Quelle: The Lives of John Lennon» 1988 by Albert Goldman S. 501ff

Das Ende der Fab Four
Notizen aus der "Lennon-Biografie"

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Im Februar 1970 erlitt John einen Nervenzusammenbruch. Er drehte nicht durch: Er legte sich einfach ins Bett und weigerte sich, irgend jemanden außer Yoko zu sehen. Als er Jahre später in einem ähnlichen Zustand war, gab er eine faszinierende Beschreibung davon: «Ich blieb den ganzen Tag im Bett, sprach nicht, aß nicht, zog mich nur zurück. Und dann geschah etwas Seltsames. Ich fing an, alle meine einzelnen Teile zu sehen. Ich kam mir vor wie ein hohler Tem­pel voll von vielen Geistern, von denen jeder für kurze Zeit durch mich hindurch fuhr, mich bewohnte und dann Platz für den nächsten machte.» Niemand könnte besser beschreiben, was es heißt, zusam­menzubrechen, in Stücke zu zerfallen.

Die Bruchstücke, in die John Lennon sich auflöste, waren seine Teilpersönlichkeiten, die unterdrückten Aspekte seines Selbst, die sich in seiner Musik so lebhaft bemerkbar machten. Man denke an irgendeine berühmte Lennon-Nummer, und sofort taucht das Echo der Persönlichkeit auf, die John in diesem Song zeigte: die klagend hingezogene Stimme von «Nowhere Man»; die drängende, atemlose Stimme von «Heip!»; die matte, schläfrige Stimme von «I'm Only Sieeping»; die zornige, spottende Stimme von «I Am the Walrus»; die schelmische, überzogene Stimme von «Bungalow Bill» oder die kind­lich unschuldige Stimme von «Dear Prudence». Diese Vielfalt an Stimmen beruht nicht einfach auf Launen oder Einstellungen: Jede einzelne von ihnen besitzt die Tiefe und Festigkeit eines eigenen Cha-takters. Sie entsprechen den unaufhörlichen Wandlungen in Lennons äußerer Erscheinung, die viele Illustriertenredakteure dazu inspiriert haben, Serien von Porträtaufnahmen John Lennons zu drucken, die verschiedene Menschen darzustellen schienen. Denn so wie jeder Lennon-Song eine neue Stimme, nahezu einen neuen Sänger ver­langte, so brauchte jedes Werbefoto einen neuen Stil: Pilzkopf/ strahlendes Lächeln /Cardin-Anzug oder runde Brillengläser/stren­ger Schnurrbart/phantastische Satingewänder oder faltiges Gesicht/ Bürstenschnitt/Latzhosen. Oberflächlich betrachtet deuten diese Veränderungen auf das kulturelle Chamäleon hin, auf den begei­sterten Modenarren; bei genauerer Hinterfragung erzählen sie jedoch vom inzwischen bekannten, aber nur unzureichend verstan­denen Phänomen der Persönlichkeitsspaltung.

Nach den Standardwerken der Psychiatrie entsteht eine Persön­lichkeitsspaltung als Reaktion auf ein Kindheitstrauma, wenn der Intellekt, der wie ein Schwamm das Leiden aufsaugt, gesättigt ist und durch einen anderen Schwamm ersetzt werden muß. Bewußtseinsspaltung sprach aus jedem Zug John Lennons, dessen Gesicht von Tausenden kleiner Sprünge durchzogen schien wie eine jener Computergraphiken, die aus unzähligen winzigen Facetten zusam­mengesetzt sind. Normalerweise hielt sich John durch die Kraft sei­ner Manien, seiner Besessenheit zusammen, die sein ganzes Sein auf ein einziges begehrtes Ziel konzentrierte und so seine Inkohärenz auf ein Minimum reduzierte.

Aber wenn er in seine traumartigen Phasen der Selbsthypnose versank, fing er an auseinanderzufallen. Wie er dem offiziellen Bio­graphen der Beatles, Hunter Davies, erzählte: «Wenn ich drei Tage lang allein bleibe und nichts tue, verlasse ich mich selbst beinahe vollständig... Ich sehe mir von oben selber zu... Ich sehe meine Hände und kapiere, daß sie sich bewegen, aber es ist ein Roboter, der das tut... Es ist wirklich beängstigend.»

