Über dialektischen Materialismus
Auszüge aus Notizbüchern von 1933-35

von Leo Trotzki

04/12

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Hegel

Diejenigen, die „Dialektik“ ablehnen, halten sie einfach für überflüssig, ein nutzloses Spiel mit Gedanken. Positive Wissenschaft ist genug! Aber schließt positive Wissenschaft deshalb reine Mathematik und Logik aus?

Tatsächlich verhält sich Dialektik zu (formaler) Logik so wie höhere Mathematik zur niederen.

Hegel selbst betrachtete Dialektik gerade als Logik, als die Wissenschaft der Formen der menschlichen Erkenntnis. Aber bei Hegel sind das diejenigen Formen, in denen sich die Welt entwickelt, wobei es in logischen Formen nur ihren materiellen Inhalt verwirklicht. Die Dialektik ist bei Hegel in einem Werk zusammengefaßt mit dem Titel Wissenschaft der Logik.

Für Hegel ist Dialektik eine Logik mit breiteren Dimensionen – in Raum und Zeit – eine universelle Logik, die objektive Logik des Universums.

Die Negation des Begriffs an sich.

Wenn wir uns das Gewebe des Lebens als eine gestrickter vorstellen, dann können die Begriffe mit den einzelnen Maschen verglichen werden. Jeder Begriff erscheint als unabhängig und vollständig (die formale Logik verwendet ihn auf diese Weise), tatsächlich hat jede Masche zwei Enden, die sie mit den benachbarten Maschen verbinden. Wenn man an einem Ende zieht, geht sie auf – die dialektische Negation des Begriffs in seiner Begrenztheit und seiner vorgetäuschten Unabhängigkeit.

Manche Objekte (Phänomene) lassen sich durch logische Klassifikation leicht in Schubladen stecken, andere machen uns Schwierigkeiten. Man kann sie hierhin oder dahin tun, aber genaugenommen nirgendwohin. solche Übergangsformen erregen der Unwillen der Systematisieren, aber für Dialektiker sind sie außerordentlich interessant, weil sie die beschränkten Grenzen der Klassifikation zerstören und die wirklichen Verbindungen und die Aufeinanderfolge eines lebendigen Prozesses enthüllen.

Nach Hegel sind Sein und Denken identisch (absoluter Idealismus). Der Materialismus übernimmt diese Identität nicht – er stellt das Sein vor das Denken. (...)

Die Identität von Sein und Denken bedeutet nach Hegel die Identität von objektiver und subjektiver Logik, ihr Zusammenfallen in letzter Instanz. Der Materialismus akzeptiert die Entsprechung von Subjektivem und Objektivem, ihre Einheit, aber nicht ihre Identität. Mit anderen Worten: Er befreit die Materie nicht von ihrer Materialität, um sie nur als das logische Rahmenwerk einer Regelmäßigkeit festzuhalten, von dem das wissenschaftliche Denken (Bewußtsein) ein Ausdruck ist. (...)

Der Begriff ist kein geschlossener Kreis, sondern eine Schleife, dessen eines Ende in die Vergangenheit und dessen anderes Ende in die Zukunft reicht.

Wenn man an einem Ende zieht, kann die Schleife aufgehen, aber sie kann sich auch zuknoten. (Das hat schon mal jemand gesagt!!) (...)

Unsere Begriffsbildung drückt Prozesse aus, die in „Objekte“ umgewandelt werden. Nicht jede Gegenwart eignet sich für die Bildung eines Begriffs; der Prozeß muß sich bis zu einem gewissen Grad stabilisiert haben, damit eine dauerhafte Vorstellung von ihm gebildet werden kann. Dieser Akt des Bewußtseins ist daher ein Bruch mit der Vergangenheit, die diese Stabilisierung vorbereitet hat. Unser Begriff der Erde, der „dauerhafteste“ unserer Begriffe, der „dauerhafteste“ Gegenstand unserer täglichen Umgebung gründet sich auf einen totalen Bruch mit der revolutionären Herausbildung des Sonnensystems. Der Begriff ist konservativ. Sein Konservatismus kommt a) von seinem Verwendungszweck b) von dem Umstand, daß das Gedächtnis einer Person, ebenso wie das der Menschheit, kurz ist. (...)

Dialektik ist die Logik der Bewegung, Entwicklung, Evolution.

Formale Logik bezieht stationäre und sich nicht ändernde Größen ein: a=a. die Dialektik erwidert a<>a. Beide sind korrekt. A=a zu jedem gegebenen Moment. A<>a zu zwei verschiedenen Momenten. Alles fließt, alles verändert sich.

Was drückt Logik aus? Die Gesetze der äußeren Welt oder die Gesetze des Bewußtseins? Die Frage ist dualistisch gestellt und deshalb nicht richtig, denn die Gesetze der Logik drücken die Gesetze (Regeln, Methoden) des Bewußtseins in seiner aktiven Beziehung zur äußeren Welt aus. Die Beziehung des Bewußtseins zur äußeren Welt ist die Beziehung des Teils (des Besonderen, Speziellen) zum Ganzen.

