Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Aktueller Fortgang der neuesten Irren-Debatte
rund um den Rassisten Eric Zemmour, den Antisemiten Dieudonné und weitere Figuren

04/10

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onlinezeitung

Aus aktuellem Anlass zieht unser jüngster Artikel über „die Zemmour-Affäre“ einige Aktualisierungen nach sich.

Deren erste und vielleicht wichtigste: Die bürgerlich-liberale, einem Teil der jüdischen Gemeinde nahe stehende Antirassismusorganisation LICRA (Internationale Liga gegen den Rassismus und Antisemitismus) hat sich eines Besseres besonnen und erhebt nun DOCH Strafanzeige gegen den Journalisten Eric Zemmour. Am Samstag, den 17. April beschloss eine Vorstandstagung der LICRA, „unsere Anwälte damit zu beauftragen“, Klage gegen Zemmour aufgrund seiner rassistischen (die Drogenkriminalität als Werk von „Schwarzen und Arabern“ ethnisierenden) Auslassungen zu erheben.

Unterdessen wurde zum selben Zeitpunkt bekannt, dass der schwarze französische Antisemit Dieudonné M’bala M’bala eifrig damit fortfuhr, die ihm durch Zemmour gelieferte Steilvorlage zu nutzen, um seinerseits antisemitische Töne zu spucken. Er nutzte die berechtigte Empörung über Ericf Zemmous Auslassungen, um sich selbst zu seinem vermeintlichen Gegenspieler aufzuschwingen – unter offener Anspielung auf die Abstammung des Journalisten Zemmour. Auf die Rassifizierung von Kriminalität durch Eric Zemmour antwortete Dieudonné, anhand des Beispiels des US-Milliardenbetrügers Bernard Madoff: „Eric, die groen Betrüger des Planeten sind alles Juden“ (im Original: ,les gros escrocs de la planète sont tous des juifs’). Er fügte hinzu, auf Eric Zemmours Dauerpräsenz im Fernsehen und auf seine eigene Marginalisierung in den Medien verweisend: „Um Meinungsfreiheit in Frankreich zu genieen, muss man Jude sein.“ (Vgl. u.a. http://www.lepost.fr/) Höchst pathetisch fügte Dieudonné noch hinzu: „Lieber sterben, als diesen Hunden nachzugeben.“ (FUSSNOTE1)

Nachdem diese neue Salve von Sprüchen Dieudonnés am Montag, den 19. April bekannt geworden war, reagierte die eher linke Antirassismusbewegung MRAP (Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft) mit einem Kommuniqué und kündigte ihrerseits eine Strafanzeige gegen Dieudonné wegen antisemitischer Äuerungen an. Daraufhin kündigten alsbald auch die beiden anderen gröeren Antirassismusverbände, die LICRA und die Vereinigung SOS Racisme, ihrerseits Strafanzeigen gegen Dieudonné aus demselben Grund an.

Unterdessen nimmt auch die Debatte um den in unserem Artikel ebenfalls erwähnten Radiojournalisten Stéphane Guillon – dem vorgeworfen wird, den Minister „für Einwanderung und nationale Identität“ Eric Besson zu heftig kritisiert und unter der Gürtellinie angegriffen zu haben – ihren Fortgang. Manche Beobachter hatten die Diskussion um die ihm drohende Sanktion mit jener um Eric Zemmour, dessen rassistische Aussprüche in öffentlich-rechtlichen Sendern Kritik hervorriefen, in einen Topf geworfen. (Wir berichteten) Beide Diskussionen wurden oft fälschlich gleichgesetzt, beispielsweise unter dem Motto: „Die Diktatur der Political Correctness droht zwei couragierten Journalisten an den Kragen zu gehen.“ Auch wenn sich bei näherem Hinsehen oft herausstellte, dass hinter dieser Pose der „Verteidigung der Denkfreiheit gegen eine drohende Meinungsdiktatur“ oft eher der unausgesprochene Wunsch nach einer Verteidigung der reaktionären Inhalte Eric Zemmours stand. Vgl. unseren vorigen Artikel dazu.