In solchen Augenblicken tauchten Lennons unterdrückte Persön­lichkeiten auf, und jede von ihnen behauptete, sie sei das wahre «Ich». Lennons personae waren nicht die bei Persönlichkeitsspal­tung üblichen unverständlich verschiedenartigen Wesenheiten, son­dern Manifestationen seiner inneren Widersprüche, und deshalb er­schienen sie in antithetischen Paaren wie der «Mönch» und der «Zirkusfloh». Auch wenn John diese beiden Manifestationen seines Selbst nie ausführlich beschrieben hat, ist es klar, daß sie zu den zwei entgegengesetzten Polen seines Seins gehörten: sein zwanghaft besessener Tatendurst und sein geruhsam lethargischer Genuß an Träumerei. Der Lennon seiner eigenen Phantasie war abwechselnd ein Seeräuber und ein schlummernder Säugling.

Wenn Lennons Angst vor Realitätsverlust zu beunruhigend wurde, brachte er sich selbst durch ein einfaches Mittel wieder zu­rück auf den Boden der Tatsachen. «Wenn es zu schlimm wird», er­zählte er seinem Biographen, «muß ich die anderen sehen.» Die Bedeutung der Beatles für ihn lag in solchen Augenblicken darin, daß sie «jemand anders, aber wie ich» waren. In anderen Worten: Die Beatles verkörperten die Identität, die John Lennon ständig verlor.

Doch ihre eigene Identität war alles andere als einfach. Man denke nur an die verschiedenen Bilder, die die Öffentlichkeit von den Beatles hatte. Ursprünglich betrachtete man die Fab Four allge­mein als einen viermal wiederholten Menschen. Bald wurde dieses Bild durch die Vorstellung von vier verschiedenen Menschen ersetzt, die das gleiche Kostüm trugen. So sah sie der typische Beatles-Fan, der sich dann mit seinem Lieblingsbeatle identifizieren konnte. Die raffiniertesten Beatlesfreunde aber hatten noch einen weiteren Trick: Sie sahen die Beatles als einen Menschen mit vier verschiede­nen Gesichtern. Diese Vorstellung war für die Beatles selbst reizvoll, aber sie läßt eine Frage offen: Wer war dieser Mensch?

Den wichtigsten Hinweis hierauf bietet die hervorragendste Be­schreibung der Beatles als kollektive Identität, die je verfaßt wurde. Für den englischen Pop-Kritiker Nik Cohn war das bemerkenswer­teste an ihnen ihre Selbstgenügsamkeit, das Produkt ihrer vollkom­menen gegenseitigen Ergänzung. Jeder Beatle war mit den anderen verschränkt und bildete ein Gegengewicht zu ihnen wie das Uhr­werk einer Schweizer Uhr. «Lennon war der Brutale», schreibt Cohn, «McCartney war der Hübsche, Ringo Starr der Liebens­werte, und Harrison war der Ausgeglichene. Und wo Lennon takt­los war, war McCartney ein geborener Diplomat. Und wenn Harri­son begriffsstutzig wirkte, war Lennon sehr clever. Und wo Starr ein Clown war, war Harrison beinahe melancholisch. Und wenn McCartney ein Ästhet war, war Starr ein einfacher Junge. Immer rundherum und rundherum... und das Ganze erzeugte ein beruhigendes Gefühl von Geschlossenheit.» Ganz richtig. Aber was war die Quelle dieser dialektischen Geschlossenheit?

Die Antwort lautet, daß die Beatles von John Lennon erfunden wurden, der sie nach seinem Bilde schuf. Praktisch jedes Attribut das Cohn verwendet, um die einzelnen Mitglieder der Gruppe zu charakterisieren, würde auf Lennon alleine passen. John war Ästhet und brutal zugleich. Schließlich war er es und nicht Paul, der drei Jahre Kunst studierte. Auf der anderen Seite versuchte John, ein einfacher Junge zu sein, den unkomplizierten Müßiggänger zu spie­len. Und dieses Verhalten brachte ihn ebenso nah an Ringo wie die Tatsache, daß auch John ein Clown sein konnte. Doch hinter seiner Clownsmaske, das hat er selbst gestanden, lag eine gerunzelte Stirn, und er ähnelte dem melancholisch ausgeglichenen George. John war auch liebenswert, denn wer sonst in der Geschichte des Show­business hat so viele empörende Dinge getan und sich dennoch die Zuneigung des Publikums bewahrt? Hübsch war er nicht, aber Schönheit ist kein Charakterzug. Und was die zwei Ausdrücke an­geht, die am unpassendsten wirken - Diplomat und begriffsstutzig - , so sind auch sie nicht so abwegig, wie es zunächst scheint. Lennon zeigte oft diplomatisches Geschick, etwa wenn er sich für sich selbst oder die Gruppe entschuldigen mußte; und bei allem, was er nicht intuitiv erfassen konnte, etwa bei geschäftlichen Fra­gen, konnte er sich als erstaunlich begriffsstutzig erweisen. Wenn die Beatles ein Mann mit vier Gesichtern waren, dann war dieser Mann John Lennon.

