Der von der Hitlerclique vom Zaun
gebrochene Krieg neigt sich seinem unvermeidlichen Ende zu. Das
deutsche Volk erntet, was es teils gesät, teils durch
stillschweigende Duldung mitverschuldet hat. Unschuldige leiden
mit Schuldigen! Dennoch: Wir wollen leben und wir werden leben!
Wir wollen und werden wieder aufbauen!
Zu diesem Zweck hat sich aus
Einwohnern aller nichtfaschistischen Kreise ein Volkskomitee
gebildet, das in Zusammenarbeit mit der Kommandantur Ordnung
schaffen will und alle gutwilligen Kreise zur Mitarbeit aufruft.
Die vordringlichsten Aufgaben sind:
1. Sicherstellung der Ernährung,
2. Sicherstellung des Sanitätswesens,
3. Unterbringung der Flüchtlinge,
4. Beseitigung der Verkehrshindernisse.
Zur Durchführung dieser
Maßnahmen sind folgende Anordnungen getroffen worden:
1. Zwecks Sicherung der Ernährung
sind alle Lebensmittelvorräte, Bedarfsmittel des täglichen
Gebrauchs, Baustoffe usw. beschlagnahmt und dürfen nur noch nach
den von den Behörden erlassenen Vorschriften verausgabt werden.
Nähere Anordnungen folgen. Plündern, Hamstern oder Verschieben
wird strengstens bestraft.
2. Zur Feststellung der Esser
findet eine Zählung der Einwohnerschaft statt. Für jedes Haus bzw.
jeden Siedlungsblock ist eine Liste auszufüllen.
3. Zwecks Unterbringung der
zahlreichen Flüchtlinge sind durch besondere Listen für jedes Haus
bzw. jeden Siedlungsblock festzustellen:
a) die Zahl der bewohnbaren Räume
einschl. Halbzimmer und Wohnkammern; desgleichen Küche und
Nebengelaß;
b) die Zahl der derzeitigen Einwohner dieser Räume.
4. Häuser, Luftschutzkeller, Höfe,
Straßen und Plätze sind gründlich zu säubern, um dem Ausbruch von
Seuchen vorzubeugen. Jede Hausgemeinschaft hat bis zur Mitte des
Straßendammes mit behelfsmäßigen Mitteln Schutt und Unrat zu
beseitigen bzw. abzufahren. Unebenheiten des Weges sind
provisorisch auszuglätten. Unbewohnte Grundstücke
sind von den benachbarten Häusern mitzuversehen. Tierkadaver und
verwesbare fälle sind tief einzugraben.
5. Zwecks
Wiederaufnahme des Verkehrs sind Barrikaden und
Verkehrshindernisse zutragen, das Material eventuell seitwärts zu
lagern. Gräben und Trichter werden Schutt aufgefüllt. Blindgänger
und Minen sind durch Umzäunung bzw. Schilder kei lieh zu machen
und dem Volkskomitee anzuzeigen.
6. Zur Durchführung
aller dieser Maßnahmen ist sofort für jedes Haus bzw. jeden
Siedlungsblock ein Hausobmann bzw. Stellvertreter oder
-Vertreterin zu wählen. Name genaue Wohnung der Obleute sind an
der Haustür deutlich sichtbar anzubringen. A antwortlich für die
Wahl obiger Funktionäre sind die Hauseigentümer bzw. die Vermieter
oder Hauswarte.
7. Herumliegende
bzw. versteckte Waffen, Munition und anderes Heeresgerät sind
sammeln, sicherzustellen und sofort dem Volkskomitee anzumelden.
8. Im übrigen
verweisen wir auf die einschlägigen Kommandanturbefehle, deren
stre ste Befolgung im ureigensten Interesse der Einwohnerschaft
liegt. Jede Zuwiderhandlung gegen diese Befehle sowie offener oder
versteckter Widerstand gegen die Anordnungen des Volkskomitees
werden strengstens bestraft.
Berlin-Pankow,
den 2. Mai 1945 Florastraße 79, Ecke Neue Schönholzer Straße
Volkskomitee Berlin-Pankow
Editorische
Anmerkungen
Dieses Komitee
entstand aus der Zusammenarbeit verschiedener Kommunisten und
Sozialdemokraten Ende April in einem Lokal Ecke Wollank- und
Schulzestraße, das einige Tage später in die Florastraße
übersiedelte. Es nahm sofort Verbindung zur sowjetischen
Bezirkskommandantur in Pankow auf. Aus ihm rekrutierten sich auch
die ersten Angehörigen der Verwaltung in Pankow. Wie lange dieses
Komitee existierte und welche Arbeit es praktisch leistete, ließ
sich heute nicht mehr feststellen.
Quelle:
Senat v. Berlin, Berlin, Quellen und Dokumente, 1.
Halbband, S.213
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