Die Logik bezieht unveränderliche Qualitäten (a=a) und feste Quantitäten dieser Qualitäten ein. Dialektik ist aufgebaut auf dem Übergang von Quantität in Qualität und umgekehrt.

Das Gesetz des Übergangs von Quantität in Qualität ist (höchstwahrscheinlich) das Grundgesetz der Dialektik. (...)

Das dialektische Verhältnis zur Qualität zeigt ein völlig neues Verhältnis zu sogenannten moralischen Werten an. Das offizielle, also das bürgerliche Denken betrachtet heute immer noch Gerechtigkeit, Rechte, Ehre als absolute Werte, als höhere Maßstäbe. Der dialektische Materialismus macht das Reich der idealistischen Mythologie dem Erdboden gleich. Er zeigt, wie nicht wahrnehmbare quantitative molekulare Veränderungen in der Wirtschaft den Weg bereiten für einen radikalen Wandel der moralischen Kriterien: die alten Werte werden in ihr Gegenteil, neue Werte betreten die Bühne, deren Träger eine neue Klasse oder Schicht ist, nicht selten eine neue Generation der alten Klasse selber. In Spießerkreisen ist es ziemlich üblich, Lenin des Zynismus zu beschuldigen, und das drückt genau die Feindschaft zum dialektischen Weltbild, einen Kampf für absolute Werte aus. Beide sind wesentlich, um ihre jämmerliche, unfruchtbare selbstsüchtige Praxis zu verdecken. (...)

Dialektik

Man muß anerkennen, daß das Grundgesetz der Dialektik der Übergang von Quantität in Qualität ist, weil es uns die allgemeine Formel für alle evolutionären Prozesse gibt – in der Natur ebenso wie in der Gesellschaft.

Erkenntnis beginnt mit der Unterscheidung von Dingen, mit ihrer Gegenüberstellung. die quantitativen Definitionen arbeiten mit unabhängigen, besonderen Objekten, folglich hängen sie von qualitative Definitionen ab (fünf Finger, zehn Jahre, 100 Ampere).

Das praktische Denken lebt innerhalb dieser Grenzen. Für einen Viehzüchter ist eine Kuh eine Kuh; er ist nur an den individuellen Qualitäten ihres Euters interessiert. Von seinem praktischen Blickwinkel aus ist ihm die genetische Verwandtschaft zwischen der Kuh und einer Amöbe sehr gleichgültig.

Wenn wir das Universum aus dem Blickwinkel der Atomtheorie betrachten, dann erscheint es uns als gigantisches Laboratorium für die Umwandlung von Quantität in Qualität und umgekehrt.

Es ist möglich, das anzuerkennen, ohne es zu schaffen, es zur Grundlage des eigenen Denkens zu machen. Es gibt Menschen, die das Kant-Laplacesche Weltbild [wonach das Sonnensystem aus einer Gaswolke entstanden ist] mit dem biblischen Glauben oder Halbglauben vereinigen und, während sie sich selbst als Darwinisten ankündigen, an höhere Prinzipien, eine der Menschheit angeborene Moral glauben.

Das Prinzip des Übergangs von Quantität in Qualität hat universellen Bedeutung, insofern als wir das ganze Universum – ohne irgendwelche Ausnahme – als Produkt von Bildung und Umbildung und nicht eine bewußten Schöpfung betrachten.

Hegel selbst hat zweifellos dem Gesetz des Übergangs von Quantität in Qualität nicht die herausragende Bedeutung gegeben, welche ihm nach allem Recht zusteht. Hegel stützte sich auf die Kant-Paplace-Theorie, aber er kannte weder Darwinismus noch Marxismus. In der Tat reicht es, sich daran zu erinnern, daß der Dialektiker Hegel den preußischen Staat als Verkörperung der absoluten Idee betrachten konnte.

Leute, die in absoluten und unveränderlichen Kategorien denken, die sich also die Welt als Gesamtheit unveränderlichen Qualitäten vorstellen, nannte Engels nach dem Vorbild Hegels Metaphysiker.

„Metaphysisches“ Denken existiert in mehr oder weniger reiner Form vielleicht nur bei Wilden. Bei zivilisierten Völkern herrscht Eklektizismus [eine Art geistiger Gemischtwarenladen] vor. Die Gesetze der „Evolution“, des „Fortschritts“ werden im allgemeinen anerkannt, aber unabhängig von ihnen werden ein paar absolute Kategorien anerkannt -im Bereich der Wirtschaft (Privateigentum), Politik (Demokratie, Patriotismus), Moral (der kategorische Imperativ).

Das angelsächsische Denken tritt zur Zeit als Naturschutzgebiet für den Empirismus auf.

Im Kopf des englischen Gelehrten stehen ebenso wie in seinem Bücherregel Darwin und die Bibel nebeneinander, ohne sich gegenseitig durcheinanderzubringen. Das angelsächsische Denken ist nach dem System wasserundurchlässiger Schotten. [Schotten sind Längs- und Querwände in Schiffen, die verhindern sollen, daß sich bei einem Leck oder Brand das Wasser bzw. Feuer im ganzen Schiff ausbreitet und das Schiff untergeht.] Daher rührt in der konservativen angelsächsischen Welt der allerhartnäckigste Widerstand gegen das dialektische Denken, das alle wasserundurchlässigen Schotten zerstört.

