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eine TREND-Übersicht für den 1. Mai 2011

04/11

trend
onlinezeitung

Antikapitalistische Walpurgisnacht 2011 – Aufruf
 

Wir bleiben alle!
Gegen Mieterhöhung und Vertreibung linker Projekte!
Für unkommerzielle Kultur und ein menschenwürdiges Leben!

30. April – Berlin – Antikapitalistische Walpurgisnacht 2011

Der Wahnsinn kennt keine Grenzen mehr. Neukölln, Wedding,  und Weißensee und Lichtenberg werden mittlerweile genauso gentrifiziert wie Mitte, Prenzlauer-Berg, Friedrichshain  und Kreuzberg.  Zwar ist der „Aufwertungsprozess“ in diesen Bezirken längst noch nicht so weit fortgeschritten, doch trotzdem ist in diesen Kiezen schon jetzt für jede_n spürbar, dass „Gentrifizierung“ kein bloßes Innenstadtphänomen ist, das am S-Bahnring Halt macht. Prenzlauer Berg und Mitte sind in Berlin wohl mit Abstand die schlimmsten Beispiel für eine komplett gegen die Wand gefahrene Stadtpolitik.
Die Erinnerungen an Prenzlauer Berg als Epizentrum der Ostberliner Hausbesetzer_innen-Szene wirken heute fast schon absurd. Vielmehr steht der Prenzlauer Berg beispielhaft für die Unvereinbarkeit von Kapitalinteressen und dem Wunsch nach einem guten oder irgendwie „gerechten“ Leben. Er ist der in Ocker und Alpinaweiß getünchte Beleg dafür, wie es laufen kann, wenn dieser Entwicklung nichts entgegengesetzt wird.

Verdrängung – „Ohne Kompromisse“

„Ohne Kompromisse“ prangt es auf den Werbetafeln des „Marthashof“ im Oderberger-Dreieck, beinahe so als wäre die Verdrängung der alten Nachbarschaft gemeint. “Gated Communities“ -  geschlossene Wohnanlagen, abgeschirmt durch Zäune und kampferprobte Securities, sichern nicht nur das komfortable Wohnen der neuen Upperclass, sondern auch deren Besitz. Soziale Widersprüche sollen schön draußen bleiben. Der Terrassenparkplatz für das eigene Auto (bspw. das „Carloft“ in Kreuzberg) oder die hauseigene Garage sind darum nicht bloß Prestige, sondern wirksamer Schutz vor den Gefahren der Nacht.

Trotz des hohen Einkommensniveaus im Prenzlauer Berg musste bisher jede_r Fünfte wegen zu hoher Mieten wegziehen. Und so ist es kein Zufall, dass die Bevölkerung seit den 90er Jahren zu mehr als 80% ausgetauscht wurde. Die Behauptung, diese Entwicklung sei lediglich Resultat des „natürlichen“ Laufes der Marktgesetze, ist schlichtweg falsch. Auch wenn es Marktakteur_innen und -logiken gibt, wird der „Immobilienmarkt“ durch Fördergelder, Bau-, Miet-, und Steuergesetze politisch-administrativ gelenkt.

So verkaufte der Berliner Senat verkauft 2004 die städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW für 405 Millionen Euro an einen privaten Investor. Insgesamt 9.500 ehemalige Wohnungen erhielten 2008 Mieterhöhungen über 20 Prozent. Die GSW liess sich im Folgejahr einen Gewinn von 447 Mio. Euro ausschütten.

