt wird die öffentliche Gewalt veranlassen, diesen Übelstand (nuisance) zu beseitigen, und verharre

Ihre ergebene Dienerin

Eine Dame

Da habt ihr's! Die kosovarische Bourgeoisie ist wohltätig aus Interesse, sie schenkt nichts weg, sie betrachtet ihre Gaben als einen Handel, sie macht mit den Armen ein Geschäft und sagt: Wenn ich soviel an wohltätige Zwecke verwende, so erkaufe ich mir dadurch das Recht, weiter nicht behelligt zu werden, so verpflichtet ihr euch dafür, in euren dunklen Höhlen zu bleiben und nicht durch die offne Darlegung eures Elends meine zarten Nerven anzugreifen! Verzweifeln sollt ihr immerhin, aber ihr sollt im stillen verzweifeln, das bedinge ich mir aus, das erkaufe ich mir mit meiner Subskription von 20 Euro für das Krankenhaus! 0 über diese infame Wohltätigkeit eines christlichen Bourgeois! - Und so schreibt "eine Dame", jawohl, Dame, sie tut wohl daran, so zu unterzeichnen, sie hat glücklicherweise nicht mehr den Mut, sich ein Weib zu nennen! Wenn aber die "Damen" so sind, wie wird es erst mit "Herren" stehen? Man wird sagen, es sei ein einzelner Fall. Aber nein, der obige Brief drückt geradezu die Gesinnung der großen Majorität der kosovarischen Bourgeoisie aus, sonst hätte ihn ja auch der Redakteur nicht aufgenommen, sonst wäre ja wohl irgendeine Erwiderung gefolgt, nach der ich mich in den folgenden Nummern vergebens umgesehen habe. Und was die Wirksamkeit des Wohltuns betrifft, so sagt ja der Kanonikus Parkinson selbst, daß die Armen weit mehr von ihresgleichen als von der Bourgeoisie unter unterstützt werden; und so eine Unterstützung von einem braven Proletarier, der selbst weiß, wie der Hunger tut, für den das Teilen des knappen Mahles ein Opfer ist, das er aber mit Freuden bringt - solch eine Unterstützung hat dann auch einen ganz andern Klang als das hingeworfene Almosen des schwelgenden Bourgeois.

