Prekäres Leben – prekäre Bewegungen – prekäre Linke.
Zum Prekarisierungsdiskurs in der deutschen Linken

von Dirk Hauer
04/06

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Bei Norbert Elias wird die schöne Geschichte von der Prinzessin erzählt, die im Beisein eines Kammerdieners mehr oder weniger leicht bekleidet im Zimmer herumläuft und auf die erstaunte Frage, warum sie sich nicht vor ihm schäme, antwortet, dass ihr Diener ja nun nicht ihresgleichen sei [Norbert Elias: »Der Prozess der Zivilisation«, Bd. 2. S. 402f.]. Anders, und in Anlehnung an Marx, der dabei sicher anderes im Kopf hatte als Prinzessinnen, gesagt: Das Problem, wer wie Äpfel, Birnen und Litschis zu Obst macht – ob und und wozu dies getan wird, stellt sich auch in Bezug auf Begriffe wie das »Prekariat«, mit dem für Vernetzung, Widerstand und Vereinigung der »Prekären aller Länder« geworben wird. Der Frage, was all die verschiedenen Formen zur Normalität gewordener prekärer Arbeitsverhältnisse und die ihnen Arbeitenden verbindet, ging ein Seminar an der Uni Hamburg am 26. Mai nach, in dem im Beisein von Antonio Negri über die Neuzusammensetzung der lebendigen Arbeit und den Alleskleber-Begriff der »Multitude« diskutiert wurde. Im Anschluss an unseren Bericht über den Workers Center-Tag in Frankfurt a.M. in express, Nr. 4/05 und die dort aufgeworfenen Fragen nach den Verständigungsmöglichkeiten über die Grenzen der jeweiligen Prekarisierungsformen dokumentieren wir den überarbeiteten Beitrag von Dirk Hauer zu diesem Seminar. Er vertrat dort eine Kritik an den »sozialvergessenen« Versuchen der Konstruktion einer neuen Klasse des Prekariats.

Das vergangene Jahr war in Deutschland durchaus eines der sozialen Unruhe. Zwei Kämpfe stechen dabei heraus: die Montagsdemos und die Streiks bei DaimlerChrysler und bei GM/Opel; aus der Hamburger Perspektive wären vielleicht noch die Kämpfe der Kita-Beschäftigten zu erwähnen.

Diese Kämpfe sind unter mehreren Gesichtspunkten bemerkenswert. Vor allem zwei Aspekte scheinen mir für unsere Diskussion besonders wichtig:

1. Sie sind u.a. deswegen so bedeutsam, weil sie in einem Prozess stattfinden, in dem neu definiert wird, was als Normalarbeit und als „normale“ proletarische Reproduktionsbedingungen zu gelten hat. Diese Kämpfe zeigen, dass diese Neudefinition immer noch ein tatsächlich umkämpftes Terrain ist.

2. Zum zweiten sind beide Kämpfe an der Mehrheit der (radikalen) Linken vorbei gegangen, auch an der Mehrheit derjenigen, die hierzulande den Prekarisierungsdiskurs bestimmen. Die innerlinken Debatten um Prekarisierung und – noch wichtiger – die meisten der momentanen linken Praxen im Feld des prekären Lebens und Arbeitens haben sich nicht auf diese realen Kämpfe bezogen.

Beide Aspekte werde ich im Folgenden etwas genauer diskutieren.

1. Zur Neudefinition von „normaler“ proletarischer Existenz

Ich erspare mir hier den Hinweis darauf, dass das so genannte fordistische Normalarbeitsverhältnis weder allgemeingültig noch tatsächlich „garantiert“ war, dass das, was wir heute Prekarisierung nennen, also keineswegs etwas so fundamental Neues ist. Das ist oft genug betont worden.

Wenn heute über Prekarisierung diskutiert wird, so macht das nur Sinn, wenn es um die Reflexion jener ökonomischen, sozialen und politischen Umbauprozesse der letzten 10, 20 Jahre geht, mit denen die „Normen“ proletarischer Arbeits- und Reproduktionsbedingungen umfassend neu festgelegt werden. Prekarisierungs- und Flexibilisierungsprozesse entfalten ihre soziale Bedeutung also weniger als Charakteristika bestimmter Beschäftigtengruppen, sondern vor allem als verallgemeinerte Normen für alle proletarischen Lebens- und Arbeitsrealitäten.

