In unserem
Flugblatt zur Tarifrunde 2008 schrieben wir: “Über den
Charakter dieses Tarifkampes darf man sich keinen
Illusionen hingeben: es geht im Kern nicht um die Frage,
ob “der Aufschwung bei den Menschen ankommen soll” oder
es sinnvoll wäre, die Massenkaufkraft zu erhöhen. Es
geht auch nicht nur um leere Kassen der “Öffentlichen
Hand”. Es geht nach vor um den Generalangriff auf die
gesamte Arbeiterklasse, auf das sich das deutsche
Kapital im internationalen Wettbewerb gegenüber der
Konkurrenz besser positionieren kann. (...) Für einen
wirklichen Erfolg ist Zweierlei nötig:
Als RevolutionärInnen
wissen wir, dass der rein ökonomische Kampf um höheren
Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen das System der
Lohnarbeit, auf dem der Kapitalismus beruht, nicht außer
Kraft setzt. Zudem bleibt den Lohnabhängigen verborgen,
dass sie einen Teil der Arbeitszeit nur für den
Kapitalisten arbeiten und das nicht in Form des Lohnes
ausbezahlt wird. Daraus resultiert der “natürliche
Reformismus” der Arbeiterklasse.
Die Politik der
Gewerkschaftsführung spiegelt diesen Bewusstseinsstand
wider udn befestigt ihn. Zugleich sind die
Gewerkschaftsbürokraten so vielfältig mit dem
bürgerlichen Staat verbunden, dass sie sich selbst als
Vermittler zwischen den Kapitalinteressen und den
Interessen der Arbeiterklasse verstehen und somit für
die Bourgeoisie die Funktion übernehmen, die
Arbeiterklasse an die kapitalistischen Verhältnisse zu
binden.
Um der Arbeiterklasse zu
helfen, ihre Unabhängigkeit vom bürgerlichen Staat und
den kapitalistischen Verhältnissen zu erreichen, ist es
notwendig, jeden ökonomischen Kampf mit politischen
Fragen zu verbinden und die Frage der Kontrolle des
Kampfes aufzuwerfen. Das ist die Aufgabe von
RevolutionärInnen in den Gewerkschaften.
Der Tarifkampf bot eine
gute Möglichkeit, mit Aktionsvorschlägen, Progaganda und
Agitation mehr ArbeiterInnen zu erreichen, als das in
„normalen Zeiten der Fall“ ist. Daher wollen wir auch
betrachten, was linke Organisationen dazu zu sagen
haben.
Die
SAV
Die SAV und ihr "Netzwerk
für eine kämpferische und demokratische ver.di" geht in
ihrem Info vom 14.03.08 sehr richtig auf die Frage der
großen ökonomischen Kampfstärke der KollegInnen im
Öffentlichen Dienst insbesondere in den Bereichen, in
denen die just-in-time Produktion durchbrochen werden
kann (wie im Flughafenbereich), auf die Frage des
gemeinsamen Kampfes aller in den Tarifkämpfen
befindlichen KollegInnen, auf die Durchsetzung eines
Vollstreiks im öffentlichen Dienst, auf die
verschiedenen Ebenen der Kontrolle des Kampfes ein und
auch auf die wichtige Frage: Wer soll die Zeche zahlen?.
Das können wir unterstützen.
Trotzdem bleibt die Frage
der Dimension der Angriffe offen. So geht es u.a. darum,
weitere Bereiche des Öffentlichen Dienstes zu
privatisieren und damit den Profitbedingungen des
Kapitals zu unterwerfen.
Wir denken, dass es
notwendig ist, dies aufzuzeigen, um den KollegInnen klar
zu machen, dass es eben nicht nur um Lohnforderungen
geht, sondern um die Verteidigung von gesellschaftlichen
Errungenschaften, die im Interesse der gesamten
Arbeiterklasse liegen, und die nun von den Kapitalisten
und ihren Statthaltern in Bund und Kommunen angegriffen
werden.