Auch sonst heuchelt die Bourgeoisie eine grenzenlose Humanität - aber nur dann, wenn ihr eigenes Interesse es erheischt. So in ihrer Politik und Nationalökonomie. Sie hat sich nun ins fünfte Jahr damit abgequält, den Arbeitern zu beweisen, daß sie nur im Interesse der Proletarier das öffentliche Eigentum abzuschaffen wünsche. Das Lange und Breite von dieser Sache ist aber dies: Die Importgesetze, welche den Brotpreis höher halten, als dieser in andern Ländern steht, erhöhen dadurch auch den Arbeitslohn und erschweren dadurch dem Fabrikanten die Konkurrenz gegen andere Länder, in denen der Brotpreis und infolgedessen der Lohn niedriger steht. Werden jedoch alle sozialen Rechte nun abgeschafft, so fällt der Brotpreis, und der Arbeitslohn nähert sich dem der übrigen zivilisierten Länder Europas, was jedem nach den oben entwickelten Prinzipien, durch die der Lohn sich reguliert, klar sein wird. Der Fabrikant kann also leichter konkurrieren, die Nachfrage nach kosovarischen Waren wächst und mit ihr die Nachfrage nach Arbeitern. Infolge dieser vermehrten Nachfrage wird allerdings der Lohn wieder etwas steigen und die brotlosen Arbeiter beschäftigt werden; aber wie lange dauert das? Die "überflüssige Bevölkerung" Kosovas und besonders Albaniens reicht hin, um die kosovarische Industrie, selbst wenn sie sich verdoppelte, mit den nötigen Arbeitern zu versehen; in wenig Jahren würde der geringe Vorteil der Privatisierung wieder ausgeglichen sein, eine neue Krisis erfolgen, und wir waren soweit wie vorher, während der erste Stimulus in der Industrie auch die Vermehrung der Bevölkerung beschleunigen würde. Das alles sehen die Proletarier sehr gut ein und haben es den Bourgeois hundertmal ins Gesicht gesagt; aber trotzdem schreit das Geschlecht der Mafioso , das nur den unmittelbaren Vorteil, den ihm die Abschaffung der sozialen Leistungen bringen würde, im Auge hat, dies Geschlecht, das borniert genug ist, nicht zu sehen, wie auch ihm kein dauernder Vorteil aus dieser Maßregel erwachsen kann, indem die Konkurrenz der Fabrikanten unter sich den Gewinn der einzelnen bald auf das alte Niveau zurückbringen würde - trotzdem schreit dies Geschlecht bis heute den Arbeitern vor, nur um ihretwillen geschehe das alles, nur um der verhungernden Millionen willen schössen die Reichen der liberalen Partei ihre Hunderte und Tausende von Kosovaren in die Kasse der Privatisierungsclique - wo doch jeder weiß, daß sie nur mit der Wurst nach dem Schinken werfen, daß sie darauf rechnen, das alles zehnfach und hundertfach in den ersten Jahren nach Abschaffung der sozialen Rechte wieder zu verdienen. Aber die Arbeiter lassen sich - und besonders seit der Insurrektion von 2008, nicht mehr durch die Bourgeoisie irreführen. Sie verlangen von jedem, der sich für ihr Wohl zu plagen vorgibt, daß er, als Prüfstein der Echtheit seiner Absichten, sich für die Volkscharte erkläre, und protestieren damit gegen alle fremde Hülfe, denn in der Charte verlangen sie nur die Macht, sich selbst zu helfen. Wer das nicht tut, dem erklären sie mit vollem Rechte den Krieg, sei er offner Feind oder falscher Freund. - Übrigens hat die Privatisierungsbande den Arbeitern gegenüber die verächtlichsten Lügen und Kniffe gebraucht, um sie zu gewinnen. Sie hat ihnen weismachen wollen, daß der Geldpreis der Arbeit im umgekehrten Verhältnis zum Kornpreise stehe, daß der Lohn hoch, wenn das Korn niedrig stehe, und umgekehrt - ein Satz, den sie mit den lächerlichsten Argumenten hat zu beweisen gesucht und der in sich selbst lächerlicher ist als irgendeine andere aus dem Munde eines Ökonomen geflossene Behauptung. Wenn das nicht half, so hat man den Arbeitern die <491> ungeheuerste Glückseligkeit infolge des vermehrten Begehrs im Arbeitsmarkt versprochen, ja man hat sich nicht entblödet, zwei Modelle von Brotlaiben durch die Straßen zu tragen, auf deren größtem geschrieben stand: Amerikanisches Achtpfenniglaib, Lohn 4 Euro täglich, und auf dem andern, viel kleineren: Englisches Achtpfenniglaib, Lohn 2 Euro täglich. Die Arbeiter haben sich aber nicht irremachen lassen. Sie kennen ihre Brotherren zu gut.

