Roter Faden der Herrschaftskritik
Medienprojekt „Roter Faden“ beschreitet neue Wege bei der politischen Bildung

von Peter Nowak

04/11

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Gibt es Herrschaft heute überhaupt noch und wenn ja, wie funktioniert sie und wie kann man sie filmisch darstellen? Innerhalb des Medienprojekts „Der Rote Faden“ haben sich AktivistI_nnen mit verschiedenen politischen Hintergründen diese Frage gestellt. Ihre Antwort kann sich sehen lassen. In 12 Kurzvideos haben sie verschiedene Herrschaftsverhältnisse untersucht. Recht und Gerechtigkeit, Wirtschaft, Rassismus, Antisemitismus, Klassen und Geschlechter lauten einige der behandelten Themenfelder. Die analytischen Erläuterungen sind Bilder unterlegt, die an die populäre Kulturwelt anknüpfen. „Damit soll Menschen die nicht mit linken Debatten vertraut sind, ein leichterer Zugang ermöglicht werden“, meint einer der Mitarbeiter des Projekts. Er sieht in der modernen Herrschaftskritik einen roten Faden für die Entwicklung einer linken Perspektive.

Bei der öffentlichen Premiere des Videoprojekts vor einigen Tagen im Berliner Haus der Demokratie betonten die Projektleute ihr Interesse auch an einem Feedback der Betrachter. Die Resonanz war überwiegend positiv. Aufmerksamen Betrachtern ist eine Diskrepanz zwischen Bild und Wort aufgefallen. Die populärkulturellen Elemente der Bildsprache stünden scheinbar in einen Gegensatz zu der eher traditionellen, weil erklärenden Wortvermittlung. „Wir konnten nur die Mittel verwenden, die uns zur Verfügung stehen“ erklärte ein Mitarbeiter des Roten Fadens. Doch es stellt sich hier die Frage, ob der Widerspruch der Wort- und Bildsprache nicht sogar produktiv ist. Schließlich gibt es nur begrenzte Mittel, um komplexe Zusammenhänge darzulegen, ohne sie zu verflachen. Vor einigen Generationen haben junge Menschen, die sich Wissen über die Gesellschaft aneignen wollten, Marx-Kurse besucht oder das Monumentalwerk von Peter Weiss „Ästhetik des Widerstands“ gelesen. Auch das war keineswegs eine leichte Lektüre, schon damals wurde oft über die Mühe der Wissensaneignung geklagt. Doch auch damals wurde mit Recht darauf hingewiesen, dass diese Schwierigkeiten im Gegenstand selber liegen.

Die Videos zur Herrschaftskritik können durchaus als zeitgemäßer Beitrag für eine Bildungsarbeit verstanden werden, die den Anspruch hat, nicht nur einzige Symptome sondern die Gesellschaft insgesamt zu erklären. Dieser Anspruch ist sehr sympathisch, in einer Zeit, wo selbst Linke oft bestreiten, dass es so etwas wie Gesellschaft überhaupt gibt und sich schon gar nicht wagen, sie nur in ihrer Gesamtheit erfassen zu wollen. Positiv ist auch, dass der Rote Faden“ den Anspruch hat, viele Menschen zu erreichen. Eigentlich alle, die an einem Punkt in Widerspruch zur Gesellschaft geraten sind und sich jetzt fragen, wie alles zusammenhängt. Dass kann eine Aktivist gegen Stuttgart 21 ebenso sein, wie ein Hartz IV-Empfänger, der in Konflikt mit der Jobcenter-Bürokratie geraten ist oder eine junge Antifaschistin, die begriffen hat, dass der Kampf gegen Nazis nicht ausreicht. Sie alle können sich durch diese Videos angesprochen fühlen, über die Gesellschaft nachzudenken. Die Videos in der Länge von 6 bis 12 Minuten können unterschiedlich genutzt werden. Es ist sowohl möglich, sie einzeln zu sehen und darüber zu diskutieren, aber sie können auch im Zusammenhang betrachtet werden. In den nächsten Monaten sollen sie im Offenen Kanal Berlin (OKB) gesendet werden. Im Internet können sie kosten heruntergeladen werden unter http://www.herrschaftskritik.org/

Auf der Homepage findet sich auch weiterführende Literatur zu den einzelnen Themenfeldern.
 

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.