Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Aktuelle Ereignisse zur Einwanderungs- und „Ausländer“politik in Frankreich
Harte Urteile wegen „Brandstiftung“ im Abschiebeknast; staatlicher „Gnadenakt“ für abgeschobene Marokkanerin, zu Zwecken der Symbolpolitik
 

04/10

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1.: Harte Urteile wegen „Brandstiftung“ im Abschiebezentrum

Am 22. Juni 2008 brannte das Abschiebezentrum (CRA) von Vincennes, vor den Toren von Paris, bis auf die Grundmauern nieder. Voraus ging eine Revolte der Insassen, nachdem ein 41jähriger herzkranker Tunesier mit Namen Salem Souli mutmaßlich aufgrund mangelnder ärztlicher Behandlung in der Abschiebeanstalt verstorben war (vgl. http://www.trend.infopartisan.net/trd7808/t187808.html ). Damals hatte ein Schweigemarsch der Insassen im Inneren des Abschiebezentrums sich schnell zur spontanen Revolte ausgeweitet.

Um ein Exempel zu statuieren, hat die französische Staatsmacht seit Ende Januar dieses Jahres insgesamt zehn frühere Insassen des CRA von Vincennes als „Brandstifter“ oder „Rädelsführer“ im Pariser Justizpalast vor Gericht stellen lassen. Konkret wurden vieren von ihnen vorgeworfen, Feuer gelegt zu haben. Vier anderen wird zur Last gelegt, Aufsichtsbeamte attackiert bzw. sich ihnen widersetzt und Sachbeschädigungen vorgenommen zu haben. Zwei weitere Personen schließlich sollen, als angebliche „Anführer“, für die Gesamtheit der Handlungen verantwortlich gewesen sein. Am 17. März nun fiel das Urteil.

Doch zunächst ein Rückblick auf das Verfahren: Die Prozessdauer war ursprünglich auf drei Tage angesetzt, die sich jedoch angesichts der Anzahl zu hörender Angeklagter und Zeugen, und der Fülle zu sichtendem Beweismaterials als unzureichend erwiesen. Die Vorsitzende Richterin Nathalie Dutartre ließ daraufhin weitere Verhandlungstermine über die folgenden drei Wochen hinweg ansetzen. Doch am 1. Februar 10 zog die Verteidigung aus und kehrte im weiteren Prozessverlauf nicht wieder auf die Gerichtsbänke zurück: Die prominente Strafverteidigerin Irène Terrel als führende Anwältin der Beklagten war zu der Auffassung gekommen, dass ihr vom Gericht keinerlei Chance auf echte Verteidigung gelassen werde.

Sämtliche Beweisanträge der Verteidigung waren zuvor abgeschmettert worden. So hatte die Polizei 35 Stunden Videofilmmaterial vorgelegt, das angeblich die „Schuld“ der Angeklagten belegen sollte. Doch dieses Bildmaterial war der Verteidigung, trotz ihres mehrfach gestellten Antrags, nicht zugestellt worden. Erst im Gerichtssaal wurden ausgewählte, durch die Polizei ausgesuchte, Szenen daraus aufgeführt. Das jeweilige Bildmaterial war durch die Bank weg von schlechter Qualität; und es bewies allenfalls, dass die Beschuldigten ihre Matratzen aus ihrer jeweiligen Zelle herausgetragen hatten – was durch die Angeklagten auch eingeräumt worden war -, man sieht aber an keiner Stelle einen von ihnen mit einem Feuerzeug, Streichholz, Brandbeschleuniger oder sonst einem Brand verursachenden Gegenstand hantieren. Das Gericht wertete die Aufnahmen jedoch als taugliches Belastungsmaterial. Erst während der laufenden Verhandlung wurden die Aufnahmen dann auch der Verteidigung überreicht; reichlich spät freilich (angesichts von 35 Stunden Länge der Videoaufnahmen), um sie in eine Verteidigungsstrategie einbauen zu können. Dass die Verteidigung auszog, während die Ausstrahlung der – durch die Polizei ausgewählten – Versatzstücke der Aufnahmen im Gerichtsaal begann, beeindruckte die Richter/innen im übrigen nicht: Sie drehten zu dem Zeitpunkt einfach ihren Sessel in Richtung Leinwand und kümmerten sich nicht weiter über die Proteste der Verteidigung.

