Volk und Boden

Von Peter Nowak
04/05

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Auf den ersten Blick handelt es sich bei der Homepage www.keine-agenda2010.de  um eine Internetseite der Kritiker der umstrittenen Hartz IV-Reform auf dem Arbeitsmarkt. „Keine Agenda 2010 - Das Volk sind wir“, heißt die Parole, die von Hartz-Gegnern in der Vergangenheit schon häufiger verwendet wurde. Auf einem Banner sieht man bunte Luftballons mit den Aufschriften ALG II, Gesundheitsreform und Agenda 2010 schweben. Erst bei genaueren Hinsehen erkennt man, dass es sich bei den Internetbetreibern um rechte Trittbrettfahrer handelt, die mit geschickter Propaganda Sympathien gewinnen wollen. Die Seite wird vom Nationalen und sozialen Aktionsbündnis Mitteldeutschland betreut. Erst wenn man den Button „Alternativen“ auf der Internetseite anklickt, wird der rechte Jargon offen verbreitet. „Dort wird die „Ausländerrückführung“ ebenso gefordert, wie Zwangseinziehungen in den Arbeitsdienst, der als Kampf gegen „Schmarotzertum und Volksbetrug“ ausgegeben wird. Ausführlich nehmen sich die Rechten die verschiedenen politischen Parteien vor und stilisieren als unverbrauchte politische Kraft.  

In diesem Jahr wollen Neonazis auch am 1.Mai die Propaganda gegen Hartz IV in den Mittelpunkt stellen. In Magdeburg und Nürnberg will die NPD mit der Parole „Weg mit Hartz IV – Das Volk sind wir“ auf die Straße gehen. In Neubrandenburg heißt die Parole der Rechten zum 1.Mai „Arbeit durch Systemwechsel - Nationaler Sozialismus schafft Arbeit“. Die Federführung hat dort die Mecklenburgische Aktionsfront, die dem Spektrum der besonders NS-freundlichen Freien Kameradschaften zuzurechnen ist. So heißt es denn auch in unverkennbarer Nazidiktion und mit origineller Orthographie: „Der 1. Mai ist ein Bekenntnis zu dem uns allen ernährenden Boden, ein Bekenntnis zu seelischer und geistiger Gemeinsamkeit aller Volksgenossen...“ In dem Aufruf wird die PDS mit möglichen Krawallen in Berlin-Kreuzberg in Verbindung gebracht. Die Rechten geben sich ganz bürgernah: „Wir sind nicht gewalttätig und kriminell. Wir sind nationale Sozialisten“.  

In Worms und Frankenthal ruft eine „Bürgerinitiative für ein besseres Deutschland“ zur Maidemonstration. Die im letzten Jahr von Lars Käppler initiierte rechte Kleinstgruppe ist bisher vor allem mit der Propaganda gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei hervorgetreten. Am 1.Mai soll auf einer Demonstration in Worms mit der Parole „Stoppt die Ausplünderung des deutschen Volkes. Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“ der Rassismus mit dem Kampf gegen Hartz IV verbunden werden. Die Demonstration in Frankenthal steht unter dem Motto „1.Mai - Tag der deutschen Arbeit. Globalisierungswahn stoppen“. Besonders Jugendliche sind die begehrte Zielgruppe. So richtete die Kameradschaft Kurpfalz einen Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration an alle Schülervertretungen von Worms und Frankenthal. Durch die zahlreichen dezentralen rechten Aktivitäten hat auch die von Christian Worch angemeldete 1.Mai-Demonstration in Leipzig an Bedeutung verloren, die auch weiterhin den Kampf gegen Links im Mittelpunkt hat, was schon im Motto „Connewitz wir sind bereit! Du auch?“ deutlich wird. Doch nicht nur zum 1.Mai haben die Nationalisten Hartz IV für sich entdeckt. Fast jede rechte Demonstration hat das Thema im Mittelpunkt. So wollen NPD und Freie Kameradschaften am 16.April in Erfurt unter dem Motto „Endlich Gerechtigkeit für alle Deutschen“ auf die Straße gehen. Das war auch das Motto von mehreren „nationalen Montagsdemonstrationen“ in Eisenach. Auf ihrer Homepage bescheinigt sich das rechte „Aktionsbüro Thüringen“ mit ihren regelmäßigen Aktionen gegen Hartz IV langsam Sympathie in der Bevölkerung gewinnen zu können. Gleichzeitig klagen sie darüber, dass die Zahl der Demonstranten trotzdem gering geblieben sei. Die starke Konzentration auf die Hartz IV ist auch ein Ergebnis von innerrechten Strategiedebatten. So hat die NPD mit ihrer Kampagne gegen Hartz IV viele Wähler gewonnen. Nach der für die NPD enttäuschend ausgegangen Landtagswahlen von Schleswig-Holstein hieß es auf rechten Internetseiten, dass Wahlen nicht mit einem nostalgischen NS-Bezug und martialischen Straßenumzügen gewonnen werden. Man müsse vielmehr vor allem soziale Themen aufgreifen. So haben die Rechten bei ihren Aktionen gegen Hartz IV auch die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 22.Mai im Blick.  

Editorische Anmerkungen

Der Autor  stellte uns diesen Artikel am 11.04.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung.