Auf dem Treitschkepfad
In Berlin-Steglitz soll eine Straße umbenannt werden. Ein hochrangiger Erforscher der DDR-Geschichte hat zukunftsweisende Argumente dagegen

von Antonín Dick

04/07

trend
onlinezeitung

Heinrich von Treitschke (1834–1896), nationalkonservativer Staatshistoriograph und erbitterter Feind des Sozialismus, erfand den später auf den Plan tretenden Nazis ihren berüchtigten Schlachtruf »Die Juden sind unser Unglück«.

Biegt man in Berlin-Steglitz von der Schloßstraße in die Treitschkestraße ein, begegnet einem an einem Mast ein Aufkleber mit dem Schockwort »Rap­Holocaust«, etliche Schritte weiter dann einer mit »Kampf gegen rechts«. An der Kreuzung Treitschke-/ Lepsiusstraße hat ein Bewohner seinen Namensvorschlag weithin sichtbar an die Hauswand geklebt: »Bob-Marley-Straße«. Im Kulturausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses ist man parteiübergreifend für eine Umbenennung. Doch der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung und quasi Bundeshistoriograph für die gesamte DDR-Forschung, Martin Sabrow, hält unverdrossen am Treitschke-Straßennamen fest, nicht wegen, sondern trotz dieses Schlachtrufes (Tagesspiegel vom 23. März).

Bemerkenswert seine Argumenta­tion: »Seine Botschaft zielte nicht auf Ausschluß, sondern gerade umgekehrt auf Integration der preußischen Juden und insbesondere der ostjüdischen Immigranten. Ihnen sprach Treitschke eine ›nationale Sonderexistenz‹ ab und verlangte von ihnen in fremdenfeindlicher Schärfe Taufe und Assimilation, um das Gemeinwesen und sein staatliches Wertefundament vor dem Zerfall zu schützen.« Staatliches Wertefundament? Unterordnung des einzelnen? Integration als Schleifung von Integrationsunwilligen? Das ist die Stoßrichtung nationalkonservativen Denkens.

Gereinigt von »fremdenfeindlicher Schärfe« und »ressentimentgeladene(r) Wortwahl«, will der Bundeshistoriograph Treitschkes Erbe den deutschen Eliten zur Nutzung zurückgewinnen. Im jetzigen Herrschaftsdiskurs, so der Hintergrund seines Plädoyers für die Beibehaltung des Namens Treitschkestraße, geht es um eine umfassende Besinnung auf den »Herold der Reichseinigung«, weil es um einen neuen deutschen Nationalstaat und um eine deutsche Dominanz im europäischen Einigungsprozeß geht. Die erbarmungslose Zerlegung der DDR in ihre Einzelbestandteile, der politisch und organisatorisch der Bundeshistoriograph Sabrow vorsteht, ist nur eine Teilstrecke auf diesem neuen deutschen Treitschkepfad.

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Verfasser am 30.3.07 nach der Erstveröffentlichung in der Jungen Welt.