"Deal" - Gefängnisindustrie in der BRD
von Andrea Tams

04-2013

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Widerstand gegen die Gefängnisindustrie entwickelt sich inzwischen auch außerhalb der USA. Während in anderen Länder der EU bereits Erfahrungen mit staatlich-privater Ausbeutung von Gefangenen bestehen, wächst ein Bewusstsein darüber in der BRD jedoch nur langsam. Dabei deutet alles darauf hin, dass Konzerne und Regierung schon seit einigen Jahren im Begriff sind, die Entwicklung aus den USA zu übernehmen.

Im Januar 2013 eröffnete nach Burg, Offenburg und der JVA Heidering bei Berlin eine weitere Knastfabrik in Bremervörde (1), auch als Public Private Partnership (PPP) angelegt.

Vor wenigen Tagen bestätigte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der sog. „Deals“ zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, was die Frankfurter Rundschau immerhin zu der Festsstellung veranlasste: "Der Niedergang des guten alten Strafprozesses ist nicht aufzuhalten – das Bundesverfassungsgericht sorgt nur dafür, dass sich der Abstieg in geordneten Bahnen vollzieht." (2).

Zwar wurde etliche Kontrollmechanismen eingefordert, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, aber es kann nicht darüber hinweg täuschen, dass diese in Praxis direkt den „Plea Bargains“ aus der US Justiz entlehnt ist. Sog. „Schuldhandel“ hat dort bereits vor Jahrzehnten dazu geführt, dass es bei Anklagen nicht mehr um die Schuldfindung sondern lediglich um die Höhe der zu verhängenden Strafe geht. Ähnliches hat sich in den letzten Jahren auch in Spanien etabliert, wo es häufig nur noch zu postverschickten Zahlungs- und Haftbefehlen kommt, ohne dass überhaupt ein Prozess stattfindet.

Die in der BVerfG Entscheidung angesprochene „Evaluierung" der „streng nach Strafprozessordnung" im Gerichtssaal durchgeführten „Deals" sollte von einer kritischen Öffentlichkeit genau beobachtet werden. In der Realität eröffnet dieses Verfahren nämlich völlig neue Druckmöglichkeiten für Staatsanwaltschaft und Gericht. Dem Angeklagten wird in dieser Praxis Straferleichterung in Aussicht gestellt, wenn er/sie sich ohne Verhandlung zu was auch immer schuldig bekennt. Sollte er/sie auf ihrer faktischen Unschuld bestehen, wird das Resulatat anhaltende U-Haft und längere Haftstrafen als ohne "Deal" bedeuten. Dieses Phänomen ist in den USA inzwischen in Tausenden von Strafverfahren zu beobachten gewesen (3).

Während sich für die Justiz dadurch enorme Einsparungen und Erleichterungen ergeben, verlieren Angeklagte ohne nötige materielle und öffentliche Unterstützung die Möglichkeit, sich überhaupt gegen eine Anklage verteidigen zu können. In den USA hat dieser Schuld-Handel zusammen mit der „Three Strikes" Regel dazu geführt, dass es dort inzwischen knapp 2,5 Millionen Gefangene (1/4 aller Gefangenen weltweit) gibt.

Diese Praxis von „Deals“ ist einer Grundpfeiler für Masseninhaftierung von armen Menschen, die sich selbst keine qualifizierte Verteidigung leisten können. „Deals" sind eine der Methoden, um die zukünftigen Fliessbänder der Gefängnisindustrie mit Zwangsarbeiter*innen zu bestücken. Die staatlich/private Gefängnisindustrie ist in den USA der drittgrößte sog. Arbeitgeber - ein zynischer Begriff für Profiteure von Zwangsarbeit..

Unterstützer*innen von US Gefangenen wie z.B. die Free Mumia Bewegung weisen aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem dortigen Justizsystem bereits seit Jahren auf diese Entwicklung hin. So gab es in der BRD bereits zahlreiche Infoveranstaltungen speziell zu diesem Thema (4).

Es besteht inzwischen überhaupt kein Zweifel mehr daran, dass die Gefängnisindustrie in der BRD Fuß gefasst hat und dass auch hier eine stark zunehmende Kriminalisierung der Armut stattfindet, die aller Voraussicht nach einen starken Anstieg der Gefangenenzahlen sowie Gefängnisneubauten nach sich ziehen wird.


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(1) Strafen und Rechnen – zur Privatisierung des Strafvollzugs (Januar 2013)
http://www.abc-berlin.net/strafen-und-rechnen-zur-privatisierung-des-strafvollzugs 

(2) Es lebe der Deal! (19.03.2013)
http://www.fr-online.de/meinung/bundesverfassungsgericht-es-lebe-der-deal-,1472602,22153402.html 

(3) (Interview) US: Occupy, Polizeigewalt, Justiz + Gefängnis (15.06.2012)
http://de.indymedia.org/2012/06/331369.shtml 

(4) Veranstaltungsskript „Der Gefängnisindustrielle Komplex“ (November 2012)
http://mumia-hoerbuch.de/text/Gefaengnisindustrie+USA+BRD_Nov_2012.pdf

 

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Text von Indymedia, wo er am 21.3. erschien