Zwei filmische Gipfelrückblicke
von Peter Nowak04/08
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onlinezeitungKnapp 10 Monate nach den Protesten gegen das G8-Treffen in Heiligendamm ist die Zeit für einen kritischen Rückblick, der über das Beschwören des Geistes von Rostock hinausgeht, gekommen. Deshalb sollen hier zwei Filme vorgestellt werden, die sich auf unterschiedliche Weise mit den Geschehen rund um Heiligendamm befassen.
Wie siegt die Bewegung?
Dazu kann der vierzigminütige Film „What Would It Mean To Win?“ von Oliver Ressler beitragen.
Die Filmszenen zeigen Momentaufnahmen der Aktionstage rund um Heiligendamm. Die Clownsarmee sorgt mit der Entdeckung einer Sicherheitslücke bei der Polizei für sichtliche Verwirrung. Von den Blockadeorten werden sowohl entspannten Szenen als auch Wasserwerfereinsätze der Polizei gezeigt.
Doch die besondere Qualität des Filmes machen die Gespräche mit sechs Aktivisten der globalisierungskritischen Bewegung aus. Der US-Soziologe John Holloway philosophiert über das Verhältnis von Herrschaft und Anti-Macht und erkennt in der Protestbewegung Ansätze einer neuen Gesellschaft. Auch die Aktivistin Emma Dowling legt den Focus auf die Bewegung. „Wir ermächtigen uns selbst durch die Proteste. Das ist es, auf was wir uns konzentrieren müssen“.
Der Flüchtlingsaktivist Adam Idrissou spricht über die Gewalt der Lager, der er in Deutschland unterworfen ist.
Tadzio Mueller, der sich als Aktivist und Theoretiker vorstellt, befürchtet, dass Teile der globalisierungskritischen Bewegung mit ihren Appellen an die Regierungen die Macht sogar stärken könnten. Als Beispiel nannte er die von NGO initiierte Kampagne „Make Poverty Historie“ vor dem G8-Gipfel in Schottland. Diesen Handlungsaufforderungen an die Regierung lehnen große Teile der No Globals ab. Im Vorfeld des für den für Juli 2008 geplanten Klimacamps geht diese Auseinandersetzung weiter. Resslers Film, kann gerade, weil er nicht auf den nostalgischen Rückblick auf die Protesttage von Heiligendamm stehen bleibt, wichtige Impulse für die Diskussion liefern.
Das war der Gipfel
Einen anderen Blickwinkel auf die Gipfelproteste richtet der Filmemacher Martin Keßler in dem Film „Das war der Gipfel, den dritten Beitrag seiner Neue- Wut Trilogie. In den beiden Vorgängerfilmen begleitete er die Protestierenden gegen die Agenda 2010 und von streikende Studierende bei ihren Aktionen. Einige der Protagonisten hat Keßler im letzten Sommer wieder bei den Gipfelprotesten getroffen. Seine Stärke ist die Langzeitbeobachtung. Ihm interessiert, was Menschen zum Protest motiviert und wie sie sich in den Auseinandersetzungen verhalten. Keßler begleitete die Protagonisten der unterschiedlichsten Protestszenen der globalisierungskritischen Bewegung bei den verschiedenen Aktionen und lässt sie immer wieder zu Wort kommen. Ob bei den Blockaden, beim Rostocker Gegengipfel oder in den Protestcamps – immer war mit seiner Kamera dabei.Bei aller erkennbaren Sympathie mit den Trägern der Proteste bewahrt er sich den kritischen Blick. Das wird in der letzten Szene des Films besonders deutlich. Als Zäune und Zelte abgebaut waren, sammelt ein Erwerbsloser aus der Region leere Flaschen zusammen, die verstreut im Gelände liegen. Er müsse sich einen Nebenverdienst zu seinem kärglichen ALGII verdienen, meint er. Vor einigen Jahren sei er entlassen worden, Hoffnung auf einen neuen Job macht er sich nicht. Aber auch zum Protestieren fehlt ihm die Kraft.
Beide Filme können in ihrer Unterschiedlichkeit eine Diskussion über die Proteste anregen, für die monatelang geworben wurde und die dann sehr schnell aus der Diskussion verschwunden waren.Das war der Gipfel, Martin Keßler, 90 Minuten, die DVD kostet 22,50 € (Schüler, Studenten und Erwerbslose: 12,50 €). Versandkosten: 3,60 € (1 bis 3 Stück). Überweisungen sollen unter Angabe Ihres Namens und des Verwendungszwecks "DAS WAR DER GIPFEL" auf folgendes Konto geschickt werden. : Kt.-Nr. 72 000 13675 IBAN: DE39501900007200013675 Frankfurter Volksbank BLZ 501 900 00 BIC: FFVBDEFF Kontoinhaber: Martin Keßler . Die Vorbestelladresse lautet: bestellung@neueWUT.de
Editorische Anmerkungen
Den Aufsatz erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.