Auch hatte das Gericht es abgelehnt, Untersuchungen vornehmen zu lassen, die belegen sollten, ob das CRA von Vincennes – das sich auf dem Gelände einer Polizeischule im südöstlich an Paris angrenzenden Stadtwald befindet – irgendwelchen Brandschutznormen genügte. Die Verteidigung hatte Einsicht in ein detailliertes Einsatzprotokoll der Feuerwehr nehmen wollen: Beweisantrag abgelehnt. „Die (Vorsitzende) Richterin weiß nicht, wer diese Leute waren, wie ihr Leben bestand, und warum sie in Abschiebegewahrsam waren“, stellte die Verteidigung fest. Auch zu vorausgegangenen Revolten im ersten Halbjahr 2008 und ihren Ursachen wollte das Gericht keine Anhörungen vornehmen; den Autopsiebericht für das Ableben des toten Insassen .Salem Souloh – die Autopsie war in Frankreich vorgenommen worden – wollte das Gericht ebenfalls nicht im Prozess berücksichtigt wissen. Und die durch die Verteidigung verlangte „Persönlichkeitsstudie“, die oftmals in Strafprozessen über den oder die Angeklagten erstellt wird, blieb ebenso aus: Sie hätte „sicherlich keine überprüften oder überprüfbaren Informationen enthalten können“, befanden die Richter/innen, im Einklang diesbezüglich mit der Staatsanwaltschaft. (FUSSNOTE1) Erst im Nachhinein – in seinem Urteilstext – hat das Gericht, nachdem es die Verurteilungen aussprach, nun auch eine Überprüfung der Brandschutzmaßnahmen im CRA von Vincennes angeordnet. Selbst der dem Prozess beiwohnende Staatsanwalt, Gilbert Flam, hatte in seinem Vortrag der Strafforderungen auf erhebliche Probleme in dieser Hinsicht aufmerksam gemacht: Die Gewährleistung der Sicherheit für das polizeiliche Wachpersonal wie für die Insassen sei „eine gesetzliche und moralische Pflicht“, hatte er erklärt. Und sich erstaunt darüber gezeigt, dass keine brandsicheren Matratzen und Decken benutzt würden. Ebenso darüber, dass die Feuerlöscher, die schon am 21. Juni 08 eingesetzt worden und also zum Teil leer waren, nicht ausgetauscht worden und deswegen am 22. Juni teilweise zum Löschen untauglich waren. Nun soll laut Anordnung des Gerichts, das Experten dazu ernannt hat, ein Expertenbericht dazu bis zum 13. Dezember 2010 vorgelegt werden…

Das Gericht folgte der Staatsanwaltschaft hingegen weitgehend bei ihren Strafforderungen, und ging nur für einen Angeklagten über diese hinaus. Die Urteile reichen von acht Monaten Haft ohne Bewährung (die Staatsanwaltschaft hatte in diesem Falle sechs Monate verlangt2) bis zu 36 Monaten, davon sechs Monate auf und 30 Monate ohne Bewährung. Die beiden Hauptangeklagten - als „Rädelsführer“ -, Mohamed Salah und Moïse Diakité, erhielten jeweils die höchste verhängte Strafe von 36 Monaten. Der aus Mali stammende und seit 1991 ununterbrochen in Frankreich lebende Moïse Diakité befand sich im CRA von Vincennes, obwohl er, rein rechtlich betrachtet, definitiven Abschiebeschutz genießen müsste, da ein Elternteil eines Kindes oder von Kindern mit französischer Staatsbürgerschaft einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel hat. Moïse Diakité hat sieben französische Kinder und ist mit einer Französin – baskischer Vater, Mutter Melanesierin aus der französischen Quasi-Kolonie Neukaledonien im Westpazifik – verheiratet. Bislang hatten die Ausländerbehörden ihm keinen Aufenthaltstitel ausgestellt: Da er und seine Familie im Jahr 2004 ihr Dach über dem Kopf verloren hatte und die Kindern zwei Jahre lang von Ämtern betreut worden waren (diese Periode ist längt vorüber), warf man ihm seine angebliche Nicht-Ausübung der elterlichen Vormundschaft vor; gleichwohl waren fünf Abschiebeversuche in den Jahren zwischen 2004 und 2008 an den zuständigen Haftrichtern gescheitert3. Die AnwältInnen der Verteidigung geben an, das einzige, was der Anklage gegen ihn real zugrunde liege, sei sein „nervöses Verhalten“ im Abschiebezentrum in den Tagen vor dem Brand.

