Eine geschönte Bilanz
Zur Erklärung der Linkspartei-Fraktion nach dem Ende von Rot-Grün in NRW

von Frank Braun

04/12

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Da hauen die Sprecherinnen und Sprecher der Partei DIE LINKE (PDL) in NRW ja ganz schön auf den Bolzen. Ihre Presseerklärung nach dem Ende von Rot-Grün im Landtag von NRW ließt sich als uneingeschränkte Erfolgsbilanz zweijähriger parlamentarischer Arbeit.

Haben das aber auch ihre WählerInnen und Wähler so bemerkt und erkennt sich die Mitgliedschaft der Partei in dieser Erfolgsbilanz wieder ?

Dies muß wohl eindeutig verneint werden. Die Zahl der Mitglieder ist deutlich zurück gegangen. Etliche sind ausgetreten oder haben ihre Aktivität einfach eingestellt. Die Kreisverbände, so überhaupt noch existent und aktiv, scharen sich um ihre parlamentarischen MandatsträgerInnen und setzen auf deren Initiative, so überhaupt vorhanden. Die Parlamentsfraktion in Düsseldorf samt ihren Angestellten stellen das Schwungrad ihrer Partei dar.
Sämtliche Versuche, diese Konstellation ‚umzudrehen’, die gelegentlichen Versuche, sich hauptsächlich in den Betrieben, den Verwaltungen, den Schulen und Hochschulen, in den Wohnvierteln zu verankern, haben sich nicht nur als durchaus halbherzig, sondern als parteiintern offenbar mehrheitlich nicht gewollt herausgestellt. Das Resultat: Eine weitgehende Abwesenheit aus dem nicht-parlamentarischen öffentlichen Raum.

Für eine linke Partei aber wäre dieser andere Weg der einzige, der fernab parlamentarischer Konjunktur die Existenz sichern kann. Und noch viel bedeutsamer: Es wäre der einzige Weg, der sicherstellen kann, man ist vor Ort ganz dicht bei denen, deren Interesse man zu vertreten vorgibt.

Erinnert sei an die heftige Kritik einzelner aus der PDL in NRW am peinlichen Wirken des Landesverbandes Berlin dieser Partei – damals in 2007. Die Spezialsozialisten in Berlin fanden ihr neoliberales Mittun - ihr Engagement bisweilen gegen die Armen nicht gegen die Armut - gar nicht so peinlich. Die verteidigten ihre Regierungssessel, ihre Mandate und ihre Seilschaften in der Verwaltung mit Zähnen und Klauen. Ihre Wählerschaft wurde halbiert, die Mitgliedschaft war auf Mitwirkung am kapitalistischen Krisenmanagement eingeschworen und wirkte ansonsten wie gelähmt.

Peinliches Wirken nur in Berlin ?

In besagter Erklärung feiert die Linksfraktion ihre Forderungen als „klar, bescheiden und umsetzbar“. Ihre fünf ausdrücklich genannten ‚Haupterfolge’ können das Maß von Absorption von menschlichen Ressourcen linker Aktivisten über gut zwei Jahre nicht rechtfertigen. Zumal die Behauptung, „Nur durch DIE LINKE ...“ sei dies und jenes ermöglicht worden, zweifelhaft und spekulativ ist. Die größere und weitaus erfahrenere Sozialdemokratie in Gestalt der SPD macht das auch immer so: Soziale Brosamen werden ausgestreut und als ‚Nur durch die SPD ...’ gefeiert. Soziale Grausamkeiten per Gesetz, hat man sie nicht selbst ausbaldowert, werden noch stets mit heftigen Verbalattacken begleitet.

Apropos Bilanz: Bei der Gelegenheit, möchte man in der eigenen Bilanz den törichten Eiertanz um die ‚versehentliche’ als Zustimmung ausgefallene Enthaltung zum Nachtragshaushalt für 2010 auch noch vergessen machen. Erst recht, da man seinerzeit auch noch dazu aufrief, dagegen per Demo zu protestieren.

Der großen und der kleinen Sozialdemokratie in Gestalt von SPD und PDL ist und bleibt bei allen graduellen Unterschieden gemeinsam, daß sie den Krisen geschüttelten Kapitalismus etwas eindämmen wollen, was ihnen substantiell aber nicht gelingen kann.

Und was die Brosamen betrifft, so schämen sich die SprecherInnen der PDL nicht, die Anstrengungen der bundesweiten Studierendenbewegung zur Abschaffung der Studiengebühren sich selbst auf das Habenkonto zu verbuchen: „Nur durch DIE LINKE gab es eine Abschaffung der Studiengebühren bereits im Wintersemester 2011/2012.“

Als antikapitalistische Kraft ist die PDL in NRW derzeit im Großen und Ganzen ausgefallen. Als sozialkritische, als Kapitalismus kritische Kraft könnte sie reüssieren, wenn Inhalte und Methoden ihrer Politik einer Reform unterzogen würden. Das müßte vor der NRW-Wahl im Mai geschehen, laut und nachvollziehbar und ziemlich weit weg von der Frage ‚Regierungsbeteiligung oder Tolerierung?’ oder ‚Schaffen wir es über die Fünf-Prozent-Hürde?’. Es scheint, nicht weniger als eine Parteireform an Haut und Haaren ist vonnöten.

Die antikapitalistische Strömung in der NRW-PDL ist mit der Gesamtpartei schwächer geworden. Sie muß aber als Kollektiv sicherstellen, daß ihre eigenen Möglichkeiten und Ziele erhalten bleiben und daß ihr Projekt unabhängig vom weiteren Schicksal der PDL ideell Bestand hat. Da bleibt wohl als Perspektive nur, wann man sich selbständig um antikapitalistische Bündnispartner in partei- und strömungsübergreifenden Zusammenhängen bemüht.


Frank Braun, Köln, 17.03.12
Mitglied der Sozialistischen Kooperation (SoKo)
 

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