Der Übergang ins Gegenteil
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.
[Mephistopheles in: Goethe, Faust I]

Phänomene gemäß ihrer Ähnlichkeit oder ihrem Gegensatz zu betrachten bedeutet, sie gemäß ihrer Qualität zu sehen.

Der Übergang von Qualität in Quantität und umgekehrt setzt den Übergang von einer Qualität in die andere voraus. (...)

In diesen abstrakten Formeln haben wir die allgemeinsten Gesetze (Formen) der Bewegung, Veränderung, der Umgestaltung der Sterne des Weltalls, der Erde, Natur und menschlichen Gesellschaft.

Wir haben hier die logischen (dialektischen) formen der Umgestaltung eines Regimes in ein anderes. Aber in einer so allgemeinen Form handelt es sich nur um Möglichkeit.

Wird der Übergang einer abstrakten Möglichkeit in eine konkrete Notwendigkeit – auch ein wichtiges Gesetz der Dialektik – jedesmal durch eine Kombination bestimmter materieller Bedingungen bestimmt? So gab es verschiedene Zeitspannen zwischen der Möglichkeit eines bürgerlichen Sieges über die Feudalklassen bis zum Sieg selbst und der Sieg sah häufig wie ein halber Sieg aus.

Damit aus einer Möglichkeit eine Notwendigkeit wird, muß es eine Stärkung bestimmter Faktoren und eine entsprechende Schwächung anderer Faktoren und eine bestimmte Beziehung zwischen diesen Stärkungen und Schwächungen gegeben haben. Mit anderen Worten: mehrere miteinander verbundene Serien von quantitativen Veränderungen waren notwendig, um den Weg für eine neue Kräftekonstellation zu bereiten.

So führt das Gesetz des Übergangs der Möglichkeit in Notwendigkeit – in letzter Instanz – zum Gesetz des Übergangs von Quantität in Qualität.

Katastrophen

Alles fließt, aber nicht außerhalb seines Flußbetts. Die Welt ist nicht „flüssig“, es gibt Veränderungen in ihr, die Kristallisation dauerhafter (erstarrter) Elemente, aber tatsächlich keiner „ewigen“ Elemente. Dann schafft das Leben sein eigenes Flußbett für sich, um es später wieder wegzuwaschen. die quantitativen Veränderungen der Materie stoßen auf einer bestimmten Stufe gegen die erstarrten formen, die für ihren früheren Zustand ausreichten. Konflikt. Katastrophe. Entweder siegt die alte Form (sie siegt nur teilweise) und erzwingt die Selbstanpassung des (teilweise) besiegten Prozesses oder der Bewegungsprozeß sprengt die alte Form und schafft eine neue, durch neue Kristallisationen aus seinem Innern und die Anpassung von Elementen der alten Form. (...)

Die Theorie der Revolutionen

Der logische Gegensatz von Inhalt und Form verliert auf diese Weise seinen absoluten Charakter. Inhalt und Form tauschen den Platz. Der Inhalt schafft aus sich selbst heraus neue Formen. Mit anderen Worten: die Beziehung von Inhalt und Form führt, in letzter Instanz, zum Übergang von Quantität in Qualität. (...)

„Wozu das?“ sagt der zeitgenössische „Positivist“: „Ich kann eine ausgezeichnete Analyse der Welt der Phänomene ohne diese Kunstgriffe und pedantischen Spitzfindigkeiten geben.“ Mit der gleichen Berechtigung kann ein Metzger sagen, daß er Kalbfleisch verkaufen kann ohne auf den aristotelischen Syllogismus zurückzugreifen. (...)

Dem Vertreter des Positivismus mit seinem begrenzten Blickwinkel sagen wir, daß alle gegenwärtige Wissenschaft bei jedem Schritt die Gesetze des dialektischen Denkens verwenden, so wie der Ladenbesitzer den Syllogismus besitzt oder Monsieur Jourdain [Gestalt aus Molières Komödie Le bourgeois gentilhomme, der (2. Akt, 4. Szene) erfährt, daß er sein Leben lang Prosa gesprochen hat, ohne es zu wissen, weil alle Teste, die nicht Poesie (Dichtung) sind, Prosa sind], Prosa spricht: ohne es jemals zu wissen. Gerade deshalb behält der durchschnittliche Gelehrte viele Gewohnheiten, die an die wasserundurchlässigen Schotten eines Schiffs erinnern, indem er die Fragen, die aus der allgemeinen Bewegung des wissenschaftlichen Denkens entstehen, nicht stellt und zaghaft beim Ziehen allgemeiner Schlußfolgerungen versagt, wenn sie einen dialektischen Sprung verlangen.

Die Dialektik befreit den forscher nicht vom sorgfältigen Studium der Tatsachen; im Gegenteil: sie setzt es voraus. Aber im Gegenzug gibt sie dem forschenden Denken Elastizität, hilft ihm, mit verknöcherten Vorurteilen fertigzuwerden, stattet es mit unschätzbaren Analogien aus und erzieht es in einem Geist von Kühnheit, die auf Umsicht gegründet ist. (...)