Mehrere der Angeklagten hatten zuvor bereits bis zu einem Jahr in Untersuchungshaft verbracht. Für jene Verurteilten, die zukünftig in Strafhaft wandern werden, droht am Ausgang des Gefängnisses dann die Abschiebung als „Doppelstrafe“. Allerdings ordnete das Gericht für keinen der anwesenden Angeklagten – nur für die beiden derzeit flüchtigen Beschuldigten, die im Übrigen zu den Verurteilten mit dem geringsten Strafmaß gehören und möglicherweise das Recht auf einen eigenen, abgetrennten Prozess hätten – eine sofortige Überstellung ins Gefängnis an. (Das ist in Frankreich bei der Mehrheit der Strafurteile nicht der Fall, zumal die Haftanstalten notorisch überfüllt sind. Üblicherweise wird die Freiheitsstrafe zu einem späteren Zeitpunkt, oft nach Aushandlung mit den Anwälten, vollstreckt. Sofortige Inhaftierung wird bei als gefährlich oder besonders „gesellschaftsschädlich“ eingestuften Angeklagten verhängt.) Eventuell könnten einige der Verurteilten sich dem Abbüßen der Strafe entziehen.

Die AnwältInnen der Verurteilten prangern einen „politischen Prozess“ an, und werden in Berufung gehen. Nach Ausschöpfung des inner-französischen Rechtsweges werden sie die Sache dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der in Strasbourg ansässig ist, vorlegen. (Voraussetzung dafür ist, den nationalen Rechtsweg durch alle Instanzen hindurch beschritten zu haben.) Dort rechnen sie mit einer Verurteilung Frankreichs, da in diesem Verfahren das „Recht auf einen fairen Prozess“ nicht gewährleistet worden sei.

Das Urteil vom 17. März fiel pikanterweise im selben Monat, in dem nun – Ende März – die bislang größte Abschiebeanstalt in Frankreich in Betrieb genommen wird. In Mesnil-Amelot, im östlichen Pariser Umland und in geringfügiger Entfernung vom Flughafen Roiyss-Charles de Gaulle, wird das bislang dort bestehende Abschiebezentrum durch einen Neubau in knapp einem Kilometer Entfernung erweitert. Zu den vorhandenen 140 Plätzen werden neue Aufbaukapazitäten für 280 zusätzliche Plätze geschaffen, was eine Gesamtkapazität von 420 Plätzen ergibt. Bis dahin war das, vor knapp zwei Jahren niedergebrannte, Abschiebezentrum von Vincennes (zwei mal 140 Plätze) das größte gewesen; es wird derzeit mit einer Kapazität von drei mal 60 Plätzen wieder errichtet. Die Solidaritätsorganisation Cimade, die den Bau in Mesnil-Amelot– anders als die Presse – besichtigen konnte, spricht von einem supermodernen Abschiebezentrum mit Überwachungskameras an allen Ecken. Da die Zellen im oberen Bereich verglast und also nicht gegen Blicke abgedichtet sind, wird dadurch eine Totalüberwachung rund um die Uhr möglich. Anders als in den herkömmlichen Abschiebezentren werden Besuche von außen nicht ungehindert möglich sein. 40 Plätze sind für „Familien“ reserviert, und von vornherein ist die Abschiebeanstalt offenbar auch auf die Aufnahme von Kindern ausgelegt. (FUSSNOTE4) Selbst der rechte Scharfmacher-Abgeordnete Thierry Mariani, der nichts prinzipiell gegen Abschiebungen einzuwenden hat, vertritt in einem parlamentarischen Untersuchungsbericht die Auffassung, ein halbwegs „menschlicher Umgang“ mit den Insassen sei nur in überschaubaren Einheiten „mit maximal 60 bis 80 Plätzen“ möglich. Darüber hinaus, so dass französische oberste Finanzgericht (der Rechnungshof, la Cour des comptes) in einem eigenen Bericht, wird „eine Abschiebeanstalt jenseits von 80 Plätzen zu einer Art ‚Abschiebungsfabrik’“. Die Grenzpolizei, hält das Gericht fest, erkenne selbst an, in besonders großen Abschiebezentren würden die Insassen nur noch verwaltet, die Niederhaltung von potenziellen Unruhen gewinne Vorrang, und die Möglichkeiten zu psychologischer Betreuung nähmen ab. (Und was ist mit medizinischer Betreuung?)