Die Beatles verkörperten nicht nur alle Elemente der zersplitterten Persönlichkeit John Lennons, sondern sie brachten diese Ele­mente auch in vollkommene Harmonie zueinander, und das ermög­lichte es ihnen, vollständige Selbstgenügsamkeit zu erreichen. Sie hatten genau die Eigenschaft, die die Schwestern Stanley in Johns Kindheit gezeigt hatten, und das war sein höchstes Ideal. Aber aus dem gleichen Grund handelte es sich auch um die Eigenschaft, die ihm am meisten fehlte, denn seine grundlegende Schwäche war seine Unfähigkeit, als reifer und unabhängiger Mensch zu leben. Als John Lennon sich in den Beatles verlor, hat er sich selbst gefun­den; und als er sich von den Beatles trennte, verlor er sich selbst für immer.

Lennons Bruch mit den Beatles war ein Fall von psychischem Selbstmord. Mit einem Schlag durchschnitt er die Bande zu seinem kreativen Partner und seiner Band, das heißt zu seiner Kunst und per Familie. Zugleich verlor er den Halt in der Realität und war wieder da, wo er angefangen hatte — ein Waisenkind, das alleine in einem Haus mit einer herrschsüchtigen Herrin lebt. Kein Wunder, daß er einen Zusammenbruch erlitt. Dan Richter erzählte: «John fragte sich selbst: Wer wird jetzt für mich sorgen?»

Die Antwort hieß wohl Yoko. Aber auch sie fing an, Zweifel an der Ehe zu hegen. Sie hatte einen Mann geheiratet, von dem sie an­genommen hatte, er werde sie wie eine Rakete auf die Höhen des Ruhms tragen. Aber jetzt benahm er sich, statt ihre Karriere zu un­terstützen, wie ein krankes Kind und zwang sie in die Mutterrolle. Für eine Frau, die ihr Leben damit verbracht hatte, vor der Verant­wortung der Mutterschaft zu fliehen, war das eine unerträgliche Situation.

John Lennons Zusammenbruch wurde durch seine Drogensucht verschlimmert, denn jetzt, wo seine Flitterwochen mit dem Heroin vorbei waren, strebte er die Scheidung an. Aber die war schwer zu bekommen, und er schaffte es nicht, sie endgültig zu machen. In dem naiven Glauben, Entzug bedeute nichts weiter als Abstinenz, machte er im August, als er in sein neues Haus in Tittenhurst Park zog, einen heroischen Versuch, sich den Heroingenuß abzugewöhnen. Er ließ sich so an einen Stuhl binden, daß er nur eine Hand frei hatte, um eine Zigarette zu rauchen. Drei ganze Tage saß er ab­wechselnd fiebernd und frierend da, schrie vor Schmerzen und bat, freigelassen zu werden. Er hat den ganzen Leidensweg mit klini­scher Genauigkeit in «Cold Turkey» beschrieben, ein gewaltiger Fortschritt auf dem Weg zu der völligen Offenheit, die immer das Ziel seines Lebens gewesen ist.

Der Song, eigentlich eine Beschwörungsformel und kein Lied, wird von einem Baß getragen, der wie Herzschläge klingt, und von einer «White-Nigger-Stimme» intoniert, die ihre Vokalisation im Blueston verschleift. Eric Claptons ätzende Gitarre zerhackt den Song in einzelne Stanzen, und jede Strophe gewährt einen neuen blitzartigen Einblick in Lennons verzweifelten Kampf. Am Ende verfällt er in halb entsetztes, halb angeekeltes Schreien. Das alles liegt ein ganzes Jahr vor dem Urschrei-Album und ein halbes Jahr vor dem Zeitpunkt, zu dem John zum erstenmal etwas von dieser neuartigen Therapie hörte.