Prekarität ist vor allem die prinzipielle und fundamentale Verunsicherung aller Lebens- und Arbeitsbereiche. Für immer mehr Menschen wird die Zukunft und die Existenzsicherung unter Vorbehalt gestellt. Diese Verunsicherung ist die eigentliche Botschaft der Agenda 2010. Wie ein roter Faden durchzieht die Strategie der Verunsicherung den Umbau der sozialen Sicherungssysteme, die Repression gegenüber Erwerbslosen, die Mobilisierung von Arbeit in Niedriglohnbereichen und die Attacken auf die tarifierten Arbeitsverhältnisse.

Was sich auf der Ebene der öffentlichen Verlautbarungen häufig als eine permanente Abfolge neuer Drohszenarien, Rücknahmen und neuer Ankündigungen darstellt, ist einerseits sicherlich Ausdruck eines fehlenden hegemonialen Herrschaftsprojekts. Als Signal einer andauernden Instabilität ist eine solche öffentliche Darstellung aber auch Teil eines bewussten Verunsicherungsprogramms. Wenn es mit der Agenda 2010 darum geht, die Verwertungsbedingungen für das Kapital am „Standort Deutschland“ zu verbessern, so liegt der eigentliche Inhalt dieses Programms genau hier, in der materiellen und subjektiven Destabilisierung der sozialen Reproduktion.

Das heißt nicht, dass auf Regulierungsformen und –instanzen wie Tarife, Sozialstaatlichkeit und Gewerkschaften verzichtet werden würde. Aber die Regulierung der Agenda 2010 verzichtet definitiv auf soziale Existenzgarantien. Es geht darum, soziale Sicherheitsbedürfnisse nachhaltig als „Vollkaskomentalität“ zu diskreditieren und durch permanente und lebenslange Flexibilisierungsanforderungen zu ersetzen.

Wenn irgendetwas das umfassende politische Herrschaftsprojekt der Prekarität augenfällig symbolisiert hat, dann war es die Gleichzeitigkeit des sozialen Angriffs im letzten Jahr: Hartz IV mit staatlicher Zwangsflexibilisierung und Zwangsprekarisierung auf der einen Seite und die nahezu geschlossenen Attacken des Kapitals auf die (groß-)industriellen Beschäftigungsverhältnisse auf der anderen. Die Tarifverträge und Standortsicherungsvereinbarungen bei Siemens, DaimlerChrysler, Opel, Karstadt/Quelle, VW usw. folgen alle einem Muster: länger und härter arbeiten, weniger Geld und – vor allem - hochoffizielle Aufkündigung einer Beschäftigungs“garantie“. Der so genannte „Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen“ bis zum Jahre X sagt ja vor allem eines, nämlich dass alle Arbeitsplätze in den nächsten Jahren neu zur Disposition stehen. Wenn man so will, handelt es sich um eine grundsätzliche Befristung von Arbeitsverhältnissen. Faktisch und genauer wird es dabei nicht darum gehen, tatsächlich alle paar Jahre ganze Belegschaften oder Belegschaftsteile auszuwechseln. Es geht vielmehr darum, dass mit der zyklischen Drohkulisse betriebsbedingter Kündigungen jedes Mal neu über Arbeits- und Entlohnungsbedingungen verhandelt werden kann. Diese Bedingungen werden befristet und jedes Mal neu in Frage gestellt. In einem solchen Szenario ist es überhaupt nicht ausgeschlossen, dass einem Projekt und einem Auftrag durchaus das/der nächste folgt, dass also sowohl abhängig Beschäftigte als auch selbstständige AuftragnehmerInnen durchaus lange in bzw. für ein Unternehmen arbeiten – allerdings zu jeweils immer neuen, schlechteren Bedingungen.

