Betrieb & Gewerkschaft
Boeing-Airbus
Marktbeherrschung und Konkurrenz

Von
Ingo Schmidt
04/07

trend
onlinezeitung
Ungeachtet konjunktureller Auf- und Abschwünge war die Luftfahrtindustrie bislang eine Wachstumsbranche. Beherrscht wird der Markt von Airbus und Boeing, da sich der russische Flugzeughersteller Tupolev nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht als Global Player etablieren konnte und entsprechende chinesische Pläne noch in den Kinderschuhen stecken.

Die hohen Produktions- und Absatzzahlen, die das seit fast drei Jahrzehnten anhaltende Wachstum der Luftfahrtindustrie mit sich gebracht hat, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche in äußerst "dünner Luft" operiert. Zwar hat die große Zahl neuer Fluglinien erheblich zum Umsatzwachstum der Flugzeugbauer beigetragen, damit aber auch zu großen Risiken geführt. Um in Märkte einzudringen, die über lange Zeit von einer überschaubaren Zahl von, oftmals staatlichen, Fluglinien beherrscht wurden, verfolgen die Newcomer einen extremen Niedrigpreiswettbewerb, der sich hart am Rande bzw. sogar unterhalb der Kostendeckung bewegt.

Diese Strategie ist mit enormen finanziellen Risiken verbunden. Darüber hinaus macht sie Menschen zu Flugreisenden, die, wenn sie kostendeckende Preise bezahlen müssten, entweder auf andere Verkehrsmittel umsteigen oder viele Reisen gar nicht erst antreten würden.

Ein schwieriger Markt...

Somit ist nicht nur die zukünftige Zahlungsfähigkeit der Billigflieger, sondern auch deren Auftragsvolumen unsicher. Gleiches gilt für die etablierten Fluggesellschaften, die nach Jahrzehnten monopolistischer Marktaufteilung zu einem für sie ungewohnten Preiswettbewerb gezwungen wurden und dabei mitunter riesige Schuldenberge aufgetürmt haben, die zu einer Reihe von Beinahepleiten (Alitalia), Zusammenbrüchen (Swiss Air), Übernahmen (TWA- durch American Airlines) und Bildung von kartellähnlichen Zusammenschlüssen (Star Alliance, Sky Team) geführt haben.

Hinzu kommt, dass die weitere Entwicklung der Luftfahrtindustrie, unabhängig von der verschärften Konkurrenz der Fluglinien, angesichts langfristig steigender und kurzfristig stark schwankender Ölpreise unsicher geworden ist. Die Unternehmensplanungen von Fluglinien und Flugzeugbauern beruhen auf einer weiteren Expansion der Branche. Diese ist keinesfalls gesichert, weil Preissteigerungen aufgrund höherer Energiekosten durchaus zu sinkenden Passagier- und Frachtzahlen führen können.

Den Unsicherheiten zukünftiger Absatzentwicklung stehen riesige und insbesondere auch langfristig wirkende Entwicklungskosten auf der Angebotsseite entgegen. So wird die Entscheidung, die Frachtversion des A380 auf absehbare Zeit nicht in Serie zu produzieren, Airbus noch auf lange Zeit finanziell belasten. Hätten die gesamten Entwicklungskosten auf Passagier- und Frachtversion sowie auf eine insgesamt größere Zahl von Maschinen umgelegt werden können, wäre eine Deckung der Entwicklungskosten möglich gewesen. Nunmehr ist sie höchst unwahrscheinlich, stattdessen wird ein Rückgriff auf andere konzerninterne Finanzmittel oder die Mobilisierung von Staatshilfe erforderlich sein.
Wirtschaftlich befinden sich Boeing und Airbus in einer Situation, in der sie um ein gegenwärtig hohes Auftragsvolumen konkurrieren, sich aber zugleich auf mögliche Auftragsrückgänge bzw. die Zahlungsunfähigkeit einzelner Kunden einstellen müssen. Dabei sind die Produktionsbedingungen nicht nur durch sehr hohe Entwicklungskosten, sondern auch durch sehr kapitalintensive Produktionsmethoden geprägt.

