Im September 2008
berichteten verschiedene Medien, dass Union und SPD mit einer
Kampagne zur DDR-Geschichte in die diesjährigen Wahlkämpfe
ziehen wollen und wenige Monate später beschloss der
CDU-Parteivorstand ein sage und schreibe 21-Seiten-Papier, um
die dritte „Rote-Socken"-Kampagne nach den
Bundestagswahlkämpfen 1994 und 1999 zu starten.
Das, was aus dem CDU-Wahlkampfpapier und vom jüngsten
CDU-Parteitag in Stuttgart bekannt wurde, besagt, dass mit
Hilfe der einschlägigen Medien vor jedem der diesjährigen
vielen Urnengänge das Lied vom DDR-„Unrechtsstaat" gesungen
wird. Vor allem ARD, ZDF,Bild, Bild am Sonntag und Der Spiegel
haben hier besondere Verpflichtungen als „Sturmgeschütze der
Demokratie", wie Rudolf Augstein sein Boulevardmagazin allen
Ernstes einmal nannte.
Getreu dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel" ist es für
die Wahlkämpfer der großen Koalition und ihre medialen
Hilfstruppen ohne Interesse, was die CDU-geführte
Bundesregierung auf eine Anfrage von Dr. Gesine Lötzsch (Die
Linke) vom 7. Oktober 2008 geantwortet hat: „Den Begriff
‚Unrechtsstaat' gibt es im Völkerrecht nicht." Im Gutachten
heißt es dazu: "Eine wissenschaftlich haltbare Definition des
Begriffs ‚Unrechtsstaat' gibt es weder in der
Rechtswissenschaft noch in den Sozial- und
Geisteswissenschaften." Und weiter: „... es (geht) zumeist
darum, die politische Ordnung eines Staates, der als
Unrechtsstaat gebrandmarkt wird, von einem rechtsstaatlich
strukturiertem System abzugrenzen und moralisch zu
diskreditieren". Eindeutige Worte.
Worauf, wenn nicht auf die DDR-Geschichte, sollten sich Union
und SPD wohl sonst konzentrieren, um von ihren eigenen
Versäumnissen und Misserfolgen abzulenken, zumal sie wissen,
dass mit der Geschichte der Alt-BRD weiß Gott kein Staat zu
machen ist. Dennoch fordert der Beschluss des 22.
CDU-Parteitages am 1./2. Dezember 2008 „Geteilt. Vereint.
Gemeinsam. Perspektiven für den Osten Deutschlands", der Opfer
der „Diktatur der SED" zu gedenken sowie die Geschichte der
deutschen Teilung und der DDR zum „zentralen Inhalt des
Schulunterrichts in ganz Deutschland" zu machen. Dem liegt
offenbar die irrige Annahme zugrunde, dass sich heute kaum
noch jemand an die Geschichte der deutschen Spaltung erinnert.
Wenn es der CDU um
wahrheitsgemäßen Schulunterricht und eine historisch seriöse
Beschäftigung mit der deutschen Nachkriegsgeschichte gehen
würde, dann müsste sie ihre Mitverantwortung für die
folgenschweren Schritte auf dem Weg zur Spaltung Deutschlands
eingestehen, die da waren: Separate Währungsreform im Juni
1948, Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung der
elf Länder der „Trizone" auf Weisung der westlichen
Militärgouverneure, dass von dem auf Betreiben der Westmächte
ab September 1948 tagenden parlamentarischen Rat „im Namen des
deutschen Volkes" beschlossene Grundgesetz, das ebenso wie
nach 1990 bei der Entscheidung über eine „von dem deutschen
Volk in freier Entscheidung" zu beschließende Verfassung
niemand befragte, die Verhinderung einer Volksabstimmung über
dieses Grundgesetz aus Angst vor der in der Bevölkerung weit
verbreiteten Ablehnung des Weststaates, die Verkündigung des
Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und schließlich die Wahl zum
ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949, womit - und
daran muß es gestattet sein, 60 Jahre danach zu erinnern - auf
Betreiben der Westmächte und mit aktiver Schützenhilfe von CDU
und SPD die Spaltung Deutschlands vollzogen wurde.