Besonders problematisch ist die derzeitige sozialpolitische Situation auf dem Wohnungsmarkt, da es an Wohnungen mangelt, die bezahlbar sind und sich zugleich nicht völlig am Stadtrand befinden. Die beschriebene Verdrängung sozial schwacher Einwohner_innen, vom Langzeitarbeitslosen bis zur Geringverdiener_in, lässt sich u.a. auf das Fehlen eines bestehenden sozialen Wohnungsbaus zurückführen. Das Versprechen einer „möglichst guten“ Versorgung der Wohnbedürfnisse durch den nunmehr freien Wohnungsmarkt, wird jeden Tag Lügen gestraft. Der Wegfall der Förderungen für Sozialwohnungen, dem Verkauf kommunaler Wohnungsbaugesellschaften (Privatisierung) und dem Wegfall der Belegungsbindung (damit Sozialwohnungen sozial schwächeren Personen zugestanden wird) drückt sich vor allem in der sozialen Vertreibung von Geringverdienenden in Kreuzberg, Neukölln und zunehmend auch im Wedding aus. Als ob das noch nicht genug wäre, ist von der Bundesregierung geplant, dass das Wohngeld in diesem Jahr um den Heizkostenzuschuss gekürzt werden soll. Die bundesweit zwischen 800.000 und 900.000 betroffenen Haushalte stehen dabei exemplarisch für einen Staat, der sich der sozialen Verantwortung weiter entledigen möchte und die Bedürfnisse über einen freien Wohnungsmarkt regeln lassen wird. Die sozialpolitische Verantwortung eines sich selbst „Sozialstaat“ nennenden Verwaltungsapparates entpuppt sich als Versagen, denn mit einer marktorientierten Wohnungspolitik ist keine nachhaltige und sozial gerechte Politik zu machen.. 

Diese Stadt ist ausverkauft.

In diesem Zusammenhang darf die Rolle des Liegenschaftsfonds (LiFo) nicht vergessen werden. Er hat den Auftrag, den städtischen Leerstand zu verwalten und meistbietend an profitorientierte Unternehmen zu verkaufen. Dies verschafft der Senatskasse rund 200 Mio. Euro Gewinn jährlich. Dabei werden die Bezirke unter anderem durch Haushaltstricks vom Senat dazu gezwungen, die Immobilien an den LiFo abzustoßen. Über diesen Weg wurde in den letzten Jahren einer Vielzahl gewinnorientierter Bauprojekte der Weg geebnet. An den Anwohner_innen vorbei werden Bauprojekte geplant, bestehende Grün- und Gartenflächen zugebaut oder denkmalgeschützte Bauten dem Verfall überlassen, falls die Käufer_innen nur Interesse am Grundstück haben. In den Stadtteilen haben diejenigen, die vielleicht doch lieber ein Nachbarschaftszentrum anstatt eines Supermarkts vor der Tür hätten, nur wenig Spielraum, wenn es um die Vergabe der Gelände geht.

Nicht aufgeben!

Sich in Mitleid zu wiegen reicht allerdings nicht aus. Beispiele wie der Kampf der Mieter_innen der Forster Straße 8 zeigen, dass ein gemeinsames Vorgehen gegen Zwangsmordernisierungen und  damit verbundene Mietsteigerungen nicht nur möglich ist, sondern auch erfolgreich sein kann. So gelang den Bewohner_innen des Hauses, die angedrohte Mietsteigerung durch öffentlichen Protest und einen gemeinsamen gerichtlichen Kampf abzuwenden. Auch die Altbewohner_innen der Belforter Straße, deren Häuser aus bloßem Profitinteresse durch die Firma „ECON-CEPT“ abgerissen werden sollten, haben aufbegehrt. Ein Teilerfolg konnte errungen werden. Der Bau des Luxusbetonklotzes „Kolle Belle“, den ECON-CEPT-Chef Rainer Bahr „seinen Nachbar_innen“ in den Hinterhof setzen wollte, musste bis auf weiteres gestoppt werden.

Dass Immobilienbranche, Politik, Medien und Polizei nicht zimperlich sind und an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, Mieter_innenkämpfe platt zu machen, zeigte die Räumung der Liebigstraße 14 im Februar diesen Jahres. Das Gerede von „einem der letzten besetzten Häuser“ ließ sich fast ausnahmslos in jeder Zeitung wiederfinden. Kein Zufall, sondern gewolltes Kalkül! Die Formulierung wie auch der Tonfall der Berichterstattung zielten vor allem darauf ab, den Besetzer_innen wegen ihres angeblichen kriminellen Verhaltens, sie zahlten ja offensichtlich nicht brav ihre Miete, das Recht auf Wohnen abzusprechen. Dabei unterschied sich das Mietverhältnis der Liebig 14 nur wenig von dem anderer Mieter_innen, mit dem Unterschied, dass das Haus in den 90ern besetzt und  später legalisiert wurde.

