Das
Frankreich Nicolas Sarkozys – jenes der Militärs & der
Milliardäre – führt Krieg in der westafrikanischen Côte
d’Ivoire (Elfenbeinküste). Am Montag, den 11. April 11
wurde dort der seit dem Jahr 2000 amtierende Präsident Laurent
Gbagbo, welcher nach einer umstrittenen Wahl (deren Ergebnisse
mutmaßlich
durch beide widerstreitende Parteien gleichfalls manipuliert
worden waren) seinen Rücktritt verweigert hatte, gewaltsam
abgesetzt. Unter maßgeblicher
Mitwirkung französischer Militärs, die Rede ist von 200 Mann
der „Spezialkräfte“ und 30 Panzerfahrzeugen plus
Luftunterstützung aus Hubschrauber, wurde Laurent Gbagbo in
seiner seit Tagen belagerten Residenz verhaftet. Der
populistische Nationalist wird nunmehr durch den früheren
hohen IWF-Funktionär Alassane Ouattara, den das Frankreich
Sarkozys sowie die US-Administration Obama als angeblichen
„demokratischen Wahlsieger“ unterstützt hatten, abgelöst.
Gbagbo wurde festgenommen und, nachdem er einen Tag lang im
vierten Stock des luxuriösen „Hôtel du Golf“ – wo Ouattara
seit November 2010 sein, durch die französisch dominierte
UN-Truppe ONUCI bewachtes, Hauptquartier im umkämpften Abidjan
hatte – gefangen gehalten worden war, in den Norden der Côte
d’Ivoire transportiert. Also in den Landesteil, der die
Hochburg seines Rivalen Ouattara bildet und seit Jahren durch
dessen bewaffnete Anhänger kontrolliert wurde, ähnlich wie
(besonders) der Südwesten durch Parteigänger Laurent Gbagbos.
Am Freitag, den 15. April folgte nun die Festnahme seines
„Jugendministers“ und nationalistischen Agitators, Charlés Blé
Goudé. Die Anhänger von Jetzt-Präsident Alassane Ouattara
wollen voraussichtlich einen Prozess gegen Gbagbo führen
lassen.
Der
65jährige im weiβen Unterhemd sieht etwas verwirrt in die
Kameras. Dann wischt er sich mit einem weiβen Handtuch die
Schweiβ von der Stirn. Rund um ihn herum stehen Soldaten in
Uniform, schwarze und mindestens ein weiβhäutiger. Nach einer
Minute zieht einer der Militärs ihm ein Hemd in für viele
afrikanische Länder typischen, leuchtenden Farben an. Das
Hellgrün dominiert. Der untersetzte Mann sagt nun erst einmal
gar nichts mehr.
Hinter dem
Mann sieht man seine Ehefrau, die für ihre flammenden religiösen
Predigten bekannte Anhängerin der evangelikalen Christen, Simone
Gbagbo. So lief am Montag, den 11. April 11 gegen 13 Uhr die
Gefangennahme des seit dem Jahr 2000 amtierenden Präsidenten des
westafrikanischen Staates Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) ab.
Laurent Gbagbo wurde in einem Wohnraum innerhalb der seit zehn
Tagen belagerten Präsidentenresidenz im Stadtteil Cocody
aufgegriffen und ins Hauptquartier seines Rivalen und nunmehr
Nachfolgers im Amt, Alassane Ouattara, das Luxushotel
Hôtel du Golf in Abidjan, transportiert.
Der örtliche
Sonderkorrespondent der Pariser Abendzeitung Le Monde
- der, wie bei dieser Gelegenheit unmissverständlich klar wurde,
als embedded journalist im Hauptquartier
dieser Bürgerkriegspartei ansässig gewesen war und aus ihm
heraus berichtet hatte - beschreibt seine Ankunft dort. Nach den
Worten von Jean-Philippe Rémy wurden Laurent Gbagbo und seine
Gattin „misshandelt, aber nicht gelyncht, wie man in dieser
elektrisch aufgeladenen Atmosphäre hätte erwarten können“.