Das Beispiel von Mendelejev, dessen Mangel an dialektischer Methode ihn an der Erkenntnis der wechselseitigen Umformbarkeit der Elemente hinderte, trotz der Tatsache, daß seine Entdeckung des Periodensystems der Elemente die qualitativen Unterschiede zwischen ihnen mit den quantitativen Unterschiede der Atomgewichte verband.

Nationalsozialismus

Elemente von Dialektik durchdringen alles Denken bis zu diesem oder jenem Grad. Das gilt sogar verstärkt für die „zivilisierten“ zeitgenössischen Völker, die die größten technologischen Umgestaltungen, ökonomischen Erschütterungen, Kriege und Revolutionen erlebt haben. Auf dem Gebiet der Ideologie stellt der Nationalsozialismus eine extreme Reaktion gegen die Dialektik dar, die in ihrer Folgerichtigkeit schwerwiegender ist als der italienische Faschismus, der durch und durch eklektisch ist. Der philosophische Nationalsozialismus richtet sich gerade gegen die Idee der Entwicklung: er weist deshalb boshaft nicht nur den Marxismus zurück, sondern auch den Darwinismus – er will die Erkenntnis zu unbeweglichen Prinzipien zurückholen; in bezug auf die menschliche Gesellschaft erweisen sich Rasse und Blut als solche Kategorien. die Macht des dialektischen Denkens zeigt hier ihre Stärke im Umkehrschluß; folgerichtige Opposition zur Dialektik wirft einen zurück in die Tiefen des Teutoburger Walds. (...)

Materialistische Dialektik
(Anfang)

Dialektik ist die Logik der Entwicklung. sie erforscht die Welt – vollständig ohne Ausnahme – nicht als Ergebnis einer Schöpfung, eines plötzlichen Beginns, Verwirklichung eines Plans, sondern als Ergebnis von Bewegung, Veränderung. Alles, was ist, wurde so wie es ist als Ergebnis einer gesetzesähnlichen Entwicklung.

In diesem grundlegenden und allgemeinsten Sinn fällt das dialektische Bild von Natur und Menschheit mit dem sogenannten „evolutionären“ Bild der Natur zusammen, dem Bild der zeitgenössischen Natur- und Sozialwissenschaften, sofern sie diese Bezeichnung wirklich verdienen. Man muß nur festhalten, daß die philosophische Konzeption der Entwicklung von allem, was existiert, eine mutige Verallgemeinerung aus der vorhergehenden Entwicklung der Naturwissenschaft darstellt, die vor dem Darwinismus und Marxismus entstand und sie entweder indirekt oder direkt bereicherte.

Wir werden weiter sehen, daß „Evolution“ als allgemeine Formel für die Entstehung von Welt und Gesellschaft formloser, weniger konkret und inhaltsloser als die dialektische Konzeption ist. Jetzt ist es völlig ausreichend, daß der dialektische (oder evolutionäre) Standpunkt (...) unausweichlich zum Materialismus führt; die organische Welt entwickelte sich aus der anorganischen, Bewußtsein ist eine Fähigkeit lebender Organismen, die von Organen abhängt, die durch die Evolution entstanden sind. Mit anderen Worten: die „Seele“ der Evolution (der Dialektik) führt in letzter Instanz zur Materie. Der evolutionäre Standpunkt läßt, wenn er zu ende gedacht wird, keinen Platz für Idealismus oder Dualismus oder andere Formen des Eklektizismus.

Deshalb ist „die materialistische Dialektik“ (oder „der dialektische Materialismus“) nicht eine willkürliche Verbindung zweier unabhängiger Begriffe, sondern eine gegliederte Einheit – eine Kurzformel für ein Weltbild, das aus einem Stück und ungeteilt ist, das sich ausschließlich auf de gesamten Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens in allen seinen Bereichen stützt, und das allein als wissenschaftliche Unterstützung für die menschliche Praxis dient. (...)

Im Gegensatz zu einem Foto, das ein Element der formalen Logik ist, ist der Film „dialektisch“ (schlecht ausgedrückt)

Erkenntnis beginnt mit Unterscheidung, mit dem Foto, mit der Einführung von Ausdrücken – Begriffen, in denen die abgetrennten Momente des Prozesses enthalten sind, aber aus denen der Prozeß insgesamt entwischt. Die Ausdrücke-Begriffe, die vom erkennenden Gedanken geschaffen wurden, verwandeln sich dann in Fesseln. die Dialektik entfernt diese Fesseln, enthüllt die Relativität bewegungsloser Begriffe, ihren Übergang in einander. (...)

„Wir können die Realität ohne Dialektik erforschen“

Wir können das so, wie wir ohne anatomische Kenntnisse laufen und ohne physiologische Kenntnisse verdauen können.