„Inseln des Widerstandes“

Dem Schokoladen in Mitte droht derweil ein ähnliches Schicksal wie der Liebig 14. In diesem Jahr entscheidet sich ein mittlerweile fast drei Jahre laufender Konflikt zwischen Nutzer_innen und dem Eigentümer der Ackerstraße 169/170. Eine Räumung des Schokoladens würde, nach der Räumung der Brunnenstraße 183, die Beseitigung eines weiteren alternativen Projektes in Mitte bedeuten. Das Hausprojekt Linienstraße 206 und der Wektstatthof Linienstraße, die sich in unmittelbarer Nähe zum Schokoladen befinden, sind derzeit ebenfalls in einer unsicheren Lage. Die Linienstraße 206, deren Bewohner_innen 2008 erfolgreich für den Erhalt des Hauses kämpften, wurde im Frühjahr 2011 an einen neuen Besitzer verkauft, das Gelände des Werkstatthofs Linienstraße ging im August 2010 an eine „Baugruppe“ Ex-Linker TAZ-Ökos, die dort ein „Mehrgenerationenhaus“ errichten wollen.
Diese „Inseln des Widerstands“ gilt es zu verteidigen, stellen sie doch den Versuch dar, in einer von Unterdrückung geprägten Gesellschaft, solidarische Formen des Zusammenlebens und gegenseitigen Miteinanders zu verwirklichen. Unser Protest am 30. April ist darum kein bloßes „Schaulaufen“, sondern eine klare Parteinahme für die bedrohten linken Projekte. Falls der Bagger anrollt, werden wir an ihrer Seite stehen.

Runter vom Sofa – raus auf die Straße!

Durch Rumsitzen und überteuerte Latte Macchiato Schlürfen ändert sich nichts. Sich zu wehren – ob gerichtlich oder durch die Selbstorganisierung der Mieter_innen, ob kreativ mit Farbflaschen, Stickern und Plakaten oder extravagant mit 10-Uhr-Molle, ist das einzige Mittel gegen die Gentrifizierung. Kapitalismus ist kein Wunschkonzert, deswegen muss jede noch so kleine Veränderung gegen die Kapitalinteressen erkämpft werden.

Deshalb wollen wir am 30. April auf die Straße gehen gegen Gentrifizierung, sinnlose Bauprojekte, die Aushöhlung des sozialen Wohnungsbaus. Für die Freigabe der Häuser und Plätze des LiFo zur offenen und nachbarschaftlichen Nutzung! Für günstigen selbstverwalteten Wohnraum, unkommerzielle Kultur und unangepasstes Leben, das sich an menschlichen Bedürfnissen und nicht am Geldbeutel misst!

Zusammen gegen Mietsteigerung, Gentrifizierung und Verdrängung linker Projekte!
Für die Selbstorganisierung aller, die in dieser Stadt leben!

30. April 2011 – Antikapitalistische Walpurgisnacht

Konzert: “Finger weg von unserem Kiez! – Boxi zurück!”
14.00 Uhr – Wismarplatz – Friedrichshain
Bands: Rolando Random & The young Soul Rebels (Ska), Die Wallerts (Humpa), Frei Schnauze (Punk), Knattertones (Ska-Punk), Conexion Musical (HipHop)

Demo: “Wir bleiben alle!”
16.30 Uhr – Rosenthaler Platz – Mitte

Die Aktion wird organisiert von:
Walpurgisnacht AG
Ex-Aktionsgruppe Mauerpark
North East Antifascists (NEA)
Schokoladen Mitte
Anarchosyndikalistische Jugend (ASJ)
Revolution
Linie 206
VOSIFA
PIMP (Projekte in Prenzlauer Berg und Mitte)

Die Demo wird unterstützt von:
Bündnis “Steigende Mieten stoppen!”
Sozialistische Deutsche Arbeiter Jugend (SDAJ)
Wedding 65
Antifaschistsiche Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB)
Antifaschistsiche Jugend Aktion Kreuzberg (AJAK)
Einzelpersonen aus der Brunnenstraße  und dem BIN-Netzwerk

Quelle:  http://walpurgisnacht.blogsport.eu/

Die Veröffentlichung/Verlinkung  erfolgt  zu wissenschaftlichen und dokumentarischen Zwecken.