Die Montagsdemonstrationen wie auch die Streiks und Straßenblockaden der AutomobilarbeiterInnen sind vor diesem Hintergrund alles andere als marginalisierte Abwehrkämpfe gewesen. Es sind Kämpfe gewesen gegen die Zumutungen von Prekarisierung, Flexibilisierung und Kämpfe für soziale Sicherheit trotz fehlender Verwertbarkeit. Es waren Kämpfe, die dem Verwertungszugriff Grenzen setzten wollten. Wenn man so will scheint in ihnen der Anspruch auf, schön und gut zu leben, auch wenn man nach heutigen Verwertungsgesichtspunkten unflexibel, unproduktiv und unkreativ ist. Es waren Kämpfe dagegen, Prekariat sein zu sollen und es waren auch Kämpfe gegen so etwas wie Flexicurity – (selbstgewählte) Flexibilität plus Sicherheit. Flexibilität ist weder für die MontagsdemonstrantInnen noch für die Streikenden in Bochum oder Mettingen ein Wert gewesen, eher schon Ziel ihres Hasses.

Das Jahr 2004 hat schlagend demonstriert, dass die prekäre (Tarif-)Wirklichkeit kleinerer und mittlerer Betriebe flächendeckend und Branchen übergreifend die Norm auch in den industriellen Kernbereichen geworden ist. Prekarität ist inzwischen längst in der Mitte des Arbeitsmarktes angekommen, und zwar nicht nur im Sinne einer Ausweitung „atypischer Beschäftigungsverhältnisse“. Ein Blick auf die real existierende Arbeit belegt das: die Patchworkrealität unterschiedlichster Tarife, Sondertarife und Tariföffnungsklauseln für unterschiedliche Beschäftigtengruppen innerhalb eines Betriebs; kontinuierliche und durchaus tariflich regulierte Lohnsenkung bis weit in offizielle Niedriglohnbereiche hinein, massenhafte reguläre Vollzeitbeschäftigung zu Niedriglöhnen quer durch alle Branchen und Berufsgruppen, um nur ein paar Stichworte zu geben. Der alte Blickwinkel von den fein säuberlich trennbaren Kern- und Randbelegschaften wird genauso obsolet wie die Vorstellung, es gebe einen klar abgrenzbaren Niedriglohnsektor.

Prekarität ist ein anderer Begriff dafür, dass in ungeheurem Umfang Arbeit neu mobilisiert wird. Prekarität beschreibt damit aber auch, dass die proletarische Existenz in allen ihren Segmenten eingekreist und angegriffen wird.

Das hat auch erhebliche Konsequenzen für das, was man „Prekarisierung von unten“ nennen kann: die Flucht vor den Zwängen und der Repression des Betriebs- oder Büroalltags oder vor den Verfolgungen durch Arbeits- und Sozialämtern in eine selbst gewählte Prekarität von Selbstständigkeit, Jobberei, Schwarzarbeit und Ausnutzen sozialstaatlicher Nischen. In noch geringerem Maße als in den 70er und 80er Jahren existieren diese kleinen Fluchten und Nischen – von der Alternativ-Klitsche und das akademische Forschungs-/Publikationsprojekt über die Ich-AG bis zum jobbenden Taxi-Fahrer - jenseits der (Selbst-)Verwertungslogik. Sie können sich deren Zwängen nicht entziehen. Und sie können vor allem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die selbst gewählte prekäre Existenz nur für wenige eine lebbare Perspektive bedeutet.

Die – selbst prekäre - Subversion einer Prekarisierung von unten ist sowohl diskursiv wie auch ganz materiell zunehmend von dieser (Selbst-)Verwertungslogik umgedreht worden. Das zeigt sich nicht zuletzt auch an der Zweischneidigkeit einer Parole wie der der „Flexicurity“. Immerhin sind die Angriffe auf die sozialen Sicherungssysteme genau die neoliberal-autoritäre Variante einer solchen Flexicurity: Pflicht zur Flexibilität und zur eigenverantwortlichen Selbstverwertung und 345 Euro als Gegenleistung. Das SGB II heißt nicht umsonst „Grundsicherungsgesetz (für erwerbsfähige Hilfebedürftige).“

