Schlechte Einwände gegen den Irak-Krieg

von Red.
GegenStandpunkt

04/03
 
 
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„Nein zum Krieg - Ja zum Frieden!“

Die USA lassen keinen Zweifel daran, dass sie ihren Krieg gegen den Irak führen wollen. Sehr viele Menschen gehen auf die Straße und protestieren dagegen und halten dem Kriegswillen der USA ihre Plakate entgegen, auf denen steht: „Kein Krieg!“ Was sie stattdessen haben wollen, ist klar und steht auch auf den Plakaten: „Frieden!“ Mit dieser Entgegensetzung von ‚Krieg’ und ‚Frieden’ ergreifen sie für den Zustand namens ‚Frieden’ Partei, einfach weil der Krieg so schrecklich ist. Aber wenn sie mit dieser Demonstration ihrer Friedensgesinnung auch schon zufrieden sind, dann haben sie sich eine Frage gar nicht erst gestellt, nämlich was dieser ‚Frieden’ eigentlich wert ist, nach dem sie sich da sehnen. Wer nach Frieden ruft, immer wenn mal wieder ein Krieg ins Haus steht, der betrachtet den Krieg wie einen Unglücks- oder Ausnahmefall; der hat also vom Frieden eine so gute Meinung, dass ihm gar nicht auffallen will, dass ein Krieg noch allemal seine Gründe in eben diesem Zustand, ‚Frieden’ genannt, hat.
Ein Krieg kommt doch nicht aus heiterem Himmel. Vielmehr entschließen sich Staaten zu diesem Übergang, weil sie den friedlichen Verkehr miteinander einfach nicht mehr aushalten. Das heißt: Die Interessengegensätze zwischen ihnen sind an dem Punkt angelangt, wo der eine Staat seine „vitalen Interessen“, also das, was für ihn lebens- und überlebensnotwendig ist, so nachhaltig durch den anderen Staat geschädigt sieht, dass ein Interessenausgleich, ein Verhandeln über Nutzen und Schaden nicht mehr in Frage kommt. Wenn dann der Beschluss erfolgt, das gegnerische Interesse gewaltsam auszuräumen, dann belegt das nur, dass sich schon zuvor die Interessen wechselseitig ausschlossen und sich die Staaten auch in Friedenszeiten grundsätzlich feindselig gegenüber gestanden haben. Dafür findet sich reichlich Anschauungsmaterial. Man muss nur den ‚Fall Irak’ bzw. den Umgang mit ihm nehmen, diese letzten 12 Jahre, die für die Friedensbewegten offensichtlich noch unter die Kategorie ‚Frieden’ fallen. Dabei waren nicht bloß der punktuelle Bombenterror durch die USA und Großbritannien, die Drangsalierung des Staates durch ein scharfes Embargo, die Quarantäne der UNO und massenhafte Verelendung unübersehbar, unübersehbar war insbesondere der rote Faden, der sich durch diesen „friedlichen“ Zustand durchzog, bzw. die Leitlinie, nach der diese Gegend behandelt wurde: die wachsende Unzufriedenheit der USA mit der Fortexistenz eines unwiderruflich geächteten Feindes. Dieser Friedenszustand war einerseits also extrem gewalttätig, andererseits hat er den USA immer mehr Gründe geliefert, warum sie ihn von ihrem Standpunkt aus für unerträglich halten und ihn beenden müssen. Der Krieg „bricht“ also nicht „aus“ - wie es oft beschönigend heißt -, vielmehr erklärt ihn Amerika, weil es mit ihm seinen feindseligen Gegensatz zum Irak aus der Welt räumen will. Anschließend ist dann wieder ‚Frieden’, und zwar genau der, den die USA mit ihrer Gewalt in alle Einzelheiten hinein festlegen und absichern. Und was für den Fall Irak gilt, gilt überhaupt: Kriege, die Staaten immer mal wieder auf die Tagesordnung setzen, hängen mit dem Friedenszustand zwischen ihnen notwendig zusammen, denn was im Krieg zum großen Knall ausartet, sind keine anderen Interessengegensätze, Konflikte und Feindschaften als die, die - noch ohne Schusswechsel - den wirklichen Inhalt des Zustands namens ‚Frieden’ ausmachen.