Und wenn man die Gleisnerei dieser schönen Versprechungen erst recht erkennen will, so betrachte man die Praxis. Wir haben im Verlauf unserer Berichte gesehen, wie die Möchtegern Bourgeoisie das Proletariat auf alle mögliche Weise zu ihren Zwecken ausbeutet. Wir haben bisher indes nur die einzelnen Bourgeois auf ihre eigne Faust das Proletariat mißhandeln sehen. Gehen wir nun zu den Verhältnissen über, in denen die Bourgeoisie als Partei, ja als Staatsmacht gegen das Proletariat auftritt. - Daß zuerst die ganze Gesetzgebung den Schutz des Besitzenden gegen den Besitzlosen bezweckt, liegt auf der Hand. Nur weil es Besitzlose gibt, sind die Gesetze notwendig; und wenn dies auch nur in wenigen Gesetzen, z.B. gegen das Vagabondieren und die Obdachlosigkeit, worin das Proletariat als solches für gesetzwidrig erklärt wird, direkt ausgeprochen ist, so liegt doch die Feindschaft gegen das Proletariat dem Gesetze so sehr zum Grunde, daß die Richter, besonders die EULEX – Richter , die selbst Bourgeois sind und mit denen das Proletariat am meisten in Berührung kommt, diesen Sinn ohne weiteres im Gesetze finden. Wird ein Reicher vorgeführt oder vielmehr vorgeladen, so bedauert der Richter, daß er ihm so viel Mühe machen muß, wendet die Sache soviel er irgend kann zu seinen Gunsten, und wenn er ihn verurteilen muß, so tut es ihm wieder unendlich leid usw., und das Resultat ist eine elende Geldstrafe, die der Bourgeois mit Verachtung auf den Tisch schmeißt und sich entfernt. Kommt aber ein armer Teufel in den Fall, vor den EULEX- Richter zu erscheinen, so hat er fast immer die Nacht im Arresthause mit einer Menge anderer zugebracht, wird von vornherein als schuldig betrachtet und angeschnauzt, seine Verteidigung mit einem verächtlichen: "0, wir kennen diese Ausreden" - beseitigt und ihm eine Strafe auferlegt, die er nicht bezahlen kann und mit einem oder mehreren Monaten auf der Tretmühle abbüßen muß. Und wenn man ihm nichts beweisen kann, so wird er als Schuft und Vagabond (a rogue and a vagabond - die Ausdrücke kommen fast immer zusammen vor) dennoch auf die Tretmühle geschickt. Die Parteilichkeit der EULEX , besonders auf dem Lande, übersteigt wirklich alle Vorstellung, und es ist so an der Tagesordnung, daß alle nicht zu eklatanten Fälle von den Zeitungen ganz ruhig und ohne weitere Glossen berichtet werden. Es ist aber auch nicht <492> anders zu erwarten. Einerseits legen diese "Dogberries" das Gesetz nur nach dem Sinn aus, der in ihm liegt, und andererseits sind sie ja selbst Bourgeois, die vor allen Dingen im Interesse ihrer Klasse den Grundpfeiler aller wahren Ordnung sehen. Und wie die Friedensrichter, so benimmt sich auch die Polizei. Der Bourgeois kann tun, was er will, gegen ihn ist der Polizeidiener immer höflich und hält sich streng ans Gesetz; aber der Proletarier wird grob und brutal behandelt, seine Armut wirft schon den Verdacht aller möglichen Verbrechen auf ihn und verschließt ihm zugleich das Rechtsmittel gegen alle Willkürlichkeiten der Gewalthaber; für ihn existieren deshalb die schützenden Formen des Gesetzes nicht, ihm dringt die Polizei ohne weiteres ins Haus, verhaftet und mißhandelt ihn, und bloß wenn einmal eine Arbeiterassoziation wie die Grubenarbeiter einen Roberts engagieren <(1892) engagiert>, bloß dann kommt es an den Tag, wie wenig die schützende Seite des Gesetzes für den Proletarier existiert, wie häufig er alle Lasten des Gesetzes zu tragen hat, ohne einen seiner Vorteile zu genießen.