Dabei zeichnet sich inzwischen ab, dass der neue Programmdirektor der Rundfunkstation ,France Inter’ (unter der Oberhoheit von Radio France-Chef, Jean-Luc Hees), in der Person von Philippe Val – früherer Chefredakteur der ex-linkssubversiven, inzwischen linksliberalen Wochenzeitung ,Charlie Hebdo’ – Guillon ab Sommer 2010 strafversetzen dürfte. In einem Interview mit der liberalen Pariser Abendzeitung ,Le Monde’ vom 19. April äuerte Val sich dazu vorsichtig, auf dass man nicht den Vorwurf der politischen/inhaltlichen Zensur gegen ihn erheben könne. Dennoch macht er deutlich, dass erwogen wird, Stéphane Guillon von seiner derzeitigen Sendezeit – um 7.55 Uhr, die ihm eine gröere Hörerschaft sichert – auf einen anderen Sendeplatz umzusetzen: „Das Problem ist nicht Herr Guillon, aber sein Platz in der Programmtabelle...“ (Vgl. http://abonnes.lemonde.fr )

Unterdessen leistete sich die sehr aktive Webpage einer der Untergliederungen des rechtsextremen Front National – jene des FN Nouvelle-Calédonie, also der höchst aktiven Parteigliederung im „Überseegebiet“ Neukaledonien – den Luxus, sogar Stéphane Guillon als angebliches „Opfer der neuen Gedankenpolizei“ demagogisch in Schutz zu nehmen. Der linke Journalist taucht bei ihr gedanklich in einer Reihe mit anderen angeblichen Opfern der „Meinungsdiktatur“ auf. Nachdem das oben zitierte Interview von Philippe Val in der Abendzeitung ,Le Monde’ publiziert worden war, erschien die Webpage des FN Nouvelle-Calédonie am 21. April 10 mit einem Beitrag über drohende Zensur gegen Stéphane Guillon und seine Sendung. Diesen unerbetenen Applaus von der falschen Seite hat Guillon, der dezidiert scharf gegen Rassismus und gegen Antisemitismus eintritt, nun nicht verdient.

1 Anmerkung: Dieudonnés antisemitischer Kumpan Alain Soral spielt unterdessen ein etwas subtileres Doppelspiel. Einerseits klagt er in ähnlicher Weise wie Dieudonné den Journalisten Zemmour an; nachdem Anfang April in Bobigny ein Marokkaner durch junge Juden – gewalttätige Rowdys, die derselben Familie angehören und bereits polizeibekannt waren – ermordet wurde, sprach der „rot-braune“ Club Alain Sorals (E&R, „Gleichheit und Aussöhnung“) auf seiner Webpage von einem „Zemmour-Effekt“. Eric Zemmours Sprüche sollen demnach zur Ermordung von Saïd Bourarach ideologisch beigetragen haben. Dies war die offenkundige Replik auf die Rede vom „Dieudonné-Effekt“ – einen Ausdruck, den manche Gegner von Antisemitismus benutzt hatten, nachdem im Januar/Februar 2006 der junge jüdische Telefonverkäufer Ilan Halimi durch eine Bande von Vorstadtkriminellen entführt, misshandelt und ermordet worden war. Das Motiv der durch Youssouf Fofana angeführten Bande, die sich selbst als „Gang der Barbaren“ bezeichnet hatte, war offenkundig in erster Linie Geldgier gewesen. Dieses primäre Tatmotiv hinter der Geiselnahme hatte sich jedoch mit dem antisemitischen Stereotyp, wonach „Juden Geld haben“ und „alle zusammenhalten“, vermischt und verquickt – aus diesem Grunde vermutete man, bei dem jungen Mann oder seiner Familie vermeintlich Geld finden zu können. Die Mordaffäre (die inzwischen zur Verurteilung von 18 Personen führte) hatte zu Anfang 2006 zu heftigen Reaktionen seitens der jüdischen Bevölkerung und von Antirassisten, aber auch zu einer teilweise schrägen Politisierung durch die Medien und das bürgerliche Establishment geführt.

Auf der anderen Seite, während Alain Soral & Co. auf diese Weise die damaligen Vorwürfe gegen das antisemitische Gespann Soral/Dieudonné zurückzugeben versuchen, wirft der „Rot-Braune“ Soral gleichzeitig Eric Zemmour noch immer auch ein ideologisches „Plagiat“ vor. Alain Soral zufolge kopiert der Fernsehjournalist ihn, wenn er gegen die ,Political Correctness’ wettert, für die Anerkennung der Existenz menschlicher Rassen (einer hell- und einer dunkelhäutigen) streitet oder gegen den Feminismus – eines der Lieblingsthemen auch Alain Sorals – wettert.

Editorische Anmerkungen

Wir  erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.