Um wie vieles einfacher ist es dagegen, die Spaltung
Deutschlands und ihre schlimmen Folgen für die Bürger in Ost
und West, wozu letztlich auch die Staatsgrenze zwischen der
DDR und der BRD mit ihren tragischen Folgen gehören, dem
„Unrechtsstaat" DDR und seinen Repräsentanten anzulasten.
Auch die folgenden Ereignisse und Entwicklungen in der
Geschichte der Alt-BRD dürften kaum geeignet sein, den
Schulkindern nahe gebracht zu werden und bei ihnen Stolz auf
60 Jahre BRD zu wecken:
Die ab Sommer 1947 mit Beginn
des kalten Krieges erfolgte bedenkenlose Restauration des
Verwaltungs-, Justiz-, Polizei-, und sonstigen
Behördenapparates unter nahezu restloser Einbeziehung des
„bewährten Fachpersonals" der verbrecherischen Nazidiktatur,
auch vieler aufs Schwerste Belasteter, die es zu Beispiel dem
„Judenreferenten" im Reichsinnenministerium Hans-Maria Globke
ermöglichte, höchste Beamter der BRD und engster Vertrauter
des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, dem Verbindungsmann
zwischen Ribbentrop- und Goebbelsministerium Kurt-Georg
Kiesinger sogar Bundeskanzler und dem unerbittlichen
Marinestabsrichter Hans Filbinger CDU-Ministerpräsident in
Stuttgart zu werden, wobei Filbingers Aufstieg zum Kandidaten
für die Wahl des Bundespräsidenten von 1979 nur durch die
Enthüllungen der DDR gestoppt werden konnte. Auch der frühere
Oberregierungsrat in Hitlers Reichsinnenministerium Hans
Ritter von Lex, um einen weiteren Repräsentanten der jungen
Bundesrepublik Deutschland zu nennen, wurde reaktiviert und
vertrat 1955 als bewährter Fachmann des in Nürnberg gehenkten
Nazi-Innenministers die Bundesregierung im KPD-Verbotsprozess.
Zu dieser unrühmlichen Geschichte der BRD gehören auch
siebzehn höchst abenteuerliche Jahre, in denen sich die von
ehemaligen Nazis dominierte Justiz, darunter viele bis heute
straflos gebliebene Blutrichter, in "Vorneverteidigung" gegen
„Staatsfeinde" - vor allem Kommunisten, aber auch des
Leninismus unverdächtige pazifistische Christen oder zur
nationalen Einheit willige Gewerkschafter - übte.
Mit 1951 verabschiedeten Paragraphen und damals gebildeten
siebzehn übers Land verteilten speziellen
„Staatsschutzkammern" wurde gegen rund 150 000 Bundesbürger
wegen „Staatsgefährdung", „Geheimbündelei", „Rädelsführerschaft"
und weiteren schwammigen Delikten ermittelt, wo statt der Tat
die Gesinnungzählte. Rund 60 000 Leute landeten in
Gefängnissen - „Zahlen, die einem ausgewachsenen Polizeistaat
alle Ehre machen", wie Staatsrechtsprofessor Werner Maihofer,
später Bundesinnenminister, schon 1965 konstatierte.
Aber nicht nur die Zahlen taten
das, auch die Methoden und die Urteile. Die fielen manchmal
allein dank „Zeugen vom Hörensagen" - Beamte der politischen
Polizeikommissariate gaben Aussagen ihrer V-Leute wieder, die
weder benannt noch auf ihre Glaubwürdigkeit hinterfragt werden
konnten.