Gbagbos bisheriger Innenminister Désiré Tagro hingegen soll
buchstäblich totgeschlagen worden sein; vorliegenden
Informationen aus seinem politischen Lager zufolge, nachdem er
mit einer weiben
Fahne auf die Ouattara-Anhänger zugegangen sein soll. (Diese
Information konnte durch die Gegenseite nicht wirklich
dementiert werden. Französische Medien präzisierten, Tagro sei
einen Tagen später in einem Krankenhaus von Abidjan an seinen
Verletzungen gestorben und mutmablich
durch Schläge mit Gewehrkolben malträtiert worden.) Auch
bisherige Hausangestallte von Laurent Gbagbo wurden bei ihrer
Ankunft im Hauptquartier von Alassane Ouattara misshandelt, in
Le Monde wurden sogar Fotos von diesen Szenen
abgebildet. Zusammen mit Laurent Gbagbo gerieten insgesamt 107
Personen in Gefangenschaft.
Die
Verbreitung der Bilder von Laurent Gbagbo im Unterhemd und aus
seinem Schlafgemach wurde unterdessen von vielen Bewohnern im
Lande und im übrigen Afrika, auch solchen, die durchaus nicht zu
seinen Sympathisanten zählten, als internationale Demütigung
aufgefasst. Insbesondere auch aufgrund der mutmaβlichen
federführenden Rolle von Soldaten der früheren Kolonialmacht
Frankreich. Ungefähr so, wie viele Araber vor acht Jahren die
Bartschur für den gefangen genommenen Diktator Saddam Hussein
vor laufenden Kameras - trotz geringer Sympathien für den
Kriminellen - als symbolische Demütigung empfanden.
Die Rolle
der französischen Armee
„Gutes tun
und nicht darüber reden“, sagte sich zu dieser Zeit offenbar die
französische Armee in den Tagen zuvor im Einsatzgebiet Abidjan.
Dabei ist nicht nur der positive Charakter ihrer Aktionen -
höflich ausgedrückt! - reichlich umstritten. Zumindest offiziell
ist auch unklar, ob und inwiefern die französischen Militärs
überhaupt direkt handelten.
In ersten
Meldungen der französischen Presseagentur AFP und anderer
Nachrichtenagenturen vom frühen Montag Nachmittag wurde explizit
angekündigt, französische Soldaten hätten den 65jährigen
Ex-Staatschef in seiner Residenz in Cocody festgenommen. Die
Agentur Reuters zitierte dazu Toussaint Alain, den
Repräsentanten Gbagbos in Europa, mit den Worten: „Präsident
Gbagbo wurde durch die französischen Spezialkräfte festgenommen
und den Chefs der Rebellion übergeben“, also den Leuten des
designierten Staatsoberhaupts Alassane Ouattara. Rund eine
Stunde später folgte das Dementi: Die französische Armee und die
Regierung des Landes lieβen in aller Dringlichkeit verlautbaren,
diese Nachricht stimme gar nicht. Der Generalstab in Paris
erklärte um 16 Uhr, „zu keinem Zeitpunkt“ seien französische
Soldaten „in den Garten oder in die Residenz“ eingedrungen.
Frankreichs Botschafter in Abidjan, Jean-Marc Simon, seinerseits
behauptete: „Laurent Gbabgo ist durch die <Republikanischen
Streitkräfte der Côte d’Ivoire> (FRCI) festgenommen und durch
die FCRI ins Hôtel du Golf gebracht worden.“ Also
ohne aktive französische Beteiligung.
Am
Spätnachmittag sah es bereits wieder aus. Um 17 Uhr an jenem
Montag (11. April 11) räumte das französische
Verteidigungsministerium ein, die UN-Truppe in der Côte d’Ivoire
ONUCI und die zusätzlich im Lande stationierte, rein
französische Truppe - die force Licorne
(„Streitkraft Einhorn“), die vor kurzem von 980 auf 1.700 Mann
aufgestockt worden war - hätten neben den FCRI „unterstützend“
eingegriffen. So hätten sie Hubschrauber entsandt. Die
force Licorne, die seit Herbst 2002 eine Teilungslinie
zwischen Nord und Süd quer durch die Côte d’Ivoire errichtet
hatte und seitdem bewachte, wobei die damaligen Rebellen der
Forces Nouvelles (FN, „Neue Kräfte“) den Norden und
Gbagbo den Süden kontrollierten, steht unter rein französischem
Kommando. Hingegen steht die OCUNI formell unter dem Kommando
der UN-Zentrale in New York, allerdings stellen die
französischen Soldaten das stärkste Kontingent innerhalb der
ONUCI, die aus Einheiten Frankreichs sowie mehrerer
westafrikanischer Länder zusammengesetzt war. Mehrere der
letztgenannten Staaten hatten jedoch vor kurzem mit der
Zuspitzung der Krise ihre Truppen aus der UN-Mission
zurückgezogen, so Benin Anfang März 11.
