Wir haben uns entschieden, dieses
Jahr am 1. Mai in Freiburg auf die Straße zu gehen, in
Erwägung, dass wir als Kommunistinnen und Kommunisten in
der Tradition der internationalen Arbeiterbewegung den
1. Mai als den Kampftag der Linken schlechthin
betrachten.
Dass es zudem bis dato keine faschistische Mobilisierung
in der näheren Umgebung gibt macht uns dieses Jahr die
Entscheidung leichter, das durchzuziehen, was wir
politisch ohnehin meistens als richtig erachten: an
unserem Tag nicht den Faschisten hinterherzufahren,
sondern als revolutionäre Linke in unserer Stadt auf die
Straße zu gehen. Nun ist die Frage der Form von Belang.
Mögliche Optionen wären eine als „revolutionär“
betitelte eigene bzw. Bündnisdemonstration zu
organisieren, sich an der vom DGB angemeldeten
1.Mai-Demonstration zu beteiligen oder beides.
Wir haben uns nach einigem hin und her gegen die
Beteiligung an einer eigenen „revolutionären“
1.Mai-Demonstration in welcher Form auch immer
entschieden.
Klassenkampf statt Szenespektakel!
Eine revolutionäre 1. Mai-Demo erachten wir nur als
Ergänzung der gewerkschaftlichen Demo als sinnvoll. Sie
kann eine Beteiligung an letzterer nicht ersetzen, nur
ergänzen, in Anbetracht, dass nur die Klasse, niemals
eine Szene überhaupt in der Lage wäre, eine Revolution
zu begehen. Eine revolutionäre 1.Mai-Demo muss eine
grundlegend klassenkämpferische Ausrichtung haben! Und
da sind wir skeptisch.
Analyse statt Habitus!
Zum Revolutionären macht einen nur Analyse und Praxis,
nicht der Habitus oder etwa eine diffuse Unkonformität.
Die revolutionäre Linke in dieser Stadt ist unserer
Auffassung derzeit zu schwach, als dass uns eine eigene
Demonstration sinnvoll erscheint.
Inhaltlicher Konsens statt Beliebigigkeit!
Die Durchführung einer revolutionären Mai-Demonstration
würden wir lediglich auf Basis einer Klarheit bezüglich
grundlegender weltanschaulicher Fragen der sie
tragenden Kräfte forcieren. Damit meinen wir nicht etwa
Klarheit in Bezug auf prokommunistische Ausrichtung
oder Ähnliches — im Gegenteil: Eine gemeinsame Aktion
von Anarchisten und Kommunisten würden wir begrüßen! Es
geht uns darum, dass zumindest Grundlagen der Analyse
der kapitalistischen Gesellschaft (Klassenanalyse, Der
Konflikt zwischen Kapital und Arbeit als der
Kernkonflikt der kapitalistischen Gesellschaft,
Notwendigkeit des Klassenkampfs, Nichtreformierbarkeit
des Kapitalismus etc.) von den eine revolutionäre 1.
Mai-Demo tragenden Kräften geteilt werden. Und das
sollte über die bloße Floskel– und Phrasenhaftigkeit
solcher Begriffe hinausgehen.
Wider einem radikalistischen Abgrenzungsbedürfnis —
Klasse statt Szene!
Inhaltliche Klarheit und nicht die Zurschaustellung
eines pseudoautonomen Habitus müssten also im
Mittelpunkt der Außendarstellung stehen. Das sehen wir
momentan in dieser Stadt bei den an einer eigenen
„revolutionären“ 1. Mai-Demo interessierten Kräften
nicht gegeben. Das Interesse an einer eigenständigen
„revolutionären“ 1. Mai-Demo scheint uns nicht das
Ergebnis eines Diskussionsprozesses verschiedener
Strömungen der revolutionären Linken, sondern eher
einem vagen und inhaltlich nicht näher ausformuliertem
Abgrenzungsbedürfnis zum DGB oder Ähnlichem zu
entspringen! Das machen wir schon an der
vorherrschenden Verwendung von Vokabeln in der Szene
fest. So ähneln im Selbstverständnis gerade der
Freiburger Szene ein Wort wie „revolutionär“ oder
„linksradikal“ eher einer weitgehend inhaltslosen
Selbstbeschreibung und bezieht sich auf eine gefühlte
Szenezusammengehörigkeit, die sich im besten Fall auf
gemeinsame Aktionsformen auf Demonstrationen, im
schlimmsten Fall aber am bevorzugten Kleidungsstil,
gemeinsamen musikalischen Vorlieben oder veganer
Ernährung festmacht. In diesem Sinn wird auch das Wort
„bürgerlich“ nicht nur im sich als „linksradikal“
begreifenden Szenekosmos Freiburgs permanent verwendet
für ein Spektrum, dass andere Aktionsformen bevorzugt
oder andere Musik hört, anders gekleidet ist oder sich
nicht vegan ernährt. Das ist nicht nur identitär,
sondern auch analytisch lächerlich!