2.: Staatsspitze inszenierte humanitären Gnadenakt: Spektakuläre Rückkehr für marokkanische Oberschülerin

Während das offizielle Frankreich seine Abschiebepolitik radikalisiert, ist es durchaus bereit, in menschlichen Individualfällen demonstrativ „Großzügigkeit“ zu demonstrieren. Dies zeichnet die Ausländerpolitik unter Nicolas Sarkozy, einer im Januar 2009 vorlegten Untersuchung des Politikwissenschaftlers Patrick Weil zufolge, sogar auf charakteristische Weise aus: den Abbau juristisch festgeschriebener Rechtsgarantieren für Einwanderer - bei gleichzeitigem Bedeutungsgewinn des staatlichen „Gnadenakts“ als letzte Rettungsinstanz. Besonders gut macht sich dies in Einzelfällen, bei denen es etwa um moslemische Frauen geht, denn die Symbolik ist politisch nutzbar ; wird doch an anderem Ort durch die herrschende Politik gern das Gegensatzpaar von finsteren Praktiken des Islam (die bisweilen, aber nicht immer, von anderen Strömungen im Islam unterschieden werden) einerseits, aufgeklärtem und zivilisiertem Abendland andererseits unterstrichen.

Einen Fall staatsoffizieller Liberalität, über dessen Ergebnis im konkreten Einzelfall (die Rückkehr einer Abgeschobenen) man sich sicherlich freuen darf, der jedoch politische Fragen aufwirft, feierten jüngst die französischen Medien. Mitte Februar dieses Jahres war eine 19jährige marokkanische Oberschülerin mit Namen Najlae Lhimer bei der Gendarmerie in Château-Renard (im Département Loiret, rund um Orléans) mit Blutergüssen vorstellig geworden. Denn ihr Bruder, bei dem sie in Frankreich wohnte, schlug sie. Beim letzten Anlass, weil er sie beim heimlichen Rauchen erwischt hatte, woraufhin ihr ärztlich acht Tage Arbeitsunfähigkeit (,ITT’) bescheinigt wurden. Die Reaktion der Gendarmen bestand darin, die 19jährige wegen „illegalen Aufenthalts“ in Frankreich zu inhaftieren.

Rechtlich betrachtet, hatten die Beamten nicht das Recht dazu: Wenn sich jemand als Opfer einer Straftat präsentiert, hat die Polizei diesbezüglich zu ermitteln und vom Aufenthaltsstatus der Person zu abstrahieren – beide Angelegenheiten sind voneinander zu trennen. Jedoch brachte daraufhin eine am o8. März durch die Solidaritätsorganisation Cimade (die am o2. März insgesamt 75 Polizeikommissariate „getestet“ hatte) publizierte Untersuchung die Erkenntnis hervor, dass die Opfer in der Praxis regelmäßig ihre Festnahme als „Illegale“ riskieren. Demnach droht auf 38 % der Polizeiwachen in einem solchen Falle die Festnahme, in 5 % wird die Aufnahme der Strafanzeige verweigert, und in 12 % der Fälle ist der Ausgang ungewiss. Dies bildet den Hintergrund für die skandalöse Festnahme Najlaes.

(Zum Gesamtkontext ansonsten noch einige Aspekte: Die Oberschülerin Najlae Lhimer war 2004 als 14jährige aus Marokko geflohen, um einer Zwangsverheiratung durch ihre Familie zu entgehen. Soweit jedenfalls ihre Darstellung. Das Wochenmagazin ,Jeune Afrique’ vom 22. März 10 gibt einem anderen Standpunkt Gehör, jenem ihres im ostmarokkanischen Oujda wohnenden Vaters: „Keine einzige meiner sieben Töchter habe ich verheiratet, alle haben ihre Männer selbst ausgesucht. Najlae verließ Marokko nicht aus diesem Grund, sondern weil sie in Frankreich leben wollte. Ich sandte ihr Geld dorthin, und kürzlich noch war ich es, der ihre eine Geburtsurkunde schickte, damit sie beim französischen Konsulat in Rabat ein Rückkehrvisum beantragen konnte.“ Der Wahrheitsgehalt dieser Äußerungen kann nicht überprüft werden, sie können ebenso gut zutreffen wie eine glatte Lüge darstellen. Sicherlich sind europäische Medien oder Politiker schnell dabei, eine Frau aus einem moslemisch geprägten Land als „Opfer“ zu betrachten. Selbstverständlich stimmt es gleichzeitig, dass die stärker ausgeprägten individuellen Rechte gerade für Frauen und Mädchen mit ein wesentlicher Grund dafür sind, warum das Leben in Frankreich auf sie attraktiv wirkt. In einer marokkanischen Metropole wie Casablanca freilich sind viele Frauen ebenfalls längst sehr selbstbewusst und leben relativ „emanzipiert“..)