Wer dann ein Schild hochhält, auf dem „Frieden!“ steht, der will sich nicht Rechenschaft darüber ablegen, was ‚Frieden’ wirklich ist, sondern nur den bescheidenen Wunsch kundtun: „Hauptsache, kein Krieg“. Diese Weigerung, sich die Kriegsträchtigkeit des Friedens klarzumachen und vielleicht einmal davor zu erschrecken, statt immer nur vor seinen gewaltsamen Konsequenzen, lässt sich sogar noch steigern, nämlich mit der Behauptung, im Krieg würde sich das „Scheitern“ der Politik und nicht nur das, sogar ihr „Ende“ herausstellen. Wenn Politiker so etwas sagen, lässt sich das ja leicht nachvollziehen: Damit wollen sie den ganz und gar ehrenwerten Charakter ihres Geschäfts herausstreichen und jeden Zusammenhang zwischen dem und einem Krieg durchstreichen, also die gewalttätigen Folgen ihres Geschäfts leugnen. Diese Leute, die sich sonst als Obermacher von allem und jedem bewähren wollen, behaupten da plötzlich, es gäbe da so etwas wie einen politikfreien Raum - ausgerechnet und gerade in der Frage ‚Krieg und Frieden’. Dann sprechen sie plötzlich von einer „Kriegslogik“, vor der sie dann „kapitulieren“ müssten. Wie gesagt: Politiker gehen gerne mit einer solchen Frechheit hausieren - komischerweise fragt sie aber keiner, wer denn außer ihnen überhaupt einen Krieg anzetteln wollte und könnte und - noch eins vorher - warum sie sich auf diesen Fall, vor dem sie angeblich „kapitulieren“ müssen, so umfänglich mit Armeen, Rüstungspolitik usw. usf. vorbereiten. Die Friedensbewegten stellen solche Fragen nicht, weil sie nämlich dieses Alibi der Politik nicht zerpflücken wollen. Sie fragen lieber danach, wo denn die Politik geblieben sei und wie es denn trotz der Politik zum Krieg habe kommen können, beten also die Lüge von der Ohnmacht der Politik nach - nur eben nicht mir einer entschuldigenden, sondern mit einer kritischen Intention. Diese „Kritik“ zeugt von einem abgrundtiefen Vertrauen in die Politik: So etwas wollen sich die Friedensbewegten lieber nicht vorstellen, dass das staatliche Gewaltgeschäft - das ihnen in Friedenszeiten ja auch gar nicht als solches auffällt - als notwendige Folge auch mal einen Krieg nach sich zieht. Lieber nehmen sie die Politik in Schutz, indem sie ihr anlässlich eines Krieges nicht die Absicht, sondern ein Versagen vorwerfen.

Das alles lebt von einem Ideal der Politik, von einem großen „eigentlich“. „Eigentlich“ wäre die Politik dafür da, das Zusammenleben in den Staaten und zwischen den Staaten friedlich und zur allgemeinen Wohlfahrt zu richten, und wenn mal wieder das Gegenteil zu beobachten ist, dann sind dafür Abweichungen von „eigentlich“ guter Politik, nämlich irgendwelche Fehler, Versäumnisse oder auch üble Machenschaften verantwortlich zu machen. Von dieser Grundüberzeugung lassen die Friedensbewegten auch nicht ab, wenn sie sich mit der Kriegsansage der USA auseinandersetzen. Auch da weigern sie sich, die wirklichen Gründe der USA für diesen Krieg zur Kenntnis zur nehmen, stattdessen bewegen sie sich ausschließlich auf dem Felde der Rechtfertigungen, die diesem Krieg mitgegeben werden, und beziehen von daher ihre Berechtigung¸ dem Krieg kritisch gegenüber zu stehen.

Eine solche Manier, die USA falsch zu kritisieren, besteht in dem Vorwurf, es läge noch

„Kein Beweis“

vor, der den Krieg rechtfertigen würde. Die USA haben Klartext gesprochen: Die Existenz des Saddam Hussein ist ihnen unerträglich, weil es ihn immer noch gibt, weil er seine Mittel immer noch dazu einsetzt, sein anti-amerikanisches Staatsprogramm aufrecht zu erhalten. Dadurch sehen sie sich zum Äußersten herausgefordert, sehen damit überhaupt ihre Anerkennung als unumschränkte Weltmacht gefährdet - insofern sieht sich Amerika durch die pure Existenz des Irak grundsätzlich gefährdet. Es erhebt Anspruch auf totalen Respekt - und es sagt selbst offen heraus, dass es sich diesen Anspruch bloß deswegen, deswegen aber auch wirklich leisten kann, weil es jeden entgegenstehenden Staatswillen mit seinen militärischen Mitteln wegräumen kann, sich mit keinem Staatswillen arrangieren muss. Die USA sprechen also einerseits Klartext, wie Imperialismus heute funktioniert und dazu liefern sie andererseits die nötige Kriegsmoral gleich auch noch mit: erstens mit dem Verweis auf den „11. September“, der ihnen ein Recht auf präventives Zuschlagen gegen alles Böse verschafft, und zweitens in Gestalt von lauter Schilderungen, was für ein böser Mensch dieser Hussein ist.

