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Der Kommentar des GegenStandpunkt-Verlags

Die "Green Card" - eine zeitlich begrenzte Ausländerfreundschaft

vom 27. März 2000

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Kanzler Schröder hat es auf der CEBIT gesagt: Deutschland hat einen Bedarf an etwa 70.000 "hochqualifizierten Fachkräften" im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie - und die müssen jetzt her, und zwar schnell. Umgucken will man sich vor allem in Indien und Osteuropa. Dann sollen diese Fachkräfte mit einer so genannten "Green Card" versehen werden, die etwa 5 Jahre lang gilt. Das ist ein interessanter Fall von "Globalisierung".

Hat man einem nicht mal erzählt, jetzt wäre alles - gerade Wissen, und damit auch Software - weltweit und blitzschnell verfügbar? Könnten nicht zum Beispiel Software-Firmen, die sich so toll vernetzen, rund um den Erdball arbeiten, egal, wo gerade das Licht ausgeht. Und wäre das nicht einer der großen Vorteile der "Globalisierung"? Also könnte man den indischen Spezialisten - ein Telefon werden sie wohl haben - doch ein e-mail oder entsprechendes schicken, in dem sich die Aufgabenstellung befindet - und die schicken dann einfach ein e-mail mit der Lösung zurück. Schneller und einfacher geht's doch nicht. Aber nein: Der Kanzler, also der deutsche Staat, hält es für ganz entscheidend, dass diese Leute sich hierher begeben, zwischenzeitlich auf deutschem Staatsgebiet ansässig sind. Um was geht es?

Die ganze Branche, die sich unter dem Stichwort "Internet" zusammenfasst, gilt als eine, wenn nicht die wichtigste Zukunftsbranche. Da muss Deutschland unbedingt dabei sein, und es muss sich die dafür erforderlichen Potenzen unbedingt aneignen. Hierbei handelt es sich um Wissen in seinen verschiedenen, Internet-relevanten Formen. Da aber im Kapitalismus Wissen nur in seiner Bedeutung fürs Geschäft interessiert, ist die Tatsache, dass man es eigentlich leicht und überall jedermann zur Verfügung stellen kann, was für den Fortschritt der Menschheit eine feine Sache wäre, gerade der große Pferdefuß. Um dieses Wissen und seine Anwendung wird konkurriert, so dass es heute ein wesentlicher Bestandteil kapitalistischer Konkurrenz ist, sich die "besten Köpfe" der Welt an Land zu ziehen. Der Kanzler sieht hier nun eine besondere Staatsaufgabe: Was dabei für Deutschland heraus kommt, das darf man nicht den Privaten, dem so genannten "freien Spiel der Kräfte" überlassen - auch wenn einem bei jeder anderen Gelegenheit erzählt wird, diese "Kräfte" seien das Allerhöchste und man müsse sich ihnen unbedingt unterwerfen. Jetzt verlangt die Pflege des Standorts Deutschland eben, dass sich der Staat dieses Internet-Zeugs als einer nationalen Angelegenheit annimmt. Und das geht nur, indem er auf die Wissensressourcen in aller Welt zugreift und sie hierher zieht. Dabei kommt der Staat darauf, dass er vielleicht mit seiner bisherigen Ausländergesetzgebung und -behandlung selber ein Schranke darstellt und dass er daran etwas ändern muss.