Ebenso wenig würde es im Interesse von Union und SPD liegen,
im Jubiläumsjahr der BRD an die Ablehnung einer
Volksabstimmung über die von Adenauer vehement geforderte und
forcierte deutsche Wiederbewaffnung zu erinnern, weil einer
Emnid-Umfrage zufolge 75(!) Prozent der Bundesbürger eine
Wiederbewaffnung ablehnten. Und Stolz würde es bei den
Schulkindern und ihren Eltern sicher ebenfalls nicht
hervorrufen, wenn sie 60 Jahre nach Gründung der BRD mit der
skandalösen Tatsache konfrontiert würden, dass alle hohen
Posten in der neuen Bundeswehr mit Generälen und höheren
Offizieren der Hitler-Wehrmacht besetzt, die Hitler-Generäle
Speidel und Heusinger die ersten Befehlshaber der Bundeswehr,
der von den Alliierten zu 18 Jahren Gefängnis verurteilte
Kriegsverbrecher Generalfeldmarschall von Mannstein Berater im
Bonner Verteidigungsministerium, der ebenfalls wegen
Kriegsverbrechen mit 25 Jahren Gefängnis bestrafte
Hitler-General Foertsch Generalinspekteur der Bundeswehr, Dr.
Eberhard Tauber, engster Mitarbeiter von Goebbels, Leiter der
"Aktivpropaganda gegen die Juden" und ehrenamtlicher Richter
am berüchtigten Volksgerichtshof, Aufbauleiter des Amtes für
psychologische Kriegsführung der Bundeswehr wurden und dass zu
den Gründern der „Organisation Gehlen", dem späteren
Bundesnachrichtendienst (BND), nach amerikanischen
Einschätzungen etwa 400 stark belastete Nazis, vor allem aus
der SS, dem Sicherheitsdienst (SD) und der Geheimen
Staatspolizei (Gestapo), gehörten.
Alles nachprüfbare historische
Sachverhalte, die im Superjubiläumsjahr von Union und SPD
nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen, sondern es
verdienen, in Erinnerung gerufen zu werden, und die man in
Geschichtsbüchern und Jubiläumsschriften der Bundesrepublik
vergeblich sucht.
Nicht anders verhält es sich mit dem Traditionsverständnis und
dem Interventionsauftrag der Bundeswehr. Kurz vor dem 50.
Jahrestag der Gründung der NVA der DDR scheute sich das
Bundesverteidigungsministerium nicht, in einem offiziellen
Schreiben an die Standortältesten in den Wehrbereichen vom 13.
Dezember 2005 zu erklären: „Die NVA war die Armee des
Unrechtsregimes der DDR. Ihr Auftrag und ihre innere Ordnung
sind unvereinbar mit dem Selbstverständnis der Bundeswehr als
Streitkräfte in der Demokratie und ihrer Soldaten als
Staatsbürger in Uniform", obwohl unstrittig ist, dass sich
diese Bundeswehr gemäß besagtem „Auftrag" als Mitglied der
NATO zu einer Aggressionsarmee entwickelt hat, mittlerweile
nahezu weltweit „deutsche Interessen" (sprich: Ressourcen der
deutschen Industrie) verteidigt, maßgeblich am Überfall auf
Jugoslawien teilgenommen hat und sich am Hindukusch aktiv am
„unverhüllten Kolonialkrieg gegen das Selbstbestimmungsrecht
der Paschtunen" (zitiert aus einer Erklärung des
Oberstleutnant der Bundeswehr Jürgen Rose vom 25.Mai 2007)
beteiligt.
Dass der NVA vom Bundesverteidigungsministerium böswillig
unterstellte Auftrag in Wahrheit darin bestand, die Grenzen
der DDR zuverlässig zu schützen und gegen jeden Aggressor zu
verteidigen und sie die einzige deutsche Armee in der
Geschichte war, die keinen Krieg, schon gar nicht einen
Angriffskrieg, geführt hat, worauf ihre ehemaligen Angehörigen
heute noch stolz sein dürfen, wird unterschlagen, weil diese
unbestreitbaren Tatsachen das jahrzehntelang sorgsam gepflegte
Bild von der NVA als einer Aggressionsarmee ad absurdum führen
würde.
