Quelle: http://www.ainfos.ca/

Das neue Moskauer Regime

Vor der Ernennung zum geschäftsführenden Präsidenten kannte niemand Vladimir Putin.

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Sein erster Auftritt auf dem Bildschirm war im Dezember 1998, als er (Chef  des FSB) den Arbeitnehmern zu einem Feiertag gratulierte. Zu dieser Zeit  trat Putin wie eine Marionette mit leblosen Augen auf.

Seine Kampagne in der Zeit vor der Wahl wurde begleitet von Explosionen in  Wohnhäusern, wobei der FSB im Verdacht steht, diese Anschläge begangen zu haben ... Sein Programm war vor der Wahl nicht bekannt, außer daß er eine nationalistische Hysterie schürte und Macht und Ordnung stärken wollte. Erst in der letzten Zeit haben Putin-Leute erklärt, er wolle eine Politik 
des Neoliberalismus.

Sofort nach der Wahl hat Putin dem Parlament eine neue Arbeitsgesetzgebung  vorgelegt, die einen 12-Stunden-Arbeitstag, Massenentlassungen ohne Angabe  von Gründen ermöglicht, Streiks verhindern soll und die Rechte der Gewerkschaften abschaffen will (mehrere unabhängige Gewerkschaften planen im Mai Streiks gegen dieses Gesetz).

Es hieß schon, er folge dem Weg von Pinochet. Aber Putin ist kein neuer Pinochet und auch kein neuer Hitler - obwohl er einiges von dem einen hat und mit dem anderen auch viel gemeinsam, aber beide haben in ihren eigenen Hauptstädten keine Wohnhäuser in die Luft gejagt. Und beide hatten keine Atombomben.

Schon vor der Wahl hat Putin angefangen, aktiv Methoden der politischen  Unterdrückung gegen die linke Bewegung, gegen Antifaschisten,  Kriegsgegner, Ökologen anzuwenden...

Nur ein Beispiel. Im Vorfeld der Wahlen wurde der frühere politische  Gefangene Andrey Sokolov mehrfach verhaftet: "Ich habe keinen Widerstand geleistet, ihr Vorgehen ist nicht gerechtfertigt. Sogar aus den Reihen der Passanten kamen Rufe wie 'Miliz' ... Sie brachten mich in ein Gebäude der Miliz ... und FSB-Leute warfen mich zu Boden; der Boden war schmutzig und ich lag mit dem Gesicht im Dreck. Sie traten mich mit Füßen in die Seite und ich bekam einen Stiefel ins Gesicht. Das dauerte ungefähr 15 Minuten. ... bei der Durchsuchung mußte ich breitbeinig stehen, mich mit auf den Rücken gefesselten Händen vornübergebeugt mit der Stirn an der Wand abstützen. [...] Dann wurde ich mit Fäusten geschlagen, auf den Kopf, den Leib. Ich habe an der Augenbraue eine Platzwunde [...] Die Handschellen schnüren die Schlagadern ab und ich bin zweimal bewußtlos geworden, einmal während der Durchsuchung. [...] Keiner der Polizisten, die anwesend waren, 
griff ein.

Der FSB drohte damit, bei der Frau von Andrey, Tatyana Nehorosheva, dieselben Methoden anzuwenden, die einige Tage früher unter der Anklage des Terrorismus verhaftet wurde.

"Mit Putin im Kreml ist der FSB bei dir zu Hause und macht eine Razzia." Das kann man vielen Aktivisten aus der linken Bewegung nach den neuesten Vorgängen in Moskau sagen.

Der Fall der NRA - der Untegrundorganisation Neue Revolutionäre Alternative -, die in Erklärungen in den Massenmedien die Verantwortung für einige der in letzter Zeit in Moskau verübten Sprengstoffanschläge übernahm (der bekannteste fand am 4.4.1999 nachts im Warteraum des FSB in der Innenstadt von Moskau statt), wurde der Anlaß für erneute Repressionen durch Sondereinheiten. Ein junger Anarchist, Alexander Birukov, wurde bereits im Sommer verhaftet.