Ein Begriff wie „bürgerlich“ dient der Bestimmung des
Klassenstandorts und des Klassenstandpunktes, und
nichts anderem. Insofern wäre sogar anzunehmen, dass das
Publikum einer Gewerkschaftsdemonstration weit weniger
bürgerlich ist als das auf vielen Demonstrationen selbst
ernannter Linksradikaler. Auf Basis solcher
„analytischer“ Plattheiten sehen wir die Durchführung
einer eigenen Mai-Demonstration nicht als sinnvoll an!
Eine „revolutionäre“ 1. Mai-Demonstration, die also den
primären Sinn hat, alles auf der Straße zu versammeln,
was sich für „linksradikal“ hält, um so die ideologische
Vorstellung einer Szene aufrechtzuerhalten, die gar
nicht existiert, sondern nur der Zurschaustellung
verschiedener Akteure dienen soll, wollen wir nicht
unterstützen. Es gilt in Klassen, nicht in Szenen zu
denken!
Nur und ausschließlich auf einer solchen Basis halten
wir die Durchführung gerade einer 1.Mai-Demonstration
mit revolutionärem Anspruch für gerechtfertigt.
Besonders evident wird der seltsame Charakter der
Szenehaftigkeit, wenn wir betrachten, welch
gegensätzliche und nicht miteinander zu vereinbarende
Positionen die Szene unter einen Hut zu bringen versucht
— etwa sogenannte Antideutsche, die US-amerikanische
Angriffskriege propagieren, und Antiimperialisten,
welche diese verurteilen; oder Menschenrechtlern auf
der einen Seite und Andere, die ein Wort wie
„Speziezismus“ erfunden haben und ernsthaft die
Auffassung verbreiten der Unterschied zwischen Mensch
und Tier sei sozial konstruiert. Aus einem Bündnis in
dem Positionen verbunden werden sollen, welche
gegensätzlicher und teilweise schädlicher nicht sein
könnten resultiert notwendigerweise der Wegfalls
jeglichen politischen Ausdrucks. Wir halten es für
unmöglich eine relevante und ausdrucksstarke
eigenständige 1. Mai Demonstration in Freiburg
durchzuführen. Unserer Einschätzung nach wird die
Demonstration aus diesem Kreis heraus nicht über das
bloße „Szene abfeiern“ hinausgehen und bedeutungsloser
nicht sein können. Zu sehr wird versucht ein möglichst
breites Bündnis verschiedenster Klein– und
Kleinstgruppen unter einen Hut zu bekommen, in völliger
Ignoranz der Tatsache dass sich bestimmte Positionen
ausschließen und unvereinbar nebeneinanderstehen!
Nachdem wir nun ein paar Allgemeinplätzen darlegten,
warum wir uns dieser Szenedemonstration nicht
anschließen wollen, nun ein paar Worte zu dem was wir
machen werden und warum.
Für mehr als nur dagegen!
Wir werden einen antikapitalistischen Block auf der
1.Mai-Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Bundes (DGB) initiieren. Da wir aus den genannten
Gründen die Zeit für eine eigenständige „revolutionäre“
1. Mai-Demo in Freiburg für nicht reif halten, bleibt
für uns nur die Option einer Beteiligung an der vom DGB
angemeldeten Demonstration. Ein bloßes Einreihen hinter
den DGB und ein sich Unterstellen unter dessen zentrales
reformistischen Motto kann für uns allerdings keine
Option sein. Im Gegenteil, durch unsere Teilnahme an der
Demonstration wollen wir unsere Positionen deutlich in
die Demonstration hineintragen und unsere eigenen
Standpunkte klar machen. Selbstverständlich gehen wir
weiter als das Motto des DGB ab, welches wie jedes Jahr
wieder einmal so schwammig und peinlich geworden ist
dass es eigentlich noch nicht einmal mehr reformistisch
genannt werden sollte. In aller Deutlichkeit halten wir
fest, dass das Motto des DGB für dieses Jahr, „Gute
Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa.“ nicht unser
Motto ist noch sein kann. Dennoch wollen wir durch
unsere Teilnahme, am Besten mit allen
klassenkämpferischen, antikapitalistischen Linken der
Stadt, einen strömungsübergreifenden gemeinsamen
Ausdruck innerhalb der DGB-Demo bilden und so unsere
Forderungen kämpferisch nach Außen tragen.
Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft –
Internationale Solidarität statt Standortnationalismus!