Diese historische Wahrheit den
Schulkindern im Super-Gedenkjahr zu vermitteln, dürfte weder
dem von ihnen erwarteten Stolz auf die Bundeswehr förderlich
sein, noch im Interesse der Wahlstrategen von Union und SPD
liegen.
Aber auch die Geschichte der BRD in den vergangenen fast zwei
Jahrzehnten nach Herstellung der staatlichen Einheit
Deutschlands dürfte den Wahlkämpfern aus Union und SPD kaum
geeignet erscheinen, in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes
gestellt zu werden. Schließlich müssten sie dann ihre
politische Verantwortung für den für die westdeutschen
„Eliten" ebenso erfolg- wie ertragreich verlaufenen Anschluss
der DDR an die BRD eingestehen, wozu neben Kohls Täuschung
ostdeutscher Wähler mit in Aussicht gestellten „blühenden
Landschaften", die stabsmäßig organisierte Plünderung des
ostdeutschen Volksvermögens mit Hilfe der „Treuhand" und
kontrolliert von Kohls Finanzstaatsekretär und heutigen
Bundespräsidenten Horst Köhler in Höhe von 1,4 Billionen(!)
DM, die Zerstörung von 70 Prozent der Arbeitsplätze in
Industrie und Landwirtschaft der DDR, eine Entvölkerung der
verheißenen „blühenden Landschaften" durch massenhafte
Arbeitsmigration, von neuen in alte Bundesländer, besonders
von Hochqualifizierten, was zu einer weiteren Vertiefung des
Ost-West-Disparitäten führt, eine forcierte
Deindustrialisierung Ostdeutschlands und eine gigantische
Enteignung der früheren DDR-Bürger durch den für sie
verhängnisvollen Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung"
gehören.
Vorgänge, die Egon Bahr (SPD) veranlassten zu erklären, er
kenne kein Volk auf Erden, das so enteignet worden ist, Günter
Grass im Mai 1992 feststellen ließen: „Es ist zu einer
entsetzlichen Kolonialisierung gekommen. Mit großer Arroganz.
Die Besitzenden werden die Westdeutschen sein. Und die führen
in der ehemaligen DDR einen Morgenthau-Plan durch, der Gebiete
verarmen lässt, die von der Geschichte her Industriegebiete
waren(...)", und den früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs,
Henning Voscherau (SPD), 1996 zu der Feststellung
veranlassten: "In Wahrheit waren fünf Jahre Aufbau Ost das
größte Bereicherungsprogramm für Westdeutschland, das es je
gegeben hat." (Kölner Stadt-Anzeiger, 22.5. bzw. Die Welt,
4.12.1996)
Den Auftakt zu dieser „Wiedervereinigung" nach Bonner Regie
gab stellvertretend für die BRD-Regierung Wolfgang Schäuble
mit den Worten: „Liebe Leute, es handelt sich um einen
Beitritt der DDR zur Bundesrepublik - nicht um die umgekehrte
Veranstaltung. Wir haben ein gutes Grundgesetz, das sich
bewährt hat. Wir tun alles für Euch. Ihr seid herzlich
willkommen. Wir wollen nicht kaltschnäuzig über eure
Interessen hinweggehen. Aber hier findet nicht die Vereinigung
zweier Staaten statt." In Siegermanier geäußerte Sätze, die
nicht vergessen sind und wenig geeignet sein dürften, im
Superwahljahr bei den ostdeutschen Wählerinnen und Wählern
Zustimmung zu Verlauf und Ergebnis der vergangenen fast zwei
Jahrzehnte hervorzurufen, zumal sie erleben mussten, wie
kaltschnäuzig in der Praxis über ihre Interessen
hinweggegangen wurde und weiter wird.