2. Zur Prekarität der linken Debatte

Der Umstand, dass die Kämpfe des Jahres 2004 von einem linken Prekarisierungsdiskurs so vollständig ignoriert wurden, ist auch vor dem Hintergrund erstaunlich, dass es genau solche Kämpfe waren, die in den letzten zehn Jahren in Europa durchaus für Furore gesorgt hatten und Andockstellen für viele andere Bewegungen waren: von der französischen Streikbewegung 1995/96 über den Kampf der Liverpooler Hafenarbeiter bis hin zum Kampf gegen die Streichung der Lohnfohrtzahlung in Deutschland 1998, den FIAT-Kampf bei Melfi oder jetzt die Auseinandersetzungen in der Automobilindustrie.

Das Ausblenden solcher Auseinandersetzungen verweist m.E. auf mindest zwei, mit einander verkoppelte Schwächen:

  • Obwohl Prekarisierung als weite und verallgemeinerte Klammer sozialer Verhältnisse proklamiert wird, ist die linke Debatte in Deutschland zu dem Thema hochgradig identitär geprägt.
     
  • zum weiten gibt es Deutschland kaum eine Tradition einer autonom-undogmatisch-linksradikalen Klassenlinken, d.h. einer linken Praxis, die die eigene soziale Reproduktion und Eingebundenheit in das Kapitalverhältnis zum Ausgangspunkt der eigenen Praxis machen würde.

a) Identität und Hierarchie

Entgegen aller theoretischen Proklamation wird Prekarisierung faktisch, in der praktischen Politik, in aller Regel in Abgrenzung definiert. In Abgrenzung nämlich vom klassischen Normalarbeitsverhältnis: Kerne – Ränder, garantiert – entgarantiert, typisch - atypisch; diese dichotomischen Gegenüberstellungen waren schon Anfang der 90er Jahre, in der „ersten Prekarisierunngsdebatte – damals vor allem innerhalb der Gewerkschaftslinken – falsch und politisch irreführend. Sie sind es heute erst recht. Der linke Prekarisierungsdiskurs bezieht sich faktisch auf bestimmte Bereiche der proletarischen Wirklichkeit, vor allem auf (illegalisierte) MigrantInnen und den ganzen Kosmos des prekären, in aller Regel akademischen Projekte- und Selbstständigenproletariats. Manchmal, aber schon deutlich seltener auf NiedriglöhnerInnen und das Heer der neuen PflichtarbeiterInnen. So gut wie gar nicht auf die prekarsierten Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der reguliert Lohnabhängigkeit, auf die ganz normale Realität von Sozialhilfe- bzw. Alg II-EmpfängerInnen usw. usw. Prekarisierung wird so unter der Hand wieder zu einer Definition von Teilarbeitsmärkten und Teilen der Klasse. Der Begriff des „Prekariats“ ist der deutlichste Ausdruck eines solchen neuen identitären Selbstverständnisses, häufig genug mit dem Subtext einer neuen sozialen und politischen Avantgarde.

Der identitäre Charakter der meisten politischen Praxen im Feld der Prekarisierung spricht indirekt und sehr verquer einen durchaus bedeutsamen Aspekt an. Der vereinheitlichenden Verunsicherung und Entgarantierung von Lebens- und Arbeitsbedingungen stehen nämlich jede Menge reale Zerklüftungen, Spaltungen und soziale Hierarchien in den Lebenswirklichkeiten gegenüber. Das gilt zum einen auf der objektiven Ebene, was die – um mit Bordieu zu sprechen – Zugänge zu kulturellem, sozialen und auch ökonomischem Kapital angeht. Die objektiven Rahmenbedingungen und die Chancen, mit diesen Realitäten umzugehen, sind für einen freien Grafikdesigner, eine akademische Projektorganisatorin, eine Lidl-Verkäufern, einen 53 jährigen Handwerker oder Industriefacharbeiter, eine illegalisierten Reinigungsfrau oder einen erwerbslosen proletarischen Jugendlichen in der Pflichtarbeit einfach nicht dieselben. Die Vereinheitlichung von Labtop und Putzmob ist also in höchstem Maße voluntaristisch.