Hegels absoluter Idealismus richtet sich gegen den Dualismus – gegen das „Ding an sich“ des Dualismus. Ist nicht die Anerkennung der Realität der äußeren Welt, außerhalb des erkennenden Bewußtseins und unabhängig von ihm, eine Rückkehr zum Dualismus? Überhaupt nicht, weil die Erkenntnis für uns in keiner Weise ein unabhängiges Prinzip ist, sondern ein besonderer Teil der objektiven Welt (das müßte man noch genauer erklären) (...)

Unser menschlicher Verstand ist das jüngste Kind der Natur. für das menschliche Gedächtnis bot die Natur nicht so sehr ein Bild der Veränderung, sondern von sich wiederholenden Kreisläufen. (...) Die Menschheit selbst ist eine Aufeinanderfolge von Generationen. Jede Generation fängt die schwierige Arbeit der Erkenntnis in gewissem Sinne von vorne an. In den Grenzen der alltäglichen Praxis sind die Menschen gewohnt, mit unveränderlichen Objekten umzugehen. Als Ergebnis dieser angeborenen, vererbten, automatisierten Praxis erscheint die rationale Logik, die die Natur in selbständige und unveränderliche Elemente zergliedert. Nur auf der Grundlage angesammelter wissenschaftlicher Erkenntnisse, unter dem Antrieb der historischen (Klassen-)Entwicklung legt die Entwicklung des Denkens ihren Weg von der niedrigen Logik zur Dialektik zurück.

Der Rationalismus ist ein Versuch, ein vollständiges System auf der Grundlage der niedrigen Logik zu schaffen.

Die Chronologie des Evolutionismus

Die Kant-Laplace-Theorie von der Entstehung des Sonnensystems
Die Dialektik von Hegel (nach der französischen Revolution)
Die Theorie von Lyell (die Entwicklung der Erde)
Die Theorie von Darwin (die Entwicklung der Arten)
Die Theorie von Marx

Auf diese Weise führt die Ahnenreihe des Übergangs vom Denken in statischen Kategorien zum Denken in Begriffen der Entwicklung in die Epoche nach der Großen Französischen Revolution, die das letzte erhabene, geniale Auflodern eines mutigen Rationalismus war.

Vorher glaubte Kant, daß die Logik vervollkommnet sei, weil sie sich seit der Zeit von Aristoteles, das heißt, seit einer Zeit von über 2.000 Jahren nicht verändert hatte.

Im Gegensatz dazu sah Hegel darin eine enorme Zurückgebliebenheit der Logik.

Der Kern davon ist, daß die Regeln und Methoden der engen, praktischen, gewöhnlichen oder niedrigen Denkweise sich – ganz auf der Grundlage der Praxis – und der damit verbundenen theoretischen Arbeit – schon in der Antike herausgebildet haben, und innerhalb der Grenzen dieses gewöhnlichen Denkens waren Änderungen weder notwendig noch geduldet. Aber gerade das Wachstum und die Entwicklung der Erkenntnis auf der Grundalge der aristotelischen Logik bereitete den Boden für ihre Sprengung.

Die Triade ist der „Mechanismus“ der Umwandlung von Quantität in Qualität.

Historisch gesehen bildet die Menschheit ihre „Begriffe“ – die Grundelemente ihres Denkens – auf der Grundlage der Erfahrung, die immer unvollständig, partiell, einseitig ist. Sie nimmt in „den Begriff“ diejenigen Eigenschaften des lebendigen immer sich ändernden Prozesses auf, die für sie in einem gegebenen Moment wichtig und bedeutsam sind. Ihre zukünftige Erfahrung wird erst bereichert (quantitativ) und wächst dann über den abgeschlossenen Begriff hinaus, das heißt, sie negiert ihn in der Praxis und macht dadurch eine theoretische Negation notwendig. Aber die Negation bedeutet nicht eine Rückkehr zur tabula rasa [die Auslöschung des bisher erreichten Erkenntnisstands]. Der Verstand besitzt schon: a) den Begriff und b) die Erkenntnis seines Bankrotts. Diese Erkenntnis ist gleichbedeutend mit der Notwendigkeit, einen neuen Begriff zu bilden, und dann ist es unausweichlich enthüllt, daß die Negation nicht absolut war, daß sie nur bestimmte Eigenschaften des ersten Begriffs betraf. Der neue Begriff hat deshalb notwendig einen synthetischen Charakter: in ihn gehen diejenigen Elemente des ursprünglichen Begriffs ein, die der Prüfung durch die Erfahrung standgehalten haben + diejenigen neuen Elemente der Erfahrung, die zur Negation des ursprünglichen Begriffs führten.

Also führen im Bereich des Denkens (der Erkenntnis) quantitative Veränderungen zu qualitativen, und dann haben diese Umwandlungen keinen unmerklich-“ evolutionären“ Charakter, sondern werden von Brüchen in der schrittweisen Entwicklung begleitet, das heißt, von kleinen und großen intellektuellen Katastrophen. Zusammengefaßt bedeutet das, daß die Entwicklung der Erkenntnis einen dialektischen Charakter hat.

Der neue „synthetische“ Begriff wird seinerseits der Ausgangspunkt für neue Erfahrung, Bereicherung, Bestätigung, und für eine neue Negation. Das ist der Platz der Triade in der Entwicklung des menschlichen Denkens. Aber was ist ihr Platz in der Entwicklung der Natur?