Was aber entnehmen die friedensbewegten Menschen dieser amerikanischen Kriegsankündigung? - Sie wollen den USA ihren eigenen Klartext nicht glauben. Sie halten tatsächlich den knallharten imperialistischen Inhalt der amerikanischen ‚Gefährdungsanalyse’, also die amerikanische Feinddefinition und die aus amerikanischer Sicht notwendigen Schritte zur Bekämpfung der Feinde Amerikas, für eine vorgeschobene Begründung. Amerika sorgt sich um die Glaubwürdigkeit seiner Macht, und das halten die Friedensbewegten für unglaubwürdig, so ungefähr nach dem Motto: Die Amis drehen halt durch und wollen einfach bloß so einen Krieg vom Zaun brechen. Was sie aber zugleich sehr wohl glauben, ist das von den USA ausgegebene Feindbild. Kein Kriegsgegner will sich Parteilichkeit für den „Tyrannen von Bagdad“ nachsagen lassen und jeder weiß, dass dieser „Diktator“ weg muss. Die Friedensbewegung stimmt also den moralischen Begründungen der USA zu. Da sie aber gleichzeitig Krieg mit guter Politik für unvereinbar hält, klammert sie sich an die moralischen Begründungen und dort und auch nur dort will sie eine „Lücke“ entdeckt haben: Es fehle der letzte „Beweis“. Dabei ist sonnenklar, wie die USA die Sache mit den „Beweisen“ meinen: Es ist eine Bebilderung ihrer feststehenden Feindschaft. Nicht jedoch um diese Feindschaft und ihren Grund kümmert sich die Friedensbewegung, sondern um die Bebilderung - da will sie den USA ein Versäumnis nachweisen, um sich gegen deren Krieg aussprechen zu können. Einerseits nimmt sie die Bebilderung einer „irakischen Gefahr“, also die amerikanische Kriegsmoral, bitter ernst, andererseits will sie nicht zur Kenntnis nehmen, was die USA unter dieser „Gefahr“ wirklich verstehen. Da tut sie so, als wäre Weltpolitik ein Gerichtsverfahren, und verlangt den Nachweis eines echten Arsenals, einer wirklichen knackigen Bedrohung. Und weil sie das nicht serviert kriegt, glaubt sie der US-Regierung einfach ihren Kriegsgrund nicht. Statt dass sie darüber erschrickt, wodurch sich der Imperialismus zum Krieg herausgefordert sieht.

”Was kommt danach?” ”Krieg ist doch keine Lösung!”

”Eine Intervention im Irak wird die vielen Konflikte in der Region weiter anheizen und möglicherweise völlig außer Kontrolle geraten lassen. Die innenpolitische Situation im Nahen Osten würde weiter destabilisiert und Wasser auf die Mühlen fundamentalistischer Strömungen gegossen.” (Resist-Kam­pagne)