Sie ist das erst recht, wenn man die subjektive Ebene berücksichtigt. Die Erfahrungen verunsicherter und entgarantierter Existenz werden eben durchaus sehr unterschiedlich erlebt und sehr unterschiedlich ver- und bearbeitet. Daraus leiten sich u.U. auch sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen ab. Ein „Flexicurity“-Interesse einer/eins jungen, gut ausgebildeten Intellektuellen, ohne Familie aber mit hohem sozialem und kulturellem Kapital kann von relativ „altmodischen“ Re-Regulierungsinteressen (fester Dauerjob, Tarifbindung, Betriebsrat etc.) einer Verkäuferin im Einzelhandel oder eines Pflichtarbeiters abweichen. Ein Leben am seidenen Faden führt noch lange nicht zu gemeinsamen Forderungen oder Kämpfen. Daraus folgt u.a. auch, dass in der momenaten Debatte um eine „Bewegung der Prekatrisierten“ viel stärker als bisher der eigene soziale Standort der ProtagonistInnen klar gemacht werden muss

Diese Vereinheitlichung, oder mit dem alten operaistischen Vokabular, eine neue politische Klassenzusammensetzung, ist immer das Ergebnis realer Kämpfe und der Verarbeitung realer Siege und Niederlagen. Jede Art von Klassenbildung und Neuzusammensetzung ist vor allem ein Prozess, ein Prozess der kollektiven Subjektivierung, ein „Making of the working class“, wie es E.P. Thompson ausgedrückt hatte.

b) Subkultur und Klassenlinke

Aus diesem Prozess des „Making“ hat sich die autonome, radikale Linke in Deutschland weitestgehend herausgehalten. Objektiv und in aller Regel auch nach ihrem eigenen Selbstverständnis ist die autonome, radikale Linke eine eher sub-, bestenfalls gegenkulturelle Erscheinung gewesen. Das Problem sind dabei nicht die Räume der Sub- und Gegenkultur, die Ideen des anderen Lebens – ganz im Gegenteil. Ich möchte auf keinen Fall einem populistischen Massenopportunismus das Wort reden. Das Problem ist vielmehr, dass es in der bundesdeutschen radikalen Linken spätestens seit den 90er Jahren keine Konfrontation mit den anderen Entwürfen sozialer Realität mehr gibt. Bewusste und organisierte Versuche, die eigene soziale Reproduktion politisch zu begreifen, kollektiv zu bearbeiten und mit anderen alltäglichen Deutungs-, Bearbeitungs-, Rebellions- wie Unterwerfungsmechanismen zu konfrontieren, hat es m.W. seit dem Anfang der 90er Jahre nicht mehr gegeben. Stattdessen dominierte eine zunehmend rigidere Trennung von einerseits entpolitisierter sozialer Reproduktion, individualistischem Durchwurschteln durch die Tücken von lohnabhängiger Arbeit, Auftragsakquise, Ämterstress etc. und politischem Engagement zu den diversen „Themen“ der Linken andererseits.

Der neue Prekarisierungsdiskurs der letzten ein, zwei Jahre reproduziert viele Momente einer sozial entpolitisierten Linken, einer Linken, die inzwischen oft genug regelrecht sprachlos ist, wenn sie sich mit anderen sozialen und kulturellen Milieus konfrontieren muss oder will. Die augenblickliche Diskussion hat jedoch zumindest den einen wichtigen hoffnungsvollen Aspekt, nämlich dass die Fragen von Arbeit, Nicht-Arbeit, sozialer Reproduktion, Klasse und Klassenkampf in der radikalen Linken überhaupt wieder diskutiert werden. Darüber hinaus entfaltet die Debatte um Prekarisierung ihre Chancen aber vor allem dann, wenn sie sie zur Konfrontation mit und zur Reflexion über das eigene Verhalten in diesem Terrain führen würde und damit zur Re-Politisierung des eigenen prekären Alltags.

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erschien im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/05 spiegelten wir von
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/prekaer/hauer4.html

für unser
TREND-Nachtgespräch PREKÄRE ZEITEN am 24.4.2006