Schon bald war John wieder heroinsüchtig. Der Rückfall veranlaßte ihn und Yoko dazu, sich Dr. Michael Loxton aus Virginia Water anzuvertrauen, den ihnen Dan Richter empfohlen hatte. Richter der heute keinen Tropfen Alkohol, geschweige denn Drogen mehr anrührt, litt früher entsetzlich unter seiner Sucht. Dann entdeckte er Methadon, das man vor kurzem in England zur Behandlung der ständig steigenden Zahl Suchtkranker eingeführt hatte. Methadon, ein künstliches Betäubungsmittel, das die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs erfunden und Adolf Hitler zu Ehren Dolophin genannt hatten, war die neueste Errungenschaft auf der langen Liste von Chemikalien, die als Mittel gegen die Heroinepidemie angeprie­sen wurden. Wie für alle anderen, von Kokain angefangen, stellte sich bald heraus, daß die neue Droge fast so schlimm war wie die, die sie ersetzen sollte. Die Erfahrung lehrt, daß Methadon zwar die Sucht nach Heroin aufhebt und so den gefährlichen Verbrecher auf offener Straße in einen gefügigen ambulanten Patienten verwandelt, daß die vom Gesetz geduldete Droge aber viele der erschreckenden Wirkungen ihrer tödlichen Gegenspielerin ebenfalls hervorruft. Auch bei Methadon besteht die Gefahr einer tödlichen Überdosis wie die grauenhafte Möglichkeit, daß ein Säugling im Mutterleib süchtig wird und sechs Stunden nach der Geburt in Krämpfe ver­fällt. Später sollten sich John und Yoko bitter über ihre Abhängigkeit von der Droge beklagen, die sie hatte befreien sollen.

Am 5. März ließen sich die Lennons in die London Clinic am Devonshire Place zo aufnehmen, eine teure Privatklinik, die sich auf wohlhabende Süchtige spezialisiert hatte. In der Öffentlichkeit wurde verbreitet, Yoko müsse sich wegen Komplikationen im Ge­folge ihrer letzten Fehlgeburt operieren lassen. Unter dem ständigen Besucherstrom am Krankenbett waren auch Magie Alex, der Re­porter Ray Connolly und Michael X*, ein Agitator aus Trinidad, dessen Black House kürzlich vom Gewinn einer öffentlichen Auk­tion profitiert hatte, bei der zwei Haarsträhnen von John und Yoko versteigert worden waren. Diese Besuche wurden durch kein einzi­ges Pressefoto dokumentiert, ein sicheres Zeichen dafür, daß die Öffentlichkeit der Ballade von John und Yoko müde wurde. Mi­chael X bewies seine Dankbarkeit für die Unterstützung der Len­nons, indem er einen Koffer voll Marihuana ins Krankenhaus brachte. John freute sich über das Kraut, aber als er sah, wie die Ärzte Yoko eine Injektion geben wollten, schrie er sie an: «Gebt ihr das nicht! Sie ist ein Junkie!» Als das berühmte Paar am 19.März nach Tittenhurst zurückkehrte, teilte die Presse mit, daß Yoko im zweiten Monat schwanger war und im Oktober ein Baby erwartete.

Den letzten Hieb versetzte dem angeschlagenen Lennon sein alter Gefährte Paul McCartney, der monatelang auf seiner Farm in Schottland gelebt und keinen Kontakt zu irgend jemandem aufrechterhalten hatte. Er rief eines Tages an, um mitzuteilen, daß er die Band verlassen und ein eigenes Album herausbringen werde. John war sprachlos. Als er seinen Bruch mit den Beatles hatte an­kündigen wollen, hatte er sich überreden lassen, im Interesse der Gruppe den Mund zu halten. Noch schlimmer war die Einsicht, daß Pauls Absprung das endgültige Ende der Band bedeutete. Wenn der wechselhafte Lennon seinen Austritt ankündigte, dann war das etwas anderes. John hätte es sich vielleicht noch mal überlegt und bereute es möglicherweise, seit er erkannt hatte, wie abhängig er von den Beatles war. Aber wenn Paul aufgab, der am härtesten da­für gekämpft hatte, die Gruppe zu retten, dann gab es offenbar keinerlei Aussichten, wieder zusammenzukommen. Als ob all das nicht gereicht hätte, war auch noch die Terminplanung für Pauls Album das am 17. April veröffentlicht werden sollte, die ungünstigst mög­liche. Am 20. April startete United Artists den Beatles-Film Let It Be mit einer Tonspur, die Phil Spector aus alten aufgegebenen Beatles-Bändern zusammengestellt hatte. Auch ein Album von Ringo, Sentimental Journey, stand unmittelbar vor der Veröffentlichung. Wenn alle diese Produkte auf einmal erschienen, standen die Beatles in einem mörderischen Konkurrenzkampf untereinander.