Hier kommen wir zum wichtigsten Problem der dialektischen Philosophie.

Die Wechselbeziehung zwischen Bewußtsein (Erkenntnis) und Natur ist ein unabhängiges Gebiet mit eigenen Gesetzmäßigkeiten.

Das Bewußtsein spaltet die Natur in fixe Kategorien und tritt auf diese Weise in Gegensatz mit der Wirklichkeit. Die Dialektik überwindet diesen Gegensatz – schritt- und stückweise – und bringt das Bewußtsein näher an die Realität der Welt. Die Dialektik von Bewußtsein (Erkenntnis) ist dadurch nicht eine Widerspiegelung der Dialektik der Natur, sondern ein Ergebnis der lebendigen Wechselwirkung zwischen Bewußtsein und Natur und – zusätzlich – eine Methode der Erkenntnis, die aus dieser Wechselwirkung erwächst.

Weil die Erkenntnis nicht identisch mit der Welt ist (trotz Hegels idealistischer Forderung), ist das dialektische Bewußtsein nicht identisch mit der Dialektik der Natur. Das Bewußtsein ist ein ziemlich eigentümlicher Teil der Natur und besitzt Besonderheiten und Gesetzmäßigkeiten, die im übrigen Teil der Natur völlig fehlen. Die subjektive Dialektik muß aufgrund dessen ein eigenständiger Teil der objektiven Dialektik sein – mit ihren eigenen besonderen formen und Gesetzmäßigkeiten. (Die Gefahr liegt in der Übertragung – unter dem Deckmantel des „Objektivismus“ – der Geburtswehen, der Krämpfe des Bewußtsein in die objektive Natur.)

Die Dialektik der Erkenntnis bringt das Bewußtsein näher an die „Geheimnisse“ der Natur, das heißt, es hilft auch, von der Dialektik der Natur Besitz zu ergreifen. Aber woraus besteht die Dialektik der Natur? Wo ist die Grenze, die sie von der Dialektik der Erkenntnis trennt (eine schwankende, dialektische „Grenze“)?

Das Bewußtsein wirkt wie eine Kamera: es reißt aus der Natur „Momente“ und die Verbindungen und Übergänge zwischen ihnen gehen verloren; aber der Gegenstand der Fotografie, die lebendige Person, wird nicht in Momente zerbrochen. Stattdessen gibt uns der Kinofilm eine grobe „Ununterbrochenheit“, die für die Retina unseres Auges genügt und sich der Ununterbrochenheit der Natur annähert. Es ist wahr, daß die Ununterbrochenheit des Films in Wirklichkeit aus getrennten „Momenten“ und kurzen Pausen zwischen ihnen besteht. Aber beides hängt mit der Technologie des Kinos zusammen, die die Unvollkommenheit des Auges ausnützt. (...)

Die Einheit von Sein und Nichts erscheint auf den ersten Blick als ein spitzfindiges, aber unfruchtbares Spiel mit Ideen, ebenso wie die Widersprüchlichkeit des Begriffs des Werdens, in dem Nichts und Sein vereinigt sind. In Wirklichkeit deckt dieses „Spiel“ brillant das Versagen des statischen Denkens auf, das erst die Welt in bewegungslose Elemente aufspaltet und dann auf dem Weg der grenzenlosen Erweiterung des Prozesses die Wahrheit sucht. (...)

Die Einheit der Gegensätze

Der kleine Paul sagt „donne!“ sowohl wenn er etwas kriegen will als auch wenn er etwas geben will. (...)

Warum ist es auf einer gewissen Stufe der Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens in vielen Bereichen notwendig, eine Theorie „auf ihre Füße“ zu stellen (aufgrund der Annahme, daß sie bis dahin auf dem Kopf stand?)

Weil die Menschheit in ihrer praktischen Tätigkeit zu der Sicht neigt, daß die ganze Welt ein Mittel und sie selbst der Zweck sei. Der praktische Egozentrismus (Anthropozentrismus) wird in die Theorie übertragen und stellt die ganze Struktur der Welt auf den Kopf. Daher rührt die Notwendigkeit von Korrekturen (Kant-Laplace, Lyell, Darwin, Marx).

Das Gehirn ist das materielle Substrat des Bewußtseins. Heißt das, daß das Bewußtsein einfach eine Form von „Erscheinung“ der physiologischen Prozesses im Gehirn sind? Wenn das die Lage der Dinge wäre, müßte man fragen: Wozu gibt es ein Bewußtsein? Wenn das Bewußtsein keine unabhängige Funktion hat, die sich über den physiologischen Prozeß im Gehirn und in den Nerven erhebt, dann ist es unnötig, nutzlos; es ist schädlich, denn es ist eine überflüssige Verkomplizierung – und was für eine!