Es ist schon merkwürdig, wie weit sich Kriegsgegner in die Sorgen von Staaten hineindenken, die fremde Staaten und Völker unter Kontrolle halten wollen. Mit derartigen Warnungen, die dortigen ”Konflikte” könnten infolge einer ”Intervention”, also eines Krieges, zur völligen Unkontrollierbarkeit ausarten, unterstellen sie erstens: Irgendwie sind die westlichen Staaten zuständig für die Kontrolle der nahöstlichen Region. Warum soll das eigentlich selbstverständlich sein? Zweitens interessieren sie sich überhaupt nicht dafür, worin ”die vielen Konflikte in der Region” bestehen - die gibt es offenbar einfach! Geschweige denn, dass sie ermittelt hätten, was deren Gründe sind? Immerhin könnten sie ja gerade aus der Rolle resultieren, die der nahöstlichen Region durch die seit Jahrzehnten bestehende Kontrolle von Seiten der Westmächte aufgezwungen wurde. Wer vor einer ”Intervention” warnt, dem ist offenbar entgangen: Die Kontrollmacht USA ist schon lange mit einer haushoch überlegenen militärischen Macht in der Region präsent und hat sie auch schon öfter zur ”Kontrolle von Konflikten” eingesetzt; sie unterstützen ihren Bündnispartner Israel bei seinen ”Konflikten” - im Klartext: bei seinen Kriegen gegen seine Nachbarn und gegen die Palästinenser - rückhaltlos und heizen damit seit Jahrzehnten jede Menge ”Konflikte” an. Ist denn die nahöstliche Welt mit all ihren Händeln so lange in Ordnung, wie die Kontrollmacht nicht offen zuschlägt, sondern allein durch ihre erdrückende Überlegenheit in der Region und gelegentliche Bombardements gegen Ziele im Irak ”Konflikte” auf Sparflamme hält. Und schließlich: Was stellt man sich denn eigentlich unter ”Stabilität” vor, wenn man der Weltmacht vorhält, ein Krieg gegen Irak ”destabilisiere” den Nahen Osten ”weiter”, und ihr rät, sie könne den Nahen Osten viel besser kontrollieren, wenn sie auf den Einsatz ihrer Kriegsmittel verzichte? Mit der Warnung vor innenpolitischer Destabilisierung hält man viel von ”Stabilität” - ohne sich Gedanken darüber zu machen, was da stabil bleiben soll: Egal ob Ruhe, weil es allen gut geht, oder Friedhofsruhe - Hauptsache, es herrscht Ruhe! Wer die Ruhe warum stört, interessiert dann ebenso wenig wie die Frage, wer von ihr profitiert - also gute Gründe für ihre Aufrechterhaltung hat - und wer unter ihr warum leidet und sie deswegen stört.

Bevor Kriegsgegner argumentieren, als wären sie Ratgeber der USA, wie diese die ”Konflikte” im Nahen Osten im Sinne ihrer vermeintlichen Interessen stabilisieren könnten - nämlich besser ohne Krieg -, sollten sie sich einmal fragen, was die USA von ihrem leeren Ideal der ”Stabilität” halten. Vielleicht haben die gerade etwas gegen die Stabilität, die die Kriegsgegner dort während der letzten 12 Jahre gesehen haben wollen. Staaten mit weltweiten Ordnungsansprüchen wie die USA sind nämlich nicht einfach für ”Stabilität”, sondern ihnen kommt es sehr darauf an, was in einer Region stabil ist. Wer regiert dort wie? Was für ein Nutzen springt für sie aus den Beziehungen mit den dortigen Ländern heraus? Entsprechen deren Regierung ihren Interessen? Stört vielleicht gerade die Stabilität eines dort etablierten ”Regimes” die eigenen Ansprüche?
Im Irak ist es genau die Stabilität von Saddam Husseins Herrschaft, die den USA nicht passt. Das ”Problem”, das die USA mit Saddam Hussein haben, besteht in der Existenz einer mit dem amerikanischen Weltordnungsanspruch unvereinbaren immer noch stabilen lokalen Macht, die sich hält trotz eines verlorenen Krieges, trotz Ächtung und Handelsembargo, trotz Beschneidung ihrer Souveränität und andauernder Bombardierung in den ”Flugsicherheitszonen”; und dies nun - seit dem letzten Golfkrieg - schon 12 Friedensjahre lang. Die Existenz dieser Macht ist für die USA eine zentrale Ursache all der ”Konflikte” in dieser Region, die ihren Interessen zuwider laufen. Die werden durch den Krieg also nicht ”angeheizt”, sondern ausgeräumt. Die ”innenpolitische Situation im Nahen Osten” ”gerät” dann nicht ”außer Kontrolle”, sondern sie ist gerade außer Kontrolle, solange sich der ”Schurkenstaat” hält, und sie wird unter Kontrolle gebracht, indem Saddam Hussein durch Krieg entmachtet wird. Also ist die Lage jetzt ”destabilisiert”, mit der Abschaffung des ”Schurkenstaates” wird sie stabilisiert.

”Kein Alleingang der USA!”

heißt die nächste Parole. Und wie und wo dieser ”selbstherrlichen” Entscheidung der USA entgegengetreten werden kann, wissen die Kriegsgegner auch:

”Krieg nicht ohne UNO-Mandat!”