John und George schickten den neutralen Ringo als Vermittler zu Paul. Als Ringo an der Tür klingelte, ließ Paul seinen alten Kumpel vor der Haustür stehen, um zu erklären, was er wolle. Nachdem er Ringo ins Haus gelassen hatte und dieser sich seines Auftrags zu entledigen begann, explodierte Paul. «Er verlor jede Spur von Selbstkontrolle», bezeugte Ringo. «Er schrie mich an, wedelte mir mit den Händen vor dem Gesicht herum und sagte: Jetzt mach ich dich fertige und <Das wirst du mir büßen. > Er sagte, ich solle meinen Mantel anziehen und verschwinden.»

John ärgerte sich obendrein über die Pressemitteilung für Pauls Album, das den demonstrativen Titel McCartney hatte und auf dem Paul alle Instrumente spielte, die sonst die anderen Beatles gespielt hatten. Die Vorankündigung, die den Medien am 10. April zugespielt wurde, erregte weltweite Aufmerksamkeit. In Frage- und Ant­wortform berührte sie alle die Punkte, die jeden beschäftigten, knapp und abschlägig.

F.: Werden Paul und Linda zu etwas wie John und Yoko werden?
A.: Nein, sie werden Paul und Linda werden.
F.: Fehlen Ihnen die anderen Beatles und George Martin? Hat es
einen Moment gegeben, wo Sie dachten, <Wäre Ringo doch jetzt hier>?
A.: Nein.
F.: Gehen Sie davon aus, daß die Partnerschaft Lennon-McCartney
irgendwann wieder aktiv wird?
A.: Nein.
F.: Was halten Sie von Johns Friedensbemühungen? Von der Plastic
Ono Band? Von Yoko?
A.: Ich liebe John und respektiere, was er tut. Aber es gefällt mir nicht.

PAUL LÖST DIE BEATLES AUF! KEINE BEATLES OHNE PAUL!

Die Schlagzeilen liefen um die Welt. Und eine vollkommen unvor­bereitete Öffentlichkeit war schockiert.

Nichts hätte dramatischer und endgültiger beweisen können, daß die goldene Zeit der Sechziger vorbei war. Jetzt konnte man nur noch den mühsamen Versuch machen zu verstehen, wie diese Kata­strophe über die beliebtesten Unterhaltungskünstler der Welt her­eingebrochen war. Allgemein war man der Meinung, die Beatles hätten sich getrennt, weil sie endlich erwachsen geworden seien. Obwohl die Tatsachen dieser naiven Analyse voll und ganz wider­sprachen - alle vier hatten längst geheiratet, drei von ihnen waren Väter, einer hatte sich scheiden lassen und zum zweitenmal geheira­tet -, reduzierte eine gedankenlose Presse den Zusammenbruch der Beatles auf eine Strophe von «That Old Gang of Mine». Regelmä­ßig schlössen die primitiven Nachrufe mit dem Zitat der letzten Zeile der letzten Platte der Beatles, dem bekannten Spruch über die Gleichwertigkeit der Liebe, die man nimmt und die man gibt. Ob­wohl sich dieses Zitat für einen Abgesang eignete, hatte es wenig mit den eigentlichen Gründen zu tun.

Die wahren Gründe für das Auseinandergehen der Beatles waren deutlich in ihrem Film Let It Be zu sehen. Obgleich Paul das Mate­rial sorgfältig redigiert hatte, um alles im besten Licht erscheinen zu lassen, war der Film ein wirres Gemenge von Langeweile, Trägheit und Schweigsamkeit. Es gab so gut wie keinen wirklichen Dialog — außer ein paar halb geflüsterten Nebenbemerkungen -, und Spiel und Gesang der Gruppe waren kläglich, bis auf die perfekt insze­nierten Soli von Paul. Auch das Album war trotz der Mühe, die sich Phil Spector damit gegeben hatte, kein bißchen besser. Selbst der größte Mixer kann aus mittelmäßigen Bändern keine überwältigen­den Hits machen, besonders wenn er die ganze Zeit vorsichtig da­mit umgehen muß. Nur bei einer Nummer, «The Long and Winding Road», gab Spector seinem Hang zum Aufblähen und Orchestrie­ren nach. Paul beschwerte sich bitter, man habe seine Arbeit rui­niert, obgleich das Arrangement genau den Ton traf, den die Feierlichkeit des Songs benötigte. Als das Album in Anerkennung für die beste Filmpartitur den einzigen Oscar erhielt, der den Beatles je ver­liehen wurde, flog Paul nach Los Angeles, um die Trophäe in Emp­fang zu nehmen.