Das Vorhandensein des Bewußtseins und seine Krönung durch logisches Denken kann nur dann biologisch und sozial „gerechtfertigt“ werden, wenn es über das durch das System der unbewußten Reflexe hinaus erreichte das Leben fördernde Resultate hat. Das setzt nicht nur die Autonomie (innerhalb gewisser Grenzen) des Bewußtseins von automatischen Prozessen in Gehirn und Nerven voraus, sondern die Fähigkeit des Bewußtseins, die Tätigkeit und Funktionen des Körpers ebenfalls zu beeinflussen. Was für dem Bewußtsein dienende Hebel gibt es, um diese Ziele zu erreichen? Die Hebel können offenbar keinen materiellen Charakter besitzen, sonst wären sie in die Kette der anatomisch-physiologischen Prozesse des Organismus einbezogen und könnten keine unabhängige Rolle spielen, die aus ihren beschrieben Funktionen besteht. Das Denken funktioniert nach seinen eigenen Gesetzen, die wir die Gesetze der Logik nennen können. Mit ihrer Hilfe erreicht es bestimmte praktische Folgerungen. Es schaltet das letzte Glied in der Kette unserer Lebensaktivitäten (mit mehr oder weniger Erfolg) ein.

Es ist bekannt, daß es eine ganze Schule der Psychiatrie („Psychoanalyse“, Freud) gibt, die sie in der Praxis völlig von der Physiologie trennt und sich auf den inneren Determinismus der psychischen Phänomene, so wie sie sind, stützt. Manche Kritiker beschuldigen deshalb Freuds Schule des Idealismus. [Sie sagen,] daß Psychoanalytiker häufig zum Dualismus, Idealismus und zur Mystifikation neigen. (...) Soweit ich weiß, ist das eine Tatsache. Aber die Methode der Psychoanalyse, die „die Autonomie“ psychischer Phänomene als Ausgangspunkt nimmt, an sich widerspricht in keiner Weise dem Materialismus. Ganz im Gegenteil, gerade der dialektische Materialismus legt uns die Idee nahe, daß die Psyche nicht hätte entstehen können, wenn sie nicht im Leben des Individuums und der Art eine autonome, das heißt in gewissen Grenzen eine unabhängige, Rolle spielen würde.

Aber immerhin erreichen wir hier eine Art kritischen Punkt, einen Bruch in der schrittweisen Entwicklung, einen Übergang von Quantität zu Qualität: die aus der Materie entstehende Psyche ist vom Determinismus der Materie „befreit“, so daß sie unabhängig – gemäß ihren eigenen Gesetzen – die Materie beeinflussen kann.

Es ist wahr, eine Dialektik von Ursache und Wirkung, Basis und Überbau ist nicht neu für uns: die Politik wächst aus der Wirtschaft heraus, damit umgekehrt die Basis durch Veränderungen den Charakter des Überbaus beeinflußt. Aber hier sind die Wechselbeziehungen real, weil es in beiden Fällen die Handlungen lebender Personen geht; in einem Fall sind sie für die Produktion gruppiert, im anderen sind sie unter dem Druck der Bedürfnisse eben der Produktion politisch gruppiert und wirken mit den Hebeln der Politik auf ihre eigene Gruppierung in der Produktion ein.

Wenn wir den Übergang von der Anatomie und Physiologie des Gehirns zur geistigen Aktivität machen, erscheint die Beziehung von „Basis“ und „Überbau“ unvergleichlich rätselhafter.

Der Dualist teilt die Welt in unabhängige Substanzen: Materie und Bewußtsein. Wenn das so ist, was machen wir dann mit dem Unbewußten?

Ergänzungen

Dialektik

Der Syllogismus ist nur absolut korrekt, wenn er eine Tautologie ist, das heißt wenn er fruchtlos ist.

Der Syllogismus ist „nützlich“, wenn er ... nicht korrekt ist, d.h. wenn er bei den Begriffen „Spielraum“ gestattet.

Die ganze Sache hängt von den zulässigen Ausmaßen des „Spielraums“ ab. Hier fängt auch die Dialektik an.

Die grundlegende „Zelle“ des dialektischen Denkens ist der Syllogismus. Aber auch er verformt sich durch, verändert sich, wie sich die Grundzellen in verschiedenen Geweben des Organismus verändern.

„Philosophie“ = eine Zunft von Werkzeugmachern in bezug auf alle anderen Zünfte der Wissenschaft.

Eine Zunft von Werkzeugmachern ist kein Ersatz für die Produktion insgesamt. Um ein Werkzeug anzuwenden, muß man einen bestimmten Bereich der Produktion kennen (Schlosserei, Drechslerei). wenn ein Dilettant versucht, bewaffnet mit der „materialistischen Dialektik“ ein kompliziertes Problem in einem Spezialgebiet intuitiv zu lösen, dann wird er sich lächerlich machen.

Andererseits kann ein „spezialisierter“ Gelehrter ohne Werkzeugmacherzunft arbeiten, das heißt, er kann ein selbstgemachtes Werkzeug benutzen, aber seine Arbeit wird merklich darunter leiden (Darwin, Mendelejev u.a.) (...)

Dialektik ist die Logik der Entwicklung. (formale) Logik ist die Dialektik der Bewegungslosigkeit. Logik ist ein Spezialfall der Dialektik, wenn Bewegung und Veränderung in die Formel als „0“ eingehen (...)