Dass im kunterbunten Gedenkmarathon des Superjubiläumsjahres
2009 wenig Raum für ein Kriegsjubiläum, den zehnten Jahrestag
der ersten Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an einem
Krieg, blieb, dürfte kein Zeichen von Vergesslichkeit, sondern
vielmehr Ausdruck von nachträglichem Unbehagen sein. Zu
offensichtlich war die erpresserische Sanktionspolitik der
NATO gegenüber Jugoslawien, zu augenscheinlich die Rechts- und
Völkerrechtswidrigkeit ihres Überfalls auf diesen souveränen
Staat und UN-Mitglied am 24. März und zu durchsichtig die
lügenhaften „Begründungen" für die deutsche Teilnahme an
diesem Überfall durch die damaligen Minister Scharping und
Fischer, den der Bundestag in einer Sonderdebatte als den
„Sturz der letzten kommunistischen Bastion in Europa" feierte.
Der Siegesjubel nach den 78tägigen Terrorangriffen, denen
viele Hundert Zivilisten zum Opfer fielen, war längst
verklungen, als sich in einigen Medien Zweifel breit machten.
Im NDR meinte ein Kommentator mit Blick auf den Bombenkrieg,
es werde „eine ganze Reihe von Fragen wohl immer umstritten
bleiben. Etwa die, ob die Luftangriffe ohne UN-Mandat
überhaupt zulässig waren. Im Deutschlandfunk wurde gar
mehrfach daran erinnert, dass der NATO-Angriff auf Serbien
ohne UN-Mandat erfolgte, und ebenfalls eingeschätzt, dass
„auch zehn Jahre nach dem Kosovo-Krieg die Argumente und
Gründe für das Eingreifen der NATO umstritten (bleiben)".
Würden also Union und SPD anstatt mit einer generalstabsmäßig
geplanten und organisierten aufwendigen Verleumdungskampagne
gegen die seit 1990 nicht mehr existierenden DDR in die
diesjährigen Wahlkämpfe zu ziehen, die Geschichte und
Gegenwart der BRD in den Mittelpunkt stellen, dann müssten sie
sich vor den Wählerinnen und Wählern rechtfertigen und
verantworten für die ständig wachsende Zahl von
Hartz-IV-Opfern, von den Betroffenen als „Armut per Gesetz"
empfunden, für die vom Staat geduldeten bzw. geförderten
Hungerlöhne, die vieltausendfache Umwandlung von tariflich
gebundenen Arbeitsplätzen in Leiharbeitsplätze und
Ein-Euro-Jobs, die Massenarbeitslosigkeit, die erzwungene
Abschiebung älterer Arbeitnehmer auf das Abstellgleis, die
Kinder- und Altersarmut, die Obdachlosigkeit, Armenspeisungen,
den Pflegenotstand, eine Gesundheitspolitik, die den
Superprofiten des Pharma-Kartells dient und für die der Slogan
zutrifft: „Weil du arm bist, musst du früher sterben", die
Verweigerung gewerkschaftlicher Rechte für viele Beschäftigte
und ihre Einschüchterung durch namentliche bekannte
Unternehmen, die nach wie vor nicht leistungsgerechte
Entlohnung der Frauen, die kategorische Ablehnung von
Forderungen nach verfassungsrechtlich garantierten sozialen
Grundrechten wie das Recht auf Arbeit, auf soziale Sicherheit
und auf Wohnung, die Verweigerung von Volksbefragungen,
Volksentscheiden und des Rechtes auf Generalstreik, eine
bisher in Deutschland noch nie da gewesene und sich immer mehr
vergrößernde Kluft zwischen Arm und Reich, Bildungschancen in
Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern, das Recht junger
Deutscher, sich weltweit für die Profitinteressen des Kapitals
töten oder zum Krüppel schießen zu lassen, eine
Bundestagsmehrheit, die in Grundfragen (Abschaffung der
D-Mark, aktive Teilnahme Deutschlands an völkerrechtswidrigen
Kriegen, Rente ab 67, Verweigerung einer Volksabstimmung zur
EU-Verfassung, die die Preisgabe staatlicher Souveränität
beinhaltet) gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit
entscheidet und dafür, dass Politiker beider Parteien die
sogenannten Rahmenbedingungen gesetzt haben, mit denen erst
die Schranken niedergerissen wurden, die Extraprofite und
Expansion ohne Maß und Halte sowie Betrugshandlungen und
persönliche Bereicherungen ermöglichen, was zur gegenwärtigen
Krise führte, deren Folgen in „bewährter" kapitalistischer
Manier in erster Linie die Lohnabhängigen, sozial Schwachen
und Kranken tragen sollen, wogegen die Schuldigen straffrei
ausgehen und sowohl während als auch nach der Krise in ihrer
unersättlichen Gier fortfahren werden.
