Antisemitische Welle in Serbien

von
Max Brym
04/05

trend onlinezeitung

Enver Robelli schrieb am 7.4.05 einen Artikel in der kosovarischen Tageszeitung Koha Ditore unter der Überschrift: „Die serbischen Nationalisten führen einen neuen Krieg, diesmal gegen die Juden“. Der Artikel von Robelli beschreibt tatsächliche antisemitische Vorkommnisse in Serbien. Vor allem in der letzten Woche erreichten die Aktionen serbischer Nationalisten einen gewissen Höhepunkt.

Der Buchmarkt in Serbien

Auch in Serbien erschien Hitlers „Mein Kampf“. Das Pamphlet Hitlers scheint genau wie in der Türkei ein Renner im Buchhandel zu werden. Gleichzeitig werden immer stärker antisemitische Hetzschriften von serbischen Autoren angeboten. Darunter findet man Titel wie: „Das jüdische Komplott“, „Jüdische Ritualmorde“ und ähnliches. Bereits 1994 publizierte das Parteiorgan der „Serbischen Radikalen Partei“ (Großserbien) als Beilage die antisemitische Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Ein gefragter Autor ist der 1956 in den USA verstorbene antisemitische Bischof Nikolaj Velimirovic, ein christlicher Fundamentalist, der mit „biblischen Zitaten“ Antisemitismus und Antijudaismus verbreitete. Die Gebeine des Bischofs wurden 1991 nach Belgrad überführt, wo er vom Klerus der serbisch orthodoxen Kirche heilig gesprochen wurde. Velimirovic führt in seinen Schriften „die Demokratie, Streiks, Kommunismus und Pazifismus auf „die Juden zurück“. Seit 1991 gibt es einen kontinuierlich stärker werdenden Kult um den Bischof und die Kirche tut alles um sein Gedankengut im Religionsunterricht und in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Bekanntlich beginnt die Gefahr und letztendlich der Mord mit Worten. In der letzten Woche gab es in vielen Städten Serbiens nazistische Schmierereien sowie Plakatklebeaktionen mit antisemitische Parolen.

Aktionen gegen die Buchhandlung „Danilo Kish“

Mitten in Belgrad liegt die Buchhandlung „Danilo Kish“. Die Buchhandlung wurde mit Hitlerbildern zugeklebt. Danilo Kish war ein bekannter serbisch jüdischer Schriftsteller, der 1989 verstarb. Kish wandte sich in all seinen Romanen gegen jede Art von Antisemitismus und dabei selbstverständlich gegen alle Formen von Rassismus und Chauvinismus. In seinen letzten Lebensjahren attackierte Kish besonders den aufkommenden serbischen Nationalismus und sah in ihm eine Gefahr für den Zusammenhalt Jugoslawiens. Ab den neunziger Jahren war der international geachtete Autor kein Thema mehr im serbischen Verlagswesen. Statt dessen wurden aktuelle und ältere Autoren auf den Buchmarkt geworfen, die im Holzfällerstil von Großserbien und der Schlacht auf dem Amselfeld (in Kosova 1389) berichteten. Während der neunziger Jahre gab es in Serbien einen starken widerwärtigen Philosemitismus. In diesem Zusammenhang versuchte die „großserbische Propaganda“ Danilo Kish zu instrumentalisieren. Trotz der Massaker, die Tschetnikbanden und serbisches Militär in Bosnien und Kosova verübten, verglich die serbische Propaganda das Schicksal der Serben mit dem Schicksal der Juden. Nach dem NATO Angriff auf Jugoslawien im Jahr 1999, schlug der Philosemitismus in Antisemitismus um. Parolen machten die Runde wie: „Die Juden haben uns verraten“. Dabei wurde auf die Abstammung verschiedener Mitglieder der damaligen US-Regierung verwiesen. Führend in diesem Propagandazirkus war die „Serbische Radikale Partei“, die einst mit Milosevic paktierte und spätestens seit 1997 zum Netzwerk der europäischen Rechten gehört. Die „Serbische Radikale Partei“ hat brüderliche Beziehungen zu Le Pen in Frankreich und zu Schirinowski in Rußland. Der aktuelle Medienberater der NPD, Franz Schönhuber, wurde in einem Stadtteil Belgrads, der von den „ Radikalen“ beherrscht wird, zum Ehrenbürger ernannt. Im serbischen Parlament stellt die „Serbische Radikale Partei“ die stärkste Fraktion. Gestützt auf diese legale Basis geht nun der aktivistisch antisemitische Mob zur Vorbereitung von Pogromen über. Die Aktion gegen die Buchhandlung Danilo Kish war eine gezielte Aktion, aber auch ganze Straßenzüge in verschiedenen Städten Serbiens waren mit antisemitischen Parolen in der letzten Woche verunstaltet. Auf Plakaten war zu lesen: „Jüdische Parasiten raus aus Serbien“ oder „Wir wollen Freiheit und keine jüdische Herrschaft“. Die systematische flächendeckende Aktion zeugt von Organisation und Planung.

Verharmlosungsversuche der serbischen Regierung

Nachdem die serbische Polizei einige antisemitische Aktivisten festgenommen hat, erklärte die Regierung die Sache zu einer Angelegenheit „von Wenigen“. Wie sich das mit der Systematik und der Breite der antisemitischen Aktionswoche verbinden läßt, darauf blieb die serbische Regierung jegliche Antwort schuldig. Die serbische orthodoxe Kirche distanzierte sich zwar scharf von den antisemitischen Schmierereien, erklärte aber auch ihrerseits die Vorkommnisse zu einem „Randphänomen“. Dagegen sprach der in Belgrad lebende jüdische Schriftsteller Pilip David gegenüber dem Radiosender B92: „Die Bücher von Velimirovic haben Einfluß in Serbien und der Klerus fördert seine antijudaistische Bibelinterpretation“. In Serbien ist die Lage in jeder Beziehung ernst. In Serbien und Montenegro gibt es 3.000 Mitglieder der „Jüdischen Gemeinde“. Ihr Vorsitzender Aca Singer befürchtet „schlimmes“. Es gibt in Serbien auf der Basis einer am Boden liegenden Ökonomie einen rassistischen Diskurs, der sich gegen Roma richtet, die auf einer Müllhalde in der Nähe von Belgrad hausen, es gibt eine stark ausgeprägte Homophobie, jede Art von Nationalismus und als Krönung des Ganzen Antisemitismus. Der Antisemitismus muß sich den serbischen Faschisten aufdrängen, denn ihr Chauvinismus gegenüber den Albanern war von Hochmut und Arroganz geprägt. Niemand käme aber auf die Idee, von einer Verschwörung der Weisen von Tirana zu sprechen. Besondere Macht und Kraft gesteht der Antisemit bekanntlich den Juden zu, deshalb müssen die serbischen Faschisten ihre Niederlagen mit der jüdischen und nicht mit der albanischen Weltverschwörung erklären.



Quellen: Koha Ditore 7.4.05
http://wwwKosovapress.com
http://www.Kosova-aktuell.de  

 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 7.04.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.