Menschen verhalten sich auf zwei Weisen zu Ideen: sie behandeln sie entweder als willkürliche, unwirkliche Schatten, die außerhalb der Welt der Tatsachen in ihrer materiellen Bedingtheit stehen oder als allmächtige „Faktoren“, die die Wirklichkeit kommandieren. Beide Ansichten sind falsch. Die Idee ist ein Faktum in einer Kette von andren Fakten.

„Bei Hegel steht die Dialektik „auf dem Kopf. Man muß sie umstülpen, um den rationalen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken.“ (MEW23, S.27) Diese Worte von Marx aus dem Nachwort zur zweiten Auflage von Das Kapital (1873) haben mehr als einmal kritischen Scharfsinn angeregt, um sie zu verfeinern.

Aber ihrem Wesen nach ist genau diese Operation – etwas vom Kopf auf die Füße zu stellen – in jedem Bereich des menschlichen Denkens wiederholt worden.

Gott schuf den Menschen.
Der Mensch schuf Gott.

Die Sonne kreist um die Erde.
Die Erde kreist um die Sonne. (...)

1. Die Kosmologie bis Galilei stellte die [Theorie der] Wechselbeziehung zwischen den Bewegungen der Sonne und der Erde auf. Galilei verwarf diesen Zusammenhang nicht, sondern drehte ihn um.

2. Die vordarwinsche Biologie stellte die [Theorie der] Zweckmäßigkeit der Struktur der Arten, die Übereinstimmung von Organen mit den Lebensbedingungen. von da aus folgerte sie ein vorgefaßtes System. Darwin verwarf nicht die „Zweckmäßigkeit“, die Übereinstimmung von Organen, Funktionen, Umwelt, sondern drehte die Wechselbeziehung um. In dieser großartigen Umsturz liegt das Wesen des Darwinismus (...)

Jede Evolution ist Übergang von Quantität zu Qualität. Gerade das Konzept von graduellen, langsamen Entwicklungen bedeutet die Erreichung qualitativer Werte mit Hilfe quantitativer Veränderungen. Das bezieht sich entscheidend auf alle Gebiete.

Darwins natürliche Auslese, die zur Entstehung verschiedener Pflanzen- und Tierarten führt, ist nichts als die Anhäufung quantitativer Veränderungen, die als Ergebnis zu einer neuen Qualität, einer neuen Art führen.

Wer das dialektische Gesetz des Übergangs von der Quantität zur Qualität leugnet muß die genetische Einheit der Pflanzen- und Tierarten, [die physikalische Einheit] der chemischen Elemente etc. leugnen. Er muß letztlich zum biblischen Schöpfungsakt zurückkehren. (...)

Teleologie und Determinismus

Alle Denkschulen des Subjektivismus gründen sich auf die eine oder andere Weise auf den Gegensatz zwischen objektiver Ursache und subjektiver Absicht. Der Determinismus ist die Philosophie der objektiven Ursachen. Die Teleologie ist die Philosophie der subjektiven Absichten. Der Versuch, einen feindlichen Gegensatz zwischen ihnen zu errichten oder sie eklektisch zu kombinieren ist selbst ein Produkt philosophischer Unwissenheit. Die Absicht ist ein Teilaspekt der Ursache. Die Teleologie ist nur ein Spezialgebiet des Determinismus.

Darwinismus

Alle anerkannten den Prozeß der Bildung von Abarten durch natürliche oder künstliche Auslese, aber viele weigerten sich völlig, anzuerkennen, daß genau dieser Prozeß auch zur Bildung von Arten führen kann. solange die Übergangsformen da sind, scheint die Einheit einer Art stabil. Aber wenn die Übergangsformen verschwinden sollten, würden die Abarten Arten werden. – (Jeder Prozeß hat seine materielle oder nichtmaterielle Paläontologie)

Darwins Doktrin begann als Theorie der Entstehung der Arten und wurde eine Theorie der Evolution der organischen Welt. (...)

Die Geschichte der Sprache ist die – Paläontologie des Denkens. (...)

Dialektik

Wallace, der nicht nur ein Darwinist war, sondern ein Wissenschaftler, der selbständig die Theorie der evolutionären Entstehung der Arten (darunter die Menschen) kam, hat mehr als geringe Anstrengungen unternommen, um Beweise beizubringen, daß es zwischen Menschen und Tieren unübersteigbare Barrieren im Bereich des Geistes und der Moral gibt, mit anderen Worten, Beweise für die göttliche Herkunft der „Seele“.

Wallace macht dieselben Sprünge beim Übergang von der anorganischen zur organischen Materie und dem Auftreten des Bewußtseins.

Die Evolution läßt nicht mit sich handeln: Man muß sie entweder anerkennen oder ablehnen.

Jede Reaktion ist gezwungen, Umwandlungen abzulehnen.

Der Nationalsozialismus kann nicht mit dem Darwinismus versöhnt werden.

 

Editorische Hinweise

Zuerst 1986 in englischer und russischer Sprache erschienen, Trotsky’s Notebooks 1933-1935 (Hrsg. Philip Pomper). Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Wolfram Klein.

Wir spiegelten den Text von http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1935/notiz/diamat.htm