Eins ist daran gleich auffällig: Die Selbstverständlichkeit, mit der ein imperialistischer Staat wie der deutsche davon ausgeht, dass ihm die Ressourcen der Welt zur Verfügung zu stehen haben und dass er darauf zugreifen kann. Wenn er dieses Wissen dann hat, dann ist das nächste zu vermerken: Er will es monopolisieren - und zwar wegen des Geschäfts, als Ausschluss gegen andere Standorte, deutsch muss es halt sein. Im Zeitalter der "Globalisierung" geht es also - so neu ist das nicht - um nationalen, andere ausschließenden Zugang und Besitz. Die Vorstellung, die Nationen tun sich zusammen, um diese tolle Informationstechnologie noch schneller zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen, und alle ziehen gleichermaßen daraus wachsenden Nutzen - vollkommen absurd. Wenn von den "unbegrenzten Möglichkeiten" geschwafelt wird, dann meint jeder damit nur, dass er sie bei sich eingrenzen und die anderen ausgrenzen will - "Globalisierung" ist also nur ein anderes Wort für erbitterte weltweite Konkurrenz der Nationen. Oder in Schröders Worten: "In zwei Jahren müssen wir die USA in dieser Wachstumsbranche überflügelt haben." Dafür reicht es einfach nicht, sich von den Indern eine elektronische Post schicken zu lassen - sie müssen hier sein, damit man sie unter Kontrolle hat und die Ergebnisse ihres Nachdenkens garantiert nur Kapitalisten des Standorts Deutschland und dessen Wachstum zugute kommen. Dafür kriegt der Kanzler von allen Seiten großen Beifall.

In den Beifall mischt sich im nächsten Moment aber auch eine Menge Kritik. Eine sehr konstruktive Kritik natürlich. Die fragt nämlich erstens: Wird denn daraus auch gewiss ein Geschäft? Sie will also gewährleistet wissen, dass auch die Besten hierher kommen, die dann aber auch nicht zu teuer sein dürfen - eigentlich könnten sie sogar einen Beitrag zur Lohnsenkung auf diesem Gebiet leisten. Es ist nebenbei bezeichnend, wie sich gleich andere Branchen auch melden und einen Bedarf an "ausländischen Fachkräften" anmelden. Zweitens fragt diese Kritik: Wird denn daraus auch gewiss ein deutsches Geschäft? Und: Könnte es nicht sein, dass diese Ausländer - so sehr wir sie jetzt brauchen - sich zu einem Problem entwickeln? Auch ein schöner Hinweis: Die dringend benötigten Ausländer sind zugleich eine Last. Wenn sie hier arbeiten und sich niederlassen, sind irgendwie gar nicht verträglich mit unserem Großen und Ganzen, die kann man nicht gebrauchen. Ihre Eigenschaft, undeutsch zu sein, widerspricht unmittelbar dem deutschen Nutzen, den man aus ihnen zieht. Dieses "Problem" anders ausgedrückt: Was man aus geschäftlichen Gründen braucht, ist bloß ihr Wissen - was aber nun mal an ihnen dranhängt. Mit der Problemstellung ist der Lösungsweg schon vorgegeben: Es muss also darum gehen, dieses Wissen von ihnen für unseren Standort abzutrennen, um sie dann wieder nach Hause schicken zu können. Dafür ist dann die praktische Einrichtung der "Green Card" zuständig: Drei oder fünf Jahre dürfen die Inder so tun, als würden sie hierher gehören - dann hat man von ihnen, was man will, und ihre Zugehörigkeit erlischt wieder. Kürzlich wurde das Wort "Menschenmaterial" zum "Unwort des Jahrhunderts gewählt" - der Ausdruck "ausländische Computerexperten" ist hingegen hochanständig.

Eine schöne Heuchelei hat sich übrigens der CDU-Politiker Rüttgers geleistet. Der Mann hat die Parole erfunden: "Kinder statt Inder an die Computer". Er kann es also nicht leiden, wenn die Arbeit hier, noch dazu eine so "zukunftsträchtige", von Ausländern erledigt wird. Dann ist ihm - er ist ja nicht ausländerfeindlich - ein gelungener moralischer Zusatz eingefallen: Es sei doch "unmoralisch, anderen, oft armen Nationen die Führungseliten wegzukaufen". Ja, wenn man mit aller Macht die Ausländer von hier fernhalten will, dann lässt sich das sogar als Parteinahme für diese Ausländer und ihre Staaten ausdrücken - sie müssen nur bleiben, wo sie sind.

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