Inhaltlich muss dies eine klare Kritik am Kurs der
Gewerkschaftsführungen in der Wirtschaftskrise und
aktuell in dem Zusammenhang einen klaren Aufruf zur
Solidarität mit den gegen die Privatisierung und den
Ausverkauf ihres Staatseigentums an das Kapital
kämpfenden Griechen beinhalten. Es kann nicht sein, dass
der DGB die autoritären Krisenlösungen des deutschen
Kapitals in der EU fast unwidersprochen hin nimmt. Wenn
die Vorstellung eines „Sozialen Europas“ des DGB das
Hinnehmen von Kürzungen und Privatisierungen an allen
Ecken und Enden bedeuten soll, dann kann und muss hier
ein Ansatzpunkt sein.
Wir schnuppern nicht an jeder Mülltonne!
Wir stehen sowohl für eine scharfe Kritik an den
Führungen der DGB-Gewerkschaften, als auch für eine
Kritik am „Maifest“ in Freiburg, wo allerlei
Reaktionären eine Bühne geboten wird. Grüne
Oberbürgermeister und Ministerpräsidenten gehören zur
anderen Seite und haben bei uns nichts verloren. Wer
allerdings die Abgrenzung vom DGB braucht, um sich der
eigenen Radikalität zu versichern, der macht ganz gewiss
mehr falsch als richtig.
Raus aus der Marginalität!
In Anbetracht der Heterogenität der DGB-Gewerkschaften
halten wir einen radikalistischen Rundumschlag gegen
„den DGB“ für fehl am Platz. Gerade anlässlich der
allgegenwärtigen Defensive unserer Seite in den
Klassenauseinandersetzungen kann eine Fundamentalkritik
am DGB, wie sie etwa von der FAU kommt, aktuell nur
reaktionär sein, die im besten Fall gut gemeint ist.
Wer in der derzeitigen Situation der vorherrschenden
Schwäche und Defensive der Linken — und zwar aller —
auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen
tatsächlich meint, mit einer radikalen und
revolutionären Phraseologie gegen Betriebsräte und
Flächentarifverträge polemisieren zu müssen, der zeigt
nicht nur, dass er wenig Ahnung von der Arbeiterklasse
als solcher und konkreter Gewerkschaftsarbeit hat,
sondern ist tatsächlich objektiv ein Reaktionär. Darüber
hinaus wäre eine Anerkennung der Tariffähigkeit der FAU
auch ein Einfallstor für die sehr viel stärkeren und
relevanteren gelben „Gewerkschaften“, die von den
Unternehmern bezahlt werden und die — ein Glück — nicht
als tariffähig gelten.
Which side are you on?
Bei aller Kritik am Reformismus — für die kämpferischen
Betriebsräte sähe es ohne die Existenz der
Gewerkschaften schlecht aus. Wer etwa schon einmal
seinen Job auf Grund der Initiierung eines Betriebsrats
verloren hat und diesen nur durch den Gang vors
Arbeitsgericht zurückbekommen hat — ermöglicht durch den
gewerkschaftlichen Rechtsschutz — , weiß das und hat
für das Gerede der FAU noch nicht einmal ein müdes
Lächeln übrig. Niemand — und auch nicht wir — hat
behauptet, es handle sich beim DGB um eine revolutionäre
oder in seiner jetzigen Zusammensetzung auch nur
potentiell revolutionäre Organisation. Tatsächlich ist
er ein Stabilisator des Status Quo — geschenkt. Aber
Revolutionäre sind dennoch in den Einzelgewerkschaften
des DGB organisiert. Und das hat nicht nur den einfachen
Grund, dass es für einen Menschen der Lohnarbeit
verrichtet Vorteile hat Gewerkschaftsmitglied zu sein
(Rechtsschutz etc.). Es macht schließlich nun einmal
Sinn, sich mit seinen Kollegen zusammen zu schließen
und gemeinsam für die Interessen der Arbeitenden
einzutreten. In puncto Organisationsstärke kann es
aktuell keine andere „Gewerkschaft“ oder K-Gruppe mit
dem DGB aufnehmen. Für uns als Revolutionäre ist die
Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft selbstverständlich.
Eine denkbare Alternative wäre die Bildung einer
revolutionären Gewerkschaftsopposition. Aus den
genannten Gründen aber ist das im Moment für uns
aufgrund der Marginalität der radikalen Linken keine.
Darüber hinaus halten wir das Straßenfest im Grün als
basisdemokratische Initiative und als Versuch der
Selbstverwaltung von unten für unterstützenswert und
möchten einen Weg finden, dieses zu supporten.
Wer sich an den Vorbereitungen zum Block auf der
DGB-Demo beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen, zu
den öffentlichen Vorbereitungstreffen in das Linke
Zentrum ¡adelante! zu kommen.
Wir würden uns über Reaktionen und eine inhaltliche
Auseinandersetzung freuen. Und wer beleidigt ist, für
den gibt es ja immer noch linksunten!
ALFR — Antifaschistische Linke Freiburg, Februar
2013
Quelle:
http://www.antifaschistische-linke.de/