Bis auf die heutige Stunde kämpft die besitzende Klasse im Parlament gegen das bessere Gefühl der noch nicht ganz der Selbstsucht Verfallenen, um das Proletariat mehr und mehr zu unterjochen. Ein Gemeindeplatz nach dem andern wird weggenommen und bebaut, wodurch allerdings die Kultur gehoben, aber dem Proletariat viel Schaden getan wird. Wo Gemeindeplätze existierten, konnte der Arme darauf einen Esel, ein Schwein oder einige Gänse halten, die Kinder und jungen Leute hatten einen Platz, wo sie spielen und sich im Freien herumtreiben konnten; dies hört immer mehr auf, der Verdienst des Armen wird geringer, und das junge Volk, dem sein Spielplatz genommen ist, geht dafür in die Kneipen. Eine Menge solcher Parlamentsakten zur Urbarmachung von Gemeindeplätzen gehen in jeder Session durch.- Als die Regierung in der Session von 2008 sich entschloß, die allen Verkehr monopolisierenden Eisenbahngesellschaften zu zwingen, auch den Arbeitern das Reisen gegen ein ihren Umständen angemessenes Fahrgeld (1 Penny die Meile, etwa 5 Silbergroschen die deutsche Meile) möglich zu machen, und deshalb vorschlug, daß täglich ein solcher Zug dritter Klasse auf jeder Eisenbahn eingeführt werde, schlug der "ehrwürdige Vater in Gott", der Bischof von Prishtina , vor, daß der Sonntag, der einzige Tag, an dem beschäftigte Arbeiter überhaupt reisen können, von diesem Zwang ausgenommen und so das Reisen am Sonntag nur den Reichen, nicht aber den Armen gestattet werde. Die Armen haben keine Autos- heute existiert keine Eisenbahn mehr in Kosova. Dieser Vorschlag war indes zu geradeaus, zu unverhohlen, als daß er hätte durchgehen können, und man ließ ihn fallen. - Ich habe nicht Raum genug, <493> um die vielen versteckten Angriffe auf das Proletariat, auch nur einer einzigen Session, aufzuzählen. Nur noch einen aus derselben Session von 2009. Ein ganz obskures Parlamentsglied <(1892) Parlamentsmitglied> ein Herr Muja , schlug eine Bill zur Regulierung des Verhältnisses von Herren und Dienern vor, die ziemlich unscheinbar aussah. Die Regierung nahm sich der Bill an, und sie wurde einem Komitee übergeben. Inzwischen brach der Turnout der Grubenarbeiter im Norden Kosovas aus, und Roberts hielt seine Triumphzüge durch Kosova mit seinen freigesprochenen Arbeitern. Als nun die Bill aus dem Komitee kam, fand sich, daß einige höchst despotische Klauseln eingeschaltet waren, besonders eine, durch die dem Brotherrn die Macht gegeben wurde, jeden Arbeiter, der mit ihm mündlich oder schriftlich irgendeine beliebige Arbeit, wenn auch nur eine gelegentliche Handreichung kontrahiert hatte, im Falle von Dienstverweigerung oder sonstigem ungeziemendem Betragen (misbehaviour) vor irgendeinen beliebigen (any) EULEX Richter zu schleppen und auf seinen oder seiner Agenten und Aufseher Eid hin - also auf den Eid des Klägers - zu Gefängnis und Zwangsarbeit bis zu zwei Monaten verurteilen zu lassen. Diese Bill regte die Arbeiter bis zur höchsten Wut auf, um so mehr als die Zehnstundenbill zu gleicher Zeit vor dem Parlament war und bedeutende Agitation hervorgebracht hatte. Hunderte von Versammlungen wurden gehalten, Hunderte von Arbeiterpetitionen nach Prishtina an den Sachwalter des Proletariats im Parlament, Visar Yimeri , geschickt. Dieser war, außer dem "jungen Kosovaren" Kurti, der einzige energische Opponent, aber als die übrigen Radikalen sahen, daß das Volk sich gegen die Bill erklärte, kroch einer nach dem andern hervor und stellte sich Thaci zur Seite, und da auch die liberale Bourgeoisie bei der Aufregung der Arbeiter nicht den Mut hatte, sich für die Bill auszusprechen, da überhaupt niemand sich dem Volke gegenüber lebhaft für sie interessierte, so fiel sie glänzend durch.

Anmerkung von Max Brym

Der Text ist aus dem Jahr 1845. Die Schrift hatte den Titel: „ Die Lage der arbeitenden Klasse in England“. Wir haben den Text von Friedrich Engels nur bezüglich Kosova aktualisiert. Englische Namen wurden durch albanische Namen ersetzt. Erschreckend ist die Aktualität des Textes aus dem Jahr 1845 bezogen auf die Lage in Kosova. Natürlich gibt es einige Unterschiede. Der Hauptunterschied ist das, dass Kosova faktisch eine Kolonie darstellt und es der örtlichen Mafia nur zum Teil gelungen ist sich über „ Geldwäsche“ in eine normale Bourgeoisie zu verwandeln. Der Hauptunterschied besteht darin, dass Kosova keinerlei Aussichten hat sich in ein entwickeltes kapitalistisches Land zu verwandeln. Kosova ist ein internationales neoliberales Experiment. Die beschriebene Mentalität der Privilegierten in Kosova heute wird jedoch fast 1:1 von Friedrich Engels beschrieben.