Um kurz nach
23.30 Uhr am Montag Abend stellte die konservative französische
Tageszeitung Le Figaro dann einen Artikel
on-line, dessen Überschrift bereits die Kernaussage
enthält: „Die Auflösung (der Blockadesituation) in der Côte
d’Ivoire war durch die französische Unterstützung möglich.“
Demnach waren 200 Soldaten aus französischen Spezialtruppen am
Sturm auf die Residenz Laurent Gbagbos beteiligt. Aus anderen
Quellen ist zu entnehmen, dass die
französische Armee 30 gepanzerte Fahrzeuge sowie
Luftunterstützung für die Operation stellte.
Schon knappe
24 Stunden zuvor hatten französische Einheiten am Sonntag, den
10. April Munitionsdepots im Umfeld der Residenz Gbagbos
bombardiert. Und diese Präsidentenresidenz selbst wurde am
Montag der Woche zuvor (dem o4. April 11) von Hubschraubern aus
beschossen. In den Tagen dazwischen war zeitweilig davon die
Rede, dass Laurent Gbagbo „über die Bedingungen seiner
Kapitulation verhandele“, wie Frankreichs Aubenminister
Alain Juppé in Paris vor der Presse erklärte. In französischen
Medien wurde sogar präzisiert, welche Bedingungen Gbagbo dafür
angeblich stelle – er wolle im Lande selbst (in der Côte
d’Ivoire) bleiben, statt zuvor angestellten Spekulationen
zufolge in ein südafrikanisches Exil zu gehen; und manchen
Quellen zufolge wolle er seine Residenz in Cocody behandeln.
Nachdem es bis am Mittwoch, den 06. April zunächst so aussah,
als bereite Laurent Gbagbo sich auf eine ausgehandelte
Kapitulation vor, dementierte der (nunmehrige Ex-)Präsident dies
dann in einem Interview für einen französischen Sender: „Würde
ich einen Wahlsieg Alassane Ouattaras anerkennen, dann wüsste
man dies (bereits).“
Präsidenten-
und französische Botschafter-Residenz
Dem zweiten
Beschuss voraus ging am letzten Sonntag (10. April) der
Einschlag eines Geschosses ein der Residenz des französischen
Botschafters in Abidjan, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur
Präsidentenresidenz liegt. Jean-Philippe Rémy deutet allerdings
an, dass es sich auch um eine Granate der Ouattara-Truppen FRCI
handeln könne, die beim Beschuss der Präsidentenresidenz auf
jene des französischen Botschafters gefallen sei.
Beide
Gebäude liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und
waren bis im Jahr 2005 sogar durch einen unterirdischen Tunnel
miteinander verbunden. Letzterer ging auf die Ära des Gründers
und langjährigen ersten Präsidenten der Côte d’Ivoire nach ihrer
Unabhängigkeit, Félix Houphouët-Boigny, zurück: Er war ein
äuβerst enger Freund Frankreichs, nahm auf seine strategischen
Interessen beste Rücksicht und gilt als Erfinder des Ausdrucks
Françafrique. Der Begriff sollte bei ihm die
„Intimfreundschaft“ zwischen beiden Ländern ausdrücken, wird
aber heute in Frankreich nur noch durch Kritiker der
„neokolonialen Sonderbeziehungen“ zwischen dem Land und dem
afrikanischen Kontinent benutzt. Es war Laurent Gbagbo, der
diesen Tunnel im Jahr 2005 zumauern lieβ. Ein Symbol für sein
angespanntes Verhältnis zur früheren Kolonialmacht.
