Nach Dresden
Wieder in die Offensive kommen!

von AG/R (Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten)

04/09

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Der deutsche Neofaschismus ist auf dem Weg, eine Soziale Bewegung zu werden. Das ist der Eindruck, den Dresden machte.

Wir haben an dieser Stelle nicht den Wunsch, akademisch darüber zu streiten, ob der Terminus „Soziale Bewegung“ die richtige Bezeichnung im sozialwissenschaftlichen Sinne ist. Es geht uns um eine Bestandsaufnahme, wo der Faschismus heute steht – darüber stritten wir allerdings gern!

Wir stellen fest, der gewalttätige Neonationalsozialismus - Kameradschaften, „Autonome“ Nationalisten bis hin zur NPD –

Die „Autonomen“ Nationalisten sollten in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Es hat zur Zeit nicht den Anschein, als würde dieses Konzept nennenswert neue Neunazis generieren, sondern als fände eine Umschichtung innerhalb der Szene zu einem moderner anmutenden Label statt. Viele Jungnazis haben schlicht keinen Spaß mehr an der ihnen bei Aufmärschen – um der Legalität willen -  zugedachten Position des Verschiebematerials in der Verkleidung des braven Biedermanns, da mann sich eigentlich in der Rolle des entfesselten Volkszorns sieht.

- festigt seine Strukturen und wird damit handlungsfähiger,

- gewinnt an Mobilisierungskraft für seine großen Aktionen,

Dresden und 1. Mai. Beim „Heldengedenken“ in Halbe sowie beim Heß-Marsch in Wunsiedel bleibt abzuwarten, ob sie weiterhin verboten bleiben.

- kann effektiver als bislang Nachwuchs an sich binden,

Natürlich ist das Problem neofaschistischer Ideologie in Teilen der Jugend und nazistische subkulturelle Hegemonie in erheblichen Strecken des Ostens älter, aber die Mobilisierung für organisiert-faschistische Arbeit gelang nur teilweise und sporadisch.

- verliert zunehmend seine Angst vor autonomen AntifaschistInnen – soweit diese überhaupt vorhanden war,

- geht zu gewaltförmigerem Auftreten nach dem Vorbild der SA auch in der Öffentlichkeit über und verzichtet auf nach außen friedlich wirkende Konzepte, die ein Demonstrieren erst ermöglichen sollten.

Im faschistischen Lager haben sich die Gewichte verschoben. Dieser Situationswechsel betrifft auch antifaschistische Tätigkeit. Kam es früher (zumindest in Westdeutschland) vornehmlich darauf an, das Erringen bürgerlicher Reputation von DVU, REPs oder BFB, als Bedingung für nachhaltige, also sich wiederholende Wahlerfolge, zu hintertreiben, so hat sich mittlerweile der „Kampf um die Straße“ in den Vordergrund geschoben.

Stiefelnazis, faschistische Schlägerbanden, ja sogar Boneheads waren über weite Strecken ein eher kleineres Problem v.a. in den Vorstädten, aus denen jeder Szenemensch, der auf sich hielt, ohnehin bald wegzog.

Wir

Unsere Seite – die antifaschistische – ist gezeichnet von einem Nichtverstehen der neuen Situation, d.h. des veränderten Auftretens und der gewachsenen Stoßkraft der Nazis, die sich schon etwas länger abzeichnet.

Hilflosigkeit spricht aus dem atemlosen Nazis Hinterhertoben, ein enormer Kräfteverschleiß, weil fast jedes Wochenende eine – schlecht vorbereitete – Anti-Nazi-Demo stattfindet. Oder aus der de facto Reduktion des Antifaschismus auf „Nazis raus“; von der verständlichen, aber doch nur Ohnmacht ausstrahlenden Verbotsforderung der moderateren Kräfte ganz abgesehen.

Uns ist die gesellschaftliche Ausstrahlung abhanden gekommen, es fehlt der weitertreibende, der revolutionäre Impuls. Wir versprühen keine Begeisterung, entfachen nicht den Wunsch, bei uns mitzumachen. All das sind aber Voraussetzungen, um wieder in die Offensive zu kommen. Wer, wenn nicht wir, wäre in der Lage, Impulse zu geben, mit unserer umwälzenden Radikalität. Wir sind die, die mit Ausbeutung und Unterdrückung grundsätzlich und ein für alle mal Schluss machen wollen.

Was nötig ist:

AntifaschistInnen dürfen sich nicht auf Antifaschismus beschränken, sondern müssen antikapitalistische Politik voranbringen. Andere Bewegungen der Linken

- ob sozialpolitische, antimilitaristische, antiimperialistische, ökologische, antirassistische, feministische –

sollten auch antifaschistische Politik machen, sollten Mobilisierungen gegen Naziaufmärsche mittragen – wenn sie es nicht tun, werden sie eines Tages auch ihre jetzige Politik nicht mehr machen können, weil Nazis sie daran gewalttätig hindern werden. Antifaschismus ist eine Frage der Selbstbehauptung, des Selbstschutzes und nicht der Moral!

Wir werden mit dieser Strategie nicht Nazis für uns gewinnen – aus einem faschistisch orientierten Menschen wird nicht über Nacht ein freiheitsliebender -, aber wir werden sie zurückdrängen, ihnen Raum zu Entfaltung nehmen, sie verjagen und ihnen ihr Agieren zur Hölle machen.

* Wir müssen die Ursachen aller Miseren erklären – immer wieder und möglichst auf den Punkt gebracht, d.h. ohne uns in halbwissenschaftlichen Details zu verlieren.

* Der Kampf, den die radikale Linke gegen alle Miseren und gegen ihre Ursachen vorschlagen wird, muss so radikal sein wie die Wirklichkeit. Es gibt keine reformistischen Lösungen! Wir werden das Bestehende nicht hinnehmen und es etwas verbessern, sondern wir stellen die Frage: Wie wollen wir leben?

* Wir brauchen eine Balance zwischen Eigenständigkeit und Bündnispolitik – darüber sollten wir diskutieren. Dabei gehen wir davon aus, dass

A) wir eine Zusammenarbeit auch mit reformistischen Kräften brauchen. Wir sollten uns also an Bündnissen beteiligen, in ihnen agieren wir radikal und vorantreibend. Wir dürfen niemals der Nachtrab von DGB oder Linkspartei o.ä. sein, wie dürfen niemals so lau und verschnarcht, so handzahm und miesepetrig, wie sie werden

B) wir zahlreiche eigene Aktionen, Demonstrationen usw. brauchen, da sich nur dort die ganze Radikalität unserer Vorstellungen Geltung verschaffen kann. Eigenständigkeit ist aber kein Selbstzweck. Nur da, wo andere Strömungen nicht mitwollen, machen wir „unser Ding“. Es gibt keinen Grund, auf andere zu verzichten, wo wir gemeinsam gehen könnten. 

Das ist unsere Revolte!

Editorische Anmerkungen

Den  Artikel erhielten wir von den AutorInnen zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe. Wir haben weitestgehend den Satz des Originals beibehalten.

Die AutorInnen sind zu erreichen über: www.agr.de.vu   agr@nadir.org