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert in diesem Sinne: ”Die weltweite Auseinandersetzung mit dem Terrorismus und mit den Massenvernichtungspotentialen, insbesondere in den Händen von Diktatoren, ist Sache der Völkergemeinschaft und nicht eines einzelnen Landes, auch wenn es sich um die derzeit einzige Supermacht handelt. Wenn ein globales Gewaltmonopol als ultima ratio in Anspruch genommen werden muss, dann darf dies nur nach den Regeln des Völkerrechts geschehen.” (Erklärung des DGB zum Irak-Konflikt am 13.2.03)

Was ist denn jetzt noch übrig vom ”Nein zum Krieg!”? Für ein ”globales Gewaltmonopol als ultima ratio [...] nach den Regeln des Völkerrechts” wäre offensichtlich der für die Arbeiterbewegung zuständige Teil der Friedensbewegung leicht zu haben. Als ob ein Krieg, der von der UNO-satzungsgemäß beschlossen wäre, in Ordnung ginge! Für den DGB steht als Erstes fest, dass die Friedensbewegung ihre Friedensliebe am besten an die sog. Völkergemeinschaft delegiert. Natürlich in der Hoffnung darauf, dass deren Delegierte spätestens im Sicherheitsrat den ”Alleingang” der USA ”ausbremsen”. Bloß, wer ist denn diese Völkergemeinschaft? Sind denn die ”Völker” eine sichere Bank für Kriegsgegner? Oder sind das nicht vielmehr die Mächte, die über Jahrzehnte ihre Gewaltbereitschaft bewiesen und Kriege nicht zu knapp geführt haben. Kriegsgegner sollten sich schon fragen, mit wem sie sich da eigentlich in ein Boot setzen. Die Staaten, die den USA im Sicherheitsrat widersprechen und unablässig ”die letzte Chance für den Frieden” beschwören, machen das doch nicht, weil sie Kriege einfach nicht aushalten. Deutschland & Frankreich z. B. waren doch vor gar nicht allzu langer Zeit noch selbst militärisch dabei, als es um die Beseitigung des serbischen ”Unrechtsregimes” gegangen ist. Und auch beim Afghanistan-Krieg mischt Deutschland an vorderster Front mit - und gibt nicht schlecht damit an. Es muss also andere, sehr handfeste Gründe für einen Staat wie Deutschland geben, sich gegen den US-Krieg gegen den Irak mit der Forderung nach einer völkerrechtlichen Lizenz, also einer Absegnung durch die UNO, aufzustellen. Wenn sich die deutsche Regierung auf die ”Völkergemeinschaft” beruft, dann nicht deswegen, weil ihr deren angebliches Entscheidungsmonopol über Krieg und Frieden sakrosankt wäre. Schließlich hat die rot-grüne Friedensregierung vor dem Kosovo-Krieg - damals im Einvernehmen mit den USA - auch auf einen Sicherheitsratsbeschluss gepfiffen, weil sie mit dem ”Njet” Russlands rechnete. Da sie sich jedoch beim Irak-Krieg von den USA von der Mitentscheidung ausgeschlossen sieht, ist die Berufung auf die ”Völkergemeinschaft” ein willkommener Titel, um sich über den Weltsicherheitsrat in die Beschlussfassung über Krieg und Frieden wieder einzuschalten. Dabei kommt es ihr nicht darauf an, die USA tatsächlich am Krieg hindern zu können. Worauf es ankommt, ist, sich als ein Staat einzumischen, der als Mitentscheider und Drahtzieher in Fragen von Krieg und Frieden gefragt ist. Fischers ringt mit dem ”Ausschöpfen auch noch der letzten Möglichkeit zum Frieden” darum, immer noch eine von den USA respektierte Position im Kreis der Mächtigen zu behaupten. Mit dem Versuch, den USA die UNO-Lizenz fürs Kriegführen zu vermasseln, strebt er den Nachweis an, dass selbst die USA mit ihrem Alleingang nicht ganz an Deutschland vorbeikommen. Der deutsche Widerstand gegen den amerikanischen Kriegskurs hat sein Ziel und sein Erfolgskriterium darin, ein komplettes Entscheidungsmonopol der USA zu verhindern; der Imperativ ”Kein Alleingang!” ist da wirklich die ganze und politisch für Deutschland entscheidende Sache.

Mit solchen Gesichtspunkten und politischen Zwecken sollte man sich also besser nicht gemein machen, wenn man gegen Krieg ist. Wer glaubt, bei seinem Protest gegen den Irak-Krieg auf Schröder und Fischer setzen zu können, macht in Sachen Verhinderung von Kriegen den Bock zum Gärtner.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns von GSMarburg@aol.com  zur Veröffentlichung zugesandt.