Die Verhaftung der linken Aktivisten Nadezhda Raks und Olga Nevskaya (Yanka) geschah am 23. Februar, d.h. am selben Tag, an dem A. Birukov für unzurechnungsfähig erklärt wurde (Birukovs Anwalt A. Efimov versuchte verzweifelt, einen Besuchstermin bei seinem Mandanten in der 
Psychiatrischen Klinik Serbsky zu bekommen, wo er zur Untersuchung festgehalten wird).

Am 25. Februar 2000 wurden Nadezhda Raks und Olga Nevskaya angeklagt, Sprengstoffanschläge im FSB-Gebäude in Moskau am 13.8.1998 und am 4.4.1999 
(Fall-Nr. 772) gemäß der Artikel 205 ("Terrorismus) und 223 ("Herstellung explosiver Substanzen") des Strafgesetzbuches. Beide Frauen erklärten, daß sie nicht schuldig sind.

Eine der beiden, Nadezhda Raks, war Lehrerin und Mitarbeiterin eines früheren Duma-Abgeordneten, die andere, Olga Nevskaya, war Musikerin - sie hat in verschiedenen Bands mitgespielt und war Aktivistin bei mehreren ökologischen und Menschenrechtsorganisationen. Nadezhda ist ihrer Überzeugung nach Kommunistin, Mitglied der linken Organisation RKSM(b), 
und Olga ist Anarchistin und Aktivistin einer ökologischen Organisation names "Rainbow Keepers". Sie lebten nicht versteckt und Nadezhda Raks war mehrere Male in diesem Fall als Zeugin vorgeladen. Diesen mit viel Trara durchgeführten Verhaftungen gingen mehrere Monate der Razzien und Ausspähung voraus. Ein FSB-Beamter sagte im Fernsehen, daß die Frauen Personen "mit anarchistischen Überzeugungen" seien und daß ihre "NRA-Organisation aus fast 100 Leuten besteht".

Am 3.3. wurde Tatyana Nehorosheva verhaftet. Am 5.4. wurde Larisa Romanova 16 Stunden festgehalten [?]. Vier Mitarbeiter des FSB haben ohne legale Grundlage einen "operativen Zugriff" durchgeführt. Larisa konnte zu Hause anrufen und mitteilen, daß sie in der Lubyanka ist und was sie braucht. Zur Zeit ist sie in einem Frauengefängnis in Moskau.

[...] Explosionen in Mietshäusern in Moskau und Volgodonsk, Flächenbombardierungen in Dagestan und Tschetschenien mit Hunderten und Tausenden von Toten und Verletzten bleiben unverfolgt. Da schläft der FSB Aber junge Mädchen können sie verhaften. "Terroristen" werden bestraft. Und es ist auch nicht wichtig, daß absurde Anklagen vor Gericht keinen  Bestand haben (wie beim Krasnodar-Fall). Wichtiger ist, daß so einige  "linke Terroristen" ein oder eineinhalb Jahre gefoltert werden können (so lange dauert die Untersuchungshaft).

Da gibts nur ein Problem: wem nützen diese Verhaftungen, die vielen FSB-Mitarbeiter [....] ? Am Morgen des 5.4.1999 war die erste Person, die auf allen Fernsehsendern einen Kommentar abgeben durfte, Putin. Zu dieser Zeit war er der oberste Boss des FSB. Er verkündete damals: "Das ist das Werk von politischen Extremisten oder Tschetschenen. Diese Verbrecher werden 
ergriffen und bestraft werden".

Bei seinem Bemühungen, den neuen Fall zusammenzustoppeln, kehrt der FSB zu den Erfahrungen politischer Unterdrückung zurück, Internierung und Verhaftungen werden über das gesetzlich zulässige Maß angewendet, die Methoden der Ergreifung Intellektueller und der Folter werden angewendet, es werden Beweise und Zeugenaussagen zurechtgebogen. [...]