Nur wenn wir diese
politische Dimension aufzeigen, können wir erklären,
dass hinter dem Verrat der Funktionäre nicht Unfähigkeit
oder Feigheit steht - auch wenn dies zusätzlich der Fall
sein kann - sondern die politische Bindung an das
kapitalistische System. Die Basisopposition in den
Gewerkschaften - die auch die SAV z.B. mit ihrem
"Netzwerk" aufbauen will - muss deshalb nicht nur
kämpferisch sein, sondern auch für den Bruch mit dem
Kapitalismus kämpfen.
Der
RSB
Der
Revolutionär-sozialistische Bund (RSB) geht in seinem
Flugblatt Uns reicht's vom März 2008 auf die
Kampfbereitschaft der KollegInnen ein und unterstreicht,
dass die Forderungen berechtigt sind und schließt dem
noch weitergehende Forderungen an wie Weg mit der
Leistungsentgeltregelung, Abschaffung der
Meistbegünstigungsklausel, Verkürzung der Arbeitszeit
bei vollem Entgelt- und Personalausgleich und Gegen
Privatisierungen und Ausgliederungen.
Wir stimmen mit dem RSB
überein, dass vor allem die Forderung der
Arbeitszeitverkürzung und die Verteilung der Arbeit auf
alle wie auch die Forderung gegen Privatisierung eine
wichtige Forderung nicht nur in diesem Tarifkampf ist.
Aber dass der wichtigen Frage der Kontrolle über den
Kampf, also der Frage, wie die Gewerkschaftsbürokratie
erfolgreich geschlagen werden kann, nur die Forderung
Kein Abschluss ohne Mitgliederbefragung! in diesem
Flugblatt gewidmet wird, ist doch zu kurz gefasst. Da
entsteht der Eindruck, dass es ausreichen würde, wenn
die KollegInnen nur genug streiken und die
Öffentlichkeit auf ihrer Seite haben, dann könnten sie
zumindest einen Teil ihrer Forderungen durchsetzen.
Wir denken - auch wenn
man nicht in jedem Flugblatt alles schreiben kann -,
dass es gerade nach den Erfahrungen der letzten Streiks
notwendig ist aufzuzeigen, welche Gefahren ihnen drohen,
wenn die Bürokratie die Kontrolle über den Kampf behält
und was die Beschäftigten dagegen tun können.
Was ist z.B., wenn sich
die Bürokratie nicht an das Ergebnis der
Mitgliederbefragung hält? In letzter Instanz ist immer
entscheidend, dass die Basis a) auf diese Probleme
politisch vorbereitet sind und b) eigene Kampfstrukturen
aufbauen, die wenn nötig auch ohne und gegen die
Bürokratie handeln kann.
Die
DKP
Die DKP geht in ihrem
Artikel Bereit zum Streik in unsere zeit vom 14.03.08
ausschließlich auf den Kaufkraftverlust der KollegInnen
ein und dass daher die Lohnforderung berechtigt und
notwendig sei. Es werden verschiedene ver.di-Funktionäre
zitiert, die vom Vollstreik reden. Es wird darauf
verwiesen, dass dies auch notwendig sei, um den
Forderungen Nachdruck zu verleihen. Als Beispiel wird
ironischerweise der Kampf der GdL genannt, zu dessen
Unterstützung die DKP sich nicht durchringen konnte.
Es fällt aber kein Wort
darüber, wie diese leeren Versprechungen der
Gewerkschaftsbürokraten von Seiten der KollegInnen auch
gegen den Willen der Führung durchgesetzt werden können
- gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus den
letzten Tarifkämpfen. Die KollegInnen werden damit
politisch allein gelassen und so den Manövern der
Gewerkschaftsbürokratie überlassen.