Während John und Yoko unter ihren vielen Problemen litten, wurde ihnen das Haus über dem Kopf abgerissen. Tittenhurst Park (das Maden im Mai 1969 für 145000 Pfund für die Lennons gekauft hatte) war ein stattliches georgianisches Herrenhaus inmitten von zweiundsiebzig Morgen hügeliger Waldlandschaft. Wie viele alte Herrenhäuser war auch Tittenhurst von innen ein Gewirr von klei­nen Räumen, die den neuen Eigentümern nicht zusagten. Sie wollten das Haus in ein ländliches Äquivalent von Andy Warhols Factory verwandeln. Die Lennons ließen die Innenwände herausreißen und eine Ausrüstung zur Herstellung von Filmen und Schallplatten mit Profiqualität installieren. Sie bauten ein Sechzehnspur-Tonstudio mit Echokammern und gegen Feuchtigkeit und Temperaturschwankun­gen geschützte Lagerräume. Es gab Vorführräume für Sechzehn- und Fünfunddreißigmillimeterfilme, Redaktionsräume und Dunkelkam­mern. Billardsäle für pausierende Musiker rundeten das Unterneh­men ab, das John als Ascot Studios bezeichnete.

Yoko sehnte sich nach der Weitläufigkeit eines New Yorker Lofts, also wurde das ganze Erdgeschoß in einen einzigen Raum umge­baut, der für eine viertel Million Dollar mit einem weißen chinesi­schen Teppich ausgelegt war. John wollte nahe am Wasser sein, des­halb wurde ein Teich angelegt, der mit Gummimatten ausgekleidet wurde. Leider vertrugen die ausgesetzten Fische die Auskleidung nicht und gingen ein. Für das Obergeschoß bestellten die Lennons ein riesiges drehbares Bett (das nie funktionierte) mit der Imitation einer Schallplatte als Bettdecke. Dem runden Bett entsprach eine kreisförmige Badewanne für zwei Personen, über der eine Fernseh­kamera hing.

All diese Abriß- und Aufbauunternehmungen führten auf Georges Vorschlag hin ein Dutzend Hare-Krishna-Jünger in orange­farbenen Roben unter der Aufsicht von Dan Richter aus, der mitJill und ihren Kindern Sasha und Misha eingezogen war, um die Ver­waltung des Grundstücks zu übernehmen. Dem Gründer der Hare-Krishna-Sekte, A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupad (einem pen­sionierten Pharmazeutik-Unternehmer), wurde eine viktorianische Versammlungshalle in der Nähe des Hauses zugewiesen, die er in einen hinduistischen Tempel verwandelte. John sollte die Hare-Krishnas hassen lernen, weil sie streitsüchtig und ungeschickt waren. Wenn sie die Fenster putzten und lächelnd ihre rasierten Schädel auf und nieder tanzen ließen, kopierte John sie spöttisch und beantwor­tete ihr repetitives «Hare Krishna, Hare Krishna» mit lennoneskem Gegengesang: «Fick dich! Fick dich!» Als der Swami die Besitz­urkunde für den Tempel verlangte, jagte Lennon die ganze Bande von seinem Grundstück. Dann ließ er sich finster brütend im gläsernen Vorbau der Küche nieder, zog an seinen Zigaretten, schlürfte seinen Tee und starrte auf die kahlen Bäume im kalten Nieselregen.

* Die Beziehung der Lennons zu Michael X markiert den Anfang ihrer schicksalhaften Leidenschaft für die zur Kriminalität neigenden Dem­agogen, die das radikale Klima der späten Sechziger hervorbrachte. Mi­chael Abdul Malik war ein ehemaliger Zuhälter und Schläger, den die britische Regierung in seine Heimat Trinidad abschob. Dort wurde er wegen zweifachen Mordes angeklagt und verurteilt. Obwohl die Len­nons kaum die Möglichkeit hatten, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu prüfen, waren sie davon überzeugt, daß man ihm eine Falle gestellt hatte. Nachdem sie ihn im April 1971 in Port-of-Spain besucht hatten und ihm Vorschüsse von Apple in Höhe von dreißigtausend Dollar für ein Buch, das er nie schrieb, zukommen ließen, finanzierten sie seine drei Berufungsverhandlungen und wandten sich für ihn an die britische Öffent­lichkeit und einflußreiche Politikerkreise. Er wurde am 16.Mai 1975 hingerichtet.