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Aus CONTRASTE Nr. 173

Österreich

Konzept in die Praxis umgesetzt
ESO-Infodienst auf Touren

Von Gustav Knut
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Der ESO-Informationsdienst soll auf demokratischer Basis den Themenbereich Esoterik/Sekten/Okkultismus durch wissenschaftliche Forschung und Aufklaerungsarbeit aufbereiten. Er soll das Gefahrenpotential dieses Komplexes entschaerfen helfen und mittelfristig in der Bevoelkerung eine Kritikfaehigkeit gegenueber sogenannten Sekten und esoterischen Angeboten initiieren. Der ESO-Informationsdienst versteht sich dabei nicht als Kampfinstitution gegen sogenannte Sekten und Psychogruppen, auch nicht gegen esoterische Weltbilder, sondern als ein verstaendnisvolles Sprachrohr wissenschaftlich fundierter Aufklaerung. Sein wichtigstes Ziel ist die Foerderung der Information und der Kritikfaehigkeit bei Jugendlichen im praeventiven Sinn.

Dabei wird besonderer Wert auf das Aufzeigen des Problems der Ausbeutung und Entmuendigung des Menschen durch totalitaere religioese Gruppierungen gelegt. Etliche der als Sekten bezeichneten Organisationen produzieren durch ihre autoritaeren und totalitaeren Systeme
geistige Einstellungen, die unsere Demokratie bedrohen. Manche dieser Vereinigungen streben
auch ein politisches System an, das eine Mischung aus moderner Diktatur mit einem theokratischen ueberbau ist. Nicht zuletzt unterhalten einige der sogenannten Sekten auch Kontakte zum Rechtsextremismus! Dieser Tatsache schenken die beiden oesterreicher in ihrer Arbeit grosse Beachtung. Auch der Thematik Esoterik und Rechtsextremismus, die u.a. durch den Erfolg der Buecher Jan van Helsings hochaktuell ist, wird breiter Raum eingeraeumt. Im September 1998 konnte der ESO-Infodienst gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Landesrat Guenter Doerflinger die Esoterik & Rechtsextremismusbroschuere der sozialistischen Jugend oesterreichs in Graz praesentieren.

Der ESO-Informationsdienst setzt sich fuer den Einsatz der kritischen Vernunft und des "gesunden Hausverstandes" ein, der von totalitaeren Gruppen als "hinderlich", "antispirituell" etc. daemonisiert wird. Derartige Lehren foerdern die Anfaelligkeit des (jungen) Menschen fuer Ausbeutung und Fuehrerkultur. Meditation/Spiritualitaet und rationaler Verstand sind - zumindest
sehen das Gugenberger/Schweidlenka so - kein Widerspruch, sondern einander ergaenzende Moeglichkeiten des Menschen. Das sei vor allem fuer die nahende Jahrtausendwende bzw. zum Jahr 2012 von Bedeutung, fuer das viele esoterische Gruppen den Weltuntergang voraussagen:
die apokalyptische Zeitgeist-Stimmung foerdert die Radikalitaet etlicher sogenannter Sekten, was
zunehmend unter Ausschaltung der kritischen Vernunft zu okkult motivierten Morden bzw. Massenselbstmorden (wie es die Sonnentempler, Heavens Gate etc. bereits gezeigt haben) fuehren kann. Der Bostoner Historiker Richard Landes, Mitbegruender des "Zentrum fuer Studien zur Jahrtausendwende", rechnet fuer das Jahr 2000 verstaerkt mit Gewalttaten, denn: "Wenn Gott
nicht wie vorhergesagt erscheint, brauchen sie Suendenboecke." Gegenueber derartigen Entwicklungen will der ESO-Informationsdienst als Gegenkraft wirken.