Gleichzeitig wird auch im
Artikel auf die Steuerpolitik, auf die Zunahme der
privaten Vermögen eingegangen und dass der Staat nur die
Vermögenssteuer wieder einführen müsste, dann wäre
wieder genügend Geld da - eine typisch
linksreformistische Sichtweise, dass das Vermögen nur
umverteilt werden müsse, dann wären alle Probleme
gelöst. Kein Wort davon, dass der bürgerliche Staat im
Interesse der Kapitalisten agiert, auch und gerade in
der Steuerpolitik.
Die
MLPD
Auch die maoistische MLPD
geht in ihrem Info Tarifstreik aktuell 2 vom 10.3.08 auf
die ökonomische Stärke der Streiks ein (Flughäfen). Sie
verweist auf neue Schichten, die sich an den Streiks
beteiligen und dass ein konsequenter Streik für die
Durchsetzung notwendig sei. Aber darauf, wie dieser
konsequente Streik erreicht werden soll, wird überhaupt
nicht eingegangen.
Dafür werden die Streiks
der letzen Zeit als Beleg dafür angeführt, dass es einen
allgemeinen Linkstrend gibt und der Albtraum der
Regierenden darin bestünde, “dass - unterstützt von der
MLPD - “wachsende Massenkritik am Kapitalismus und
wachsende Kampfentschlossenheit in die Arbeiteroffensive
übergehen und dabei auch die Regierungspolitik ins
Visier“ genommen werden könnte.
Natürlich stimmen wir der
MLPD zu, dass es in der Vorhut der Arbeiterklasse -
gerade durch die Erfahrung der Führung der Kämpfe gegen
Massenentlassungen und der Tarifkämpfe durch den
Gewerkschaftsapparat und die Erfahrung mit der SPD in
der Regierung - eine zunehmende Bereitschaft gibt, sich
mit Systemfragen auseinanderzusetzen und mit
RevolutionärInnen diese Fragen zu diskutieren.
Aber es gibt zum einen
keine geradlinige Entwicklung des Bewusstseins der
Arbeiterklasse insgesamt. Nach wie vor haben darauf die
reformistischen Apparate großen Einfluss. Zum anderen
gehen wir auch nicht von einer Offensive der
Arbeiterklasse aus. Nach wie vor handelt es sich bei
allen Kämpfen um Defensivkämpfe, die dazu genutzt werden
müsste, eine Offensive vorzubereiten, in diese zu
kommen.
Dafür, dass die
Arbeiterklasse ihre ökonomischen Kämpfe mit politischen
Fragen, letztlich mit dem Kampf um die Macht verbinden
und die Gewerkschaftsapparate bekämpfen muss, die sie an
das System binden wollen, braucht sie das bewusste
Eingreifen einer revolutionären Organisation, die über
ein Programm, eine Analyse des Kapitalismus verfügt.
Dieser Frage widmen sich die MLPD-Daueroptimisten
allerdings nicht!
Perspektive
Obwohl die Spitzen der
Gewerkschaften bei den meisten aktiven und kämpferischen
Basismitgliedern in den letzten Jahren viel Vertrauen
verspielt haben, haben sie dennoch genügend Macht, um
Kämpfe zu kontrollieren und in eine Sackgasse zu führen.
Immer, wenn die Klasse
von ihnen verkauft wird, werden die Kapitalisten wieder
ein Stück stärker. Die Arbeiterklasse muss aus diesen
Niederlagen wenigstens lernen und eine
klassenkämpferische Basisbewegung aufbauen, um bessere
Kampfinstrumente für die Zukunft zu haben. An diesen
Aufgaben müssen sich linke Organisationen messen lassen.
Diese Fragen müssen diskutiert werden, wenn eine
Gewerkschaftslinke entstehen soll, die überhaupt den
Namen verdient.
Editorische
Anmerkungen
Den erhielten wir durch
die ARBEITERMACHT-INFOMAIL
- erstveröffentlicht in , Neue Internationale
128, April 2008
www.arbeitermacht.de
|