Hungern für die Miete

von Peter Nowak

04/09

trend
onlinezeitung

Am 1.März 2009 sind in Berlin die neuen Ausführungsbestimmungen Wohnen (AV-Wohnen) in Kraft getreten, die den Umgang mit Hartz-IV-BezieherInnen regeln, deren Miete nach den Gesetzen zu hoch ist. Für die Mehrheit der über 600000 betroffenen Berliner Haushalte, die Hartz IV beziehen, bedeutet die Neuregelung mehr Druck und weitere Unsicherheit, so das Fazit einer Pressekonferenz, zu der die Arbeitsgruppe Notruftelefon am 15. April eingeladen hat. Die AG berät Erwerbslose, die vom Jobcenter zur Senkung der Mietkosten aufgefordert wurden.

Der Hauptkritikpunkt ist die Verkürzung der Frist für die Senkung der Mietkosten von einem Jahr auf 6 Monate. Nach Ansicht von Eva Willig vom Notruftelefon ist damit der Berliner Senat vor der massiven Kritik von Bundesrechnungshof und Bundespolitik eingeknickt. Stattdessen hätte er offensiv für eine bundesweite Anhebung der Frist auf 1 Jahr eintreten sollen.

Auch die Erwerbslosenberaterin Anne Allex sieht in der neuen AV-Wohnen „einen Offenbarungseid von politischer Hilflosigkeit des Berliner Senats“. Bei ihrer Analyse der neuen Verordnung hob sie besonders hervor, dass sich jetzt Hartz IV-BezieherInnen schon bei der Antragsstellung um das Senken ihrer Mietkosten kümmern müssen. Zudem hätten sich in der letzten Zeit vermehrt die Erhöhung der Heizkosten eine Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters zur Folge gehabt. Besonders belastend seien für die Betroffenen auch, dass sie sich Wohnungsumzüge vom Jobcenter genehmigen lassen müssen.

„Die Menschen sind verunsichert und verschulden sich, um in ihrer Wohnung zu bleiben, auch wenn das Amt nur noch die verminderten Mietkosten übernimmt“, konstatierte die Soziologin Karin Baumert nach der Auswertung einer Umfrage zum Komplex Wohnen und Hartz IV. Dafür wurden ca.2000 Fragebögen vor Anlaufstellen von Erwerbslosen verteilt.

Die Ergebnisse der knapp 50 ausgefüllten Bögen decken sich mit den Anrufen beim Notruftelefon, betont Baumert. Für die Begleichung der Miete leihen sich die Betroffenen Geld, untervermieten Teile ihrer Wohnung oder sparen beim Essen.

Die Friedrichshainer Erwerbslosenberaterin Brigitte Block-Kilian, wies darauf hin, dass vor allem der prekäre Mittelstand, darunter viele erwerbslose AkademikerInnen, die Beratungsangebote in Anspruch nehmen und auch zu Gegenwehr bereit sind. Um die Betroffenen zu erreichen, die oft mit dem Schlagwort des abgehängten Prekariats bezeichnet werden, bietet die Volkssolidarität in Friedrichshain seit einem Jahr Beratungsangebote vor Essentafeln, Suppenküchen und ähnlichen Treffpunkten an.

Zur kurzfristigen Linderung der Missstände stellte Karin Baumert einen Forderungskatalog der AG Notruftelefon vor. Dazu gehört die Einführung einer kostenlosen Hotline für Beratungen sowie die Bereitstellung eines Pools von Wohnungen, deren Mieten sich im Rahmen der in der AV-Wohnen festlegten Sätze bewegen, durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften,. Eugen Kock, der in Neukölln für den Berliner Mieterverein aktiv ist, konnte durch eigene Recherchen feststellen, dass Wohnungen mit den in der AV-Wohnen festgelegten Mieten für Paare und Familien in den meisten Fällen gar nicht vorhanden waren.

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir vom Autor.