Die FSB-Ermittler brauchten neue Personen und neuerliche Fälschungen, um die Notwendigkeit des Kampfes gegen den sogenannten "politischen Extremismus" nachzuweisen. Die neuesten Erklärungen des Präsidenten Putin, der äußerte, es sei notwendig, "die Terroristen überall zu verfolgen, wo sie auftreten, in Moskau, St Petersburg oder Grozny", wärmt die "anti-terroristische" Hysterie wieder auf und ermöglicht weitere Verhaftungen unschuldiger Personen - eine gute Grundlage zum Umgang mit politisch unbequemen Gegnern.

Die Anklagen sind so absurd, daß die FSB-Mitarbeiter zu verwirrt sind, um Beweise für die Tatsache zu erbringen, daß alle verhafteten Terroristen junge Frauen sind. Es ist offensichtlich, daß die Geheimpolizei sie braucht, um einen demonstrativen Fall zu konstruieren und so ihre 
Unfähigkeit zu rechtfertigen, die tatsächlich für die Anschläge Verantwortlichen zu ermitteln. Dies wurde schon von vielen Menschenrechtsaktivisten vorausgesagt, die die Geheimdienstaktivitäten 
beobachteten. Mehrere Aktivisten aus ökologischen und Menschenrechtsgruppen wurden zu absurden Befragungen vorgeladen, sogar ein Anwalt soll als Zeuge in diesem Fall vorgeladen werden.

Das ist also die Demokratie der Putin-Ära.

Die Lebensbedingungen in russischen Gefängnissen sind sehr schlecht. In allen Gefängnissen mit Ausnahme von Lefortovo haben Gefangene nicht mal 4 Quadratmeter, wie vom Gesetz verlangt, sondern nur 0,5 Quadratmeter. Für die Ernährung der Gefangenen werden täglich nur ein paar Kopeken aufgewendet. In allen Gefängnissen ist die medizinische Versorgung eingeschränkt, Operationen, stomatologische Behandlungen sind nicht möglich, teilweise gibt es nicht einmal die wichtigsten Medikamente. In allen Gefängnissen stehen nicht genügend Bekleidung und Bettzeug zur Verfügung, außer in Lefortovo. Die den Gefangenen gemäß Artikel 49 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation kostenlos gestellten Pflichtverteidiger erledigen ihre Arbeit nicht sorgfältig, wenn die Gefangenen sie nicht für ihren Einsatz bezahlen können.

Protestbriefe und finanzielle Unterstützung für die jungen Gefangenen werden auch helfen, weitere mögliche Repressionen des Geheimdienstes zu verhindern. Bitte leistet wirksame Hilfe und Unterstützung im Kampf unseres Komitees für Menschenrechte. Zusammen werden wir siegen!

Behörden, an die ihr Protestschreiben schicken könnt:

  • Russia 103084, Moskva, ul.Myasnitskaya, 47 Machinery of representative of person_s rights. Fax: cod of Russia (095)206-48-55

  • Russia 107076, Moskva, B-76, Bogorodskiy val, d.8, Moscow city counsel.

  • Russia 103793 GSP, Moskva, K-9, ul. Bolshaya Dmitrovka, d.15-a, General
    Office of Public Prosecutor of R.F. Fax: code of Russia (095)292-88-48
    or 292-85-62

  • Russia 113184 Moskva, ul. Novokuznetskaya, d.27 Moscow Office of Public Prosecutor.

  • Russia 101000 Moskva, ul. B. Lubyanka, d.2, The centre of public relations of Federal Security Body (F.S.B.) Fax: code of Russia(095)975-24-70


Die Politik von Putinchet wird der lateinamerikanischer Diktatoren immer ähnlicher: Neoliberalismus in der Wirtschaft, Repressionen in der Innenpolitik, nationalistisch in den Äußerungen und die Unterstützung für die WTO. Daher sind die Menschen schon enttäuscht von dem neuen Präsidenten und seiner Regierung. Es wird nicht überraschend kommen, wenn bald in Rußland weitere revolutionäre Gruppen wie die NRA entstehen.

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