Aus alledem ergibt sich, dass es für die Parteien der großen
Koalition bedeutend einfacher ist, mit dem Kampfbegriff
„Unrechtsstaat" DDR sowie mit Schlagworten wie „Diktatur des
Proletariats", „Unfreiheit und sozialistische Planwirtschaft",
„katastrophale Erblasten" usw. um sich zu werfen, Unkenntnis
historischer Entwicklungen zu fördern, feindselige Stimmung
gegen die DDR zu schüren und den Graben zwischen Ost und West
zu vertiefen, als sich mit für beide Parteien unangenehmen und
deshalb gern verdrängten historischen Wahrheiten,
gegenwärtigen Fehlentwicklungen und Erfordernissen auseinander
zu setzen und sich zu ihrer Verantwortung für die
katastrophalen Folgen neoliberaler Regierungspolitik und der
deutschen Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen zu
bekennen.
Im übrigen offenbaren die Wahlkampfstrategen von Union und SPD
eine erschreckende Realitätsferne, denn sie sollten wissen,
dass die Menschen sich mehr für ihr Hier und Heute, für ihren
immer härter werdenden Existenzkampf interessieren, als für
scharfmacherische Parolen und Forderungen von um ihre
Wahlchancen bangenden Parteien.
Hätten sich die führenden
Politiker der großen Koalition nicht schon längst von den
Sorgen und Nöte der Menschen entfernt und würden sie dem „Volk
aufs Maul" schauen, dann wüssten sie, dass die Zeit, als es
schon fast zum guten Ton gehörte, auf die nicht mehr
existierende DDR einzuschlagen und die Lebensleistungen ihrer
Bürgerinnen und Bürger zu negieren, vorbei ist.
Die öffentliche Diskussion über die im März vom
Ministerpräsidenten Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering
(SPD), zur DDR geäußerte Meinung, die noch immer anhält,
zeigt, dass er damit sehr vielen Ostdeutschen aus dem Herzen
gesprochen hat. Sie gehen mit ihm konform, wenn er sagt: „Es
ist ja nicht so, dass ein idealer Staat auf einen
verdammenswerten Unrechtsstaat stieß. Die alte Bundesrepublik
hatte auch Schwächen, die DDR auch Stärken."
Jüngste Umfragergebnisse beweisen, dass die Zahl derjenigen",
die sich trotz Springer-Presse und anderer Konzern-Medien eine
sachliche und differenzierte Sicht auf die DDR bewahrt haben,
von Jahr zu Jahr wächst, was nicht gleichbedeutend damit ist,
dass alle diese Menschen die DDR, wie sie war, wiederhaben
wollen.
Sie sind es aber leid, von Leuten, die das Leben in der DDR
zumeist nur aus der Boulevardpresse oder vom Hörensagen
kennen, seit 1990 Tag für Tag gesagt zu bekommen, dass sie
vier Jahrzehnte lang in einem „totalen Unrechtsstaat" in
sozialer Sicherheit, ohne Zukunftsangst gelebt, sich gebildet
und gearbeitet, ihre Kinder zu anständigen. fleißigen und
allseitig gebildeten Persönlichkeiten erzogen und sich selbst
in vielerlei Hinsicht gesellschaftlich organisiert und auch
ehrlichen Herzens engagiert zu haben.