Der Gegensatz zwischen möglicherweise stark schwankender Nachfrage und hohem Fixkostenanteil kann durch die Auslagerung von Produktionsabschnitten, die Boeing bereits in großem Umfang vollzogen hat und die Airbus nunmehr vornehmen will, zwar nicht gelöst, die entsprechenden Risiken aber auf Zulieferfirmen und die dort beschäftigten Arbeiter abgewälzt werden.

...und seine politischen Grundlagen

Ein Blick auf die Geschichte der Luftfahrtindustrie scheint eindrucksvoll zu bestätigen, dass kapitalistische Konkurrenz sich insbesondere als Verdrängungswettbewerb vollzieht, an dessen Ende nur eine Handvoll marktbeherrschender Konzerne übrig bleiben. Aber dies ist nur die halbe Wahrheit. Mindestens ebenso wichtig wie die unsichtbare Hand des Marktes ist die ebenso unsichtbare, weil zumeist hinter verschlossenen Türen erfolgende Diplomatie von Staatsoberhäuptern und ihrer Entourage.

Airbus wurde auf Betreiben europäischer Politiker gegründet, die sich der Ende der 60er Jahre viel diskutierten "Amerikanischen Herausforderung" stellen wollten. Die Unternehmensorganisation der beiden Konkurrenten unterscheidet sich. Airbus ist zum Zweck der Entwicklung und des Baus ziviler Passagierflugzeuge gegründet worden und hat erst 1999 eine eigene, allerdings sehr kleine Militärsparte aufgebaut. Fast alle der knapp 50000 Airbus-Beschäftigten sind demnach im zivilen Flugzeugbau tätig. Boeing beschäftigt in diesem Bereich etwa 56000 Arbeiter, hat aber eine Gesamtbeschäftigtenzahl von über 150000.

Mit dem Bau von Militärhubschraubern, Raketen, Bombern und Kampfjets durch die Sparte Boeing Integrated Defense Systems ist der Konzern eine der tragenden Säulen des militärisch-industriellen Komplexes in den USA. Trotzdem wäre es falsch Airbus aufgrund seiner gegenüber Boeing recht unbedeutenden Militärsparte als rein ziviles Unternehmen anzusehen, da Airbus 2000 in den damals gegründeten EADS-Konzern eingegliedert wurde, dessen Hauptaktivitäten im Rüstungsbereich liegen. Mit der Eingliederung des zivilen Flugzeugbaus in einen Rüstungskonzern wird genau die gleiche Doppelnutzung von Technologien im militärischen und im zivilen Bereich angestrebt, die Boeing aufgrund seiner gleichzeitigen Entwicklung als ziviler Flugzeugbauer und als Rüstungsbetrieb schon lange möglich ist.

Die Eingliederung von Airbus in den EADS- Konzern sollte allerdings nicht als gezielter Beitrag zur Herausbildung eines euroimperialistischen Projektes angesehen werden, das die wirtschaftliche und industriepolitische Konkurrenz zwischen Boeing und Airbus auf die Ebene imperialer Rivalität hebt. Einer solchen Entwicklung stehen gegenwärtig die Legitimationsdefizite der EU im Innern sowie ihre Zerstrittenheit in außenpolitischen Fragen, insbesondere auch im Verhältnis zu den USA, entgegen.

Schwierigkeiten, eine einheitliche europäische Linie zu finden, haben allerdings nicht nur die Regierungen der EU-Staaten, sondern gegenwärtig auch die Gewerkschaften. In den abgestimmten Gewerkschaftsaktionen in Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Spanien wurde deutlich spürbar, dass sich viele Gewerkschaftsfunkionäre und -mitglieder eine Zusammenarbeit mit ihrer jeweiligen Regierung vorstellen können, um den auf sie entfallenden Teil der Anpassungslasten zu verringern.

Gleichzeitig sind Regierungsvertreter angesichts der angesprochenen Legitimationsdefizite, die sie sich bei der Verfolgung des neoliberalen EU- Projekts eingehandelt haben, darauf erpicht, sich als Wahrer nationaler Beschäftigungsinteressen zu präsentieren. Es ist den um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Airbus-Beschäftigten sehr zu wünschen, dass sie zu einer länderüberschreitenden Zusammenarbeit finden, die den Regierungen gegenwärtig nicht möglich ist.

Editorische Anmerkungen

Wie spiegelten den Artikel bei der Online-SoZ

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