Am 19./20. Februar 2010 wurde Najlae Lhimer in die marokkanische Hauptstadt Rabat ausgeflogen, mit genau einem Euro in der Tasche (plus fünfzig Euro, die eine Passagierin im Flugzeug ihr zugesteckt hatte). Doch ab diesem Zeitpunkt ließ das „Netzwerk Erziehung ohne Grenzen“ RESF, das Lehrer/innen und Eltern organisiert, um SchülerInnen aus „illegalisierten“ Familien zu verstecken, nicht locker. Es organisierte eine ständige Betreuung vor Ort mit 50 Personen, die sich in Rabat abwechselten. In einem Interview mit der Zeitung ,La République du Centre’ erklärte Najlae Lhimer daraufhin: „Ich fühle mich in relativer Sicherheit, aber ich weiß, dass meine Familie nicht weit ist.“ Woraufhin die – als besonders reaktionär bekannte – Staatssekretärin für Familienpolitik Nadine Morano sich nicht entblödete, unter Verdrehung ihrer Worte öffentlich zu behaupten, die 19jährige habe erklärt, sie sei in Marokko besser aufgehoben: da „in Sicherheit bei ihrer Familie“. (Vgl. ,Libération’ vom o9. März) Wie immer nun, betreffend die Familiensituation in ihrer Gesamtheit - siehe oben -, nun die Realität aussehen mag: Dies war jedenfalls absolut nicht, was die 19jährige erklärt hatte.

Doch am selben Tag, an dem Morano diese Behauptung auf RTL abgab, kam das Dementi von ihrem obersten Chef. Staatsoberhaupt Nicolas Sarkozy nutzte die Feier des Internationalen Frauentags am o8. März, um zu erklären, er habe angeordnet, dass Najlae Lhimer nach Frankreich zurückkehren könne, „falls sie dies wünscht“. Über ihren Wunsch ließ sie keinerlei Uneindeutigkeit bestehen: Am 10. März hatte sie bereits das Rückkehrvisum in der Tasche. Am Samstag, den 13. März traf sie auf dem Flughafen von Orly bei Paris ein, empfangen von zahlreichen Angehörigen ihrer Schulklasse in Olivet (in der Nähe von Orléans). Die Sonntageszeitungen machten groß von den Bildern ihres Eintreffens auf.

Blieb eine letzte, bittere Note: Obwohl das Netzwerk RESF die konkrete Arbeit für die Betreuung und den Schutz von Najlae Lhime verrichtet hatte, versuchte eine unrühmlich bekannte Streberinnenorganisation, die Aufmerksamkeit der Medien für sich zu vereinnahmen. Die pseudo-emanzipatorische Frauenorganisation NPNS (Ni Putes ni Soumises, „Weder Nutten noch unterwürfig“), die gerne „die Republik“ verherrlicht und gegen ihre Bedrohungen besonders aus moslemischer Ecke verteidigt – der Verein steht der amtierenden Staatssekretärin Sarkozys für die Vorstädte, Fadela Amara, als seiner früheren Vorsitzenden nahe und unterstütze u.a. die unsägliche Regierungskampagne zur „nationalen Identität“ aka Leitkultur -, versuchte die Rückkehr Najlaes als i h r e n Erfolg zu verkaufen. Lange wurde die Oberschülerin auf dem Flughafen von Orly bedrängt, sich doch bitte bitte das T-Shirt von NPNS überzustreifen, auf dass diese Vereinigung sich den Erfolg „im Namen der Frauenrechte“ an ihre Federn stecken könne. Nachdem die Schülerin dies verweigert hatten, zogen die Aktivistinnen von NPNS enttäuscht von dannen. Noch ein Grund zum Jubeln…

LETZTE MELDUNG : PRÄFEKT NIMMT HUT : Am Sonntag, den 28. März wurde publik, dass der Präfekt von Orléans (der auch als Regionalpräfekt für ganz Zentralfrankreich amtierte), Bernard Fragneau, infolge von Nicolas Sarkozys Entscheidung zugunsten der Rückkehr der Oberschülerin Najlae Lh. sein Amt quittiert. Er fühlt sich durch den Staatspräsidenten „desavouiert“ und hat seinen Rücktritt erklärt.

Fussnoten

 

Editorische Anmerkungen

Wir  erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.