Auch wenn
Laurent Gbagbo nicht mehr der frühere Marxist und Gewerkschafter
war, als der in den achtziger Jahren auftrat - damals führten
ihn in seine Aktivitäten erst unter Houphoët-Boigny ins
Gefängnis (im Anschluss an die studentischen Demonstrationen vom
Juni 1982) und im Anschluss ins französische Exil, wo er bei der
Sozialistischen Partei aktiv wurde -, sondern zunehmend auf eine
Mischung aus Machtpolitik, Nationalismus und den religiösen
Eifer seiner Frau und ihrer Umgebung setzte. Simone Gbagbo war
infolge eines Autounfalls im Jahr 2000, den sie überlebt hatte,
zunehmend in eine religiös-messianische Ideologie abgeglitten.
Dennoch gehörte die Abgrenzung gegen Frankreich und seine
Dominanz, die auf wirtschaftlichem Gebiet durchaus real ist, zu
seinen politischen Erfolgsgrundlagen. Einer der zentralen
politischen Slogans von Laurent Gbagbo und seiner Partei „Ivorische
Volksfront“ (FPI) während der letzten Jahre lautete, er stünde
für „die zweite Unabhängigkeit“ der Côte d’Ivoire (nach jener
von 1960, die formal blieb).
Auch unter
Gbagbos Präsidentschaft blieb der wirtschaftliche Einfluss
Frankreichs im Übrigen hegemonial, so konnte der Milliardär und
Transportunternehmer Vincent Bolloré - bislang schon Eigentümer
der Eisenbahnlinien des Landes - auch den Hafen von Abidjan
erwerben. Allerdings setzte Gbagbo die Franzosen stärker in
Konkurrenz etwa zu chinesischen Unternehmen als seine Vorgänger.
Das Frankreich Nicolas Sarkozys wiederum glaubt seine Interessen
besser unter einem Präsidenten Alassane Ouattara geschützt. Als
Premierminister von 1990 bis 93 hatte er viele Privatisierungen
zugunsten französischer Unternehmen durchführen lassen, davor
und danach war er beim Internationalen Währungsfonds (IWF) als
Leiter der Afrika-Abteilung sowie als Vizedirektor tätig. Aus
solchen Gründen zog Frankreich den künftigen Präsidenten
Ouattara seinem Vorgänger Gbagbo vor - keinesfalls aufgrund des
umstrittenen Ausgangs der Wahl vom 30. November 10, die
mutmaβlich durch beide Seiten manipuliert worden war. Es wäre
auch tatsächlich das erste Mal, dass Paris sich an einer
manipulierten Wahl in seiner Einflusszone in Afrika stören
würde...
Eine
„Rechtsgrundlage“ liefern, mal wieder, die Vereinten Nationen
Die
Rechtsgrundlage für Frankreichs Eingreifen lieferte die
UN-Resolution Nr. 1975 vom 30. März dieses Jahres, die vorsieht,
dass Maβnahmen gegen den Einsatz von Artilleriewaffen in
Wohngebieten ergriffen werden sollten. Tatsächlich hatte die
Armee Gbagbos sich in Abobo, einem Stadtteil im Norden von
Abidjan, dadurch Verbrechen gegen Zivilisten schuldig gemacht.
Aufgrund von Massakern an Zivilisten, aufgrund ethnischer
Zugehörigkeit sowie ihrer daraus abgeleiteten mutmaβlichen
politischen Position, steht in den letzten Tagen allerdings eher
die Truppe Alassane Ouattaras in der Kritik.
Bei der
Einnahme der Stadt Duékoué im Westen des Landes am 28. März 11
massakrierte diese beispielsweise mutmaβlich 800 Personen -
darunter eventuell bewaffnete Anhänger Gbagbos, aber auch Kinder
und Greise, die der „falschen“ ethnischen Gruppe angehörten: Die
Guéré unterstützten mehrheitlich Laurent Gbagbo. Am Freitag
Abend (08. April) veröffentlichte Human Rights Watch einen
Bericht über Gräuel im ivorischen Bürgerkrieg, dessen Vorwürfe
sich überwiegend an die Seite Ouattaras richten. Die UN
forderten am Montag, den 11. April den künftigen Präsidenten
auf, es zu keinem „weiteren Blutbad“ nach seinem Sieg kommen zu
lassen. Ouattara selbst spricht mittlerweile davon, er gebe sich
„zwei Monate, um das Land zu befrieden“, und er rufe ferner für
danach zu einer „nationalen Versöhnung“ auf.
Editorische Hinweise
Den Artikel erhielten wir
vom Autor für diese Ausgabe.
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