Höchste Zeit also zu begreifen, dass die vom 22. CDU-Parteitag
beschlossene Strategie für das Superwahl- und Supergedenkjahr
2009 verfehlt ist, dass man mit der Verteufelung der DDR nicht
auf Dauer von jahrelangen eigenen Versäumnissen und
katastrophalen Fehlentwicklungen des neoliberalen
Wirtschaftssystems ablenken und diesseits der Elbe Wahlen
gewinnen kann.
Editorische
Anmerkungen
Den Text
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe, er schrieb uns
dazu:
"Liebe
Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
Die Strategie von Union und SPD für
das Superwahl- und Supergedenkjahr 2009 läuft eindeutig darauf
hinaus, die Geschichte der DDR in den Mittelpunkt der
öffentlichen Aufmerksamkeit und Diskussion zu stellen, und auf
diesem Wege eine politische Auseinandersetzung sowohl über die
Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre als auch über Bilanz
und Zukunft des inhumanen und desaströsen neoliberalen
Wirtschaftssystems zu vermeiden, um nach der Bundestagswahl
wieder in gewohnter Weise zur Tagesordnung übergehen zu
können.
In der seit einigen Wochen eskalierenden Debatte über die
Bewertung der DDR bleiben die einen in der Manier kalter
Krieger bei ihrem Pauschalurteil über den "totalen
Unrechtsstaat" DDR, der laut Klaus Kinkel vor dem 15.
Deutschen Richtertag "in weiten Bereichen genauso unmenschlich
und schrecklich" gewesen sei "wie das faschistische
Deutschland", während sich die anderen seit kurzem moderater
geben und für eine differenzierte Beurteilung der DDR
plädieren.
Beiden geht es um Wahlerstimmen und beiden scheint die
Interpretatuion der Vergangenheit von existenzieller Bedeutung
für Gegenwart und Zukunft zu sein.
Daraus ergibt sich die Aufgabe, die Pläne der
Geschichtsklitterer in Politik, Medien und Wissenschaft zu
durchkreuzen, die verleumderischen Angriffe auf die DDR
zurückzuweisen und die Geschichtsrevisionisten zu zwingen, die
historische Wahrheit anzuerkennen und sich endlich auch
kritisch mit der wenig rühmlichen Geschichte der Alt-BRD zu
beschäftigen.
Das wiederum setzt voraus, Schluss zu machen mit der
unerträglichen Doppelmoral und Heuchelei der Regierenden und
der Konzern-Medien sowie mit der schon fast zur Gewohnheit
gewordenen Schwarz/weiss-Malerei und der Praxis, die Alt-BRD
und die DDR mit zweierlei Maß zu messen.
Das setzt weiter voraus, dass wichtige politische,
ökonomische, militärische und geheimdiestliche Entwicklungen
und Sachverhalte, die, soweit sie die DDR betreffen, seit
zwanzig Jahren vollständig auf dem Tisch der Öffentlichkeit
liegen, in Bezug auf die Alt-BRD nicht weiterhin streng unter
Verschluss gehalten und kritische Nachfragen sowie
Untersuchungen dazu tabuisiert werden dürfen.
Der Anregung und Förderung der öffentlichen Diskussion über
einige dieser unverzichtbaren Erfordernisse möge der Inhalt
des beigefügten Anhangs dienen.
Seine Verbreitung ist ausdrücklich
erwünscht!
Mit freundlichen Grüßen
Hans Fricke
Rostock
Hans Fricke ist Autor des im August 2008 im
Berliner Verlag am Park erschienenen Buches „Politische
Justiz, Sozialabbau, Sicherheitswahn und Krieg", 383
Seiten, Preis 19,90 Euro, ISBN 978-3-89793-155-8.
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