In einer Grazer Pizzeria, nahe des unuebersehbaren Uhrturms, der als Wahrzeichen fuer die Stadt amtiert, traf ich mich mit Schweidlenka. Kollege Gugenberger tourte zu dieser Zeit als ESO-Vortragender durch Niederoesterreich. Im Laufe des Gespraechs erklaerte mir der
Historiker, was fuer ihn bei aller warnenden Taetigkeit auch von grosser Bedeutung ist; und das sei neben der konfessionellen Ungebundenheit ein wichtiges Merkmal des ESO-Infodienstes: Die internationale Sektendiskussion hat in konstruktiver Weise viel zur Sensibilisierung der Menschen
beigetragen. Als "Schatten" dieser Diskussion werden nun aber immer mehr Faelle bekannt, bei denen Menschen oder Gruppen als "Sekte" bezeichnet werden, die alternative Lebensstile, autonome Selbstverwaltung, moderne Kunstformen oder progressive Aktivitaeten erproben. Versuchen, jede Form alternativer Spiritualitaet und neuer Lebenswelten zu diskriminieren, tritt
der ESO-Informationsdienst entgegen.

Der Zeitgeschichtler Schweidlenka plauderte da aus der Praxis: So mancher "Missliebige" wird heute schnell zum "Sektenmitglied". Da genuegt es schon, wenn die Freundin einen neuen Freund erwaehlt, der Tai Chi praktiziert. Der verlassene Ex-Mann zettelt dann aus gekraenkter Eitelkeit eine Sektenkampagne gegen die Ehemalige und ihren neuen Lover an. Auch Firmen wurde durch unberechtigte Sektenvorwuerfe grosser finanzieller Schaden zugefuegt. "Sekte", so hat der Zeitgeschichtler oefters den Eindruck, ist heute im Volksmund fast verwerflicher als "Vergewaltigung" oder "Raub".

Der ESO-Informationsdienst ist bemueht, dieser zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft in "gute" NormalbuergerInnen und "boese" Sektenmitglieder und der Schaffung neuer Feindbilder, die im Gefolge des intoleranten und eng-dogmatischen Fluegels der SektenkritikerInnen entstanden sind, entgegenzuwirken. Es geht letztlich um die Akzeptanz einer multireligioesen bzw.
spirituell-pluralistischen Gesellschaft unter demokratischen Vorzeichen. Dabei kann nach
Schweidlenkas ueberzeugung die Unterscheidung Erich Fromms hilfreich sein. Fromm, ein in die USA ausgewanderter Psychoanalytiker der Frankfurter Schule, unterschied zwischen einer autoritaeren, zu diktatorischen Regimes neigenden und einer humanitaeren, mit der Demokratie Hand in Hand gehenden Spiritualitaet.

Kritik allein genuegt freilich nicht, meinen Gugenberger/Schweidlenka. Ihre ueberzeugung: Wenn wir den Sinnsuchenden unserer Zeit, seien es Jugendliche, seien es verunsicherte Erwachsene, keine Alternativen, keine egalitaeren und identitaetsstiftenden Utopien anbieten koennen, dann haben wir autoritaeren religioesen Gruppierungen wenig entgegenzusetzen. Politisch
geht es um die Foerderung egalitaerer Gemeinden, Netzwerken und Initiativen. Auf dem religioesen Gebiet geht es da um eine Spiritualitaet, in der das Teilen und das Engagement fuer die Armen und Entrechteten unserer Erde wieder zu anerkannten Werten werden.

Konkrete Schritte

In der Steiermark konnten einzelne Teilbereiche des ESO-Informationsdienst-Konzepts seit dem Herbst 1996 verwirklicht werden, dank der tatkraeftigen Unterstuetzung der bereits erwaehnten ARGE Jugend gegen Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus und des Landesjugendreferats der steiermaerkischen Landesregierung. Bald stieg auch die Jugendinfo LOGO ein, getragen von einem kreativen und zugleich lockeren Team von JugendarbeiterInnen, das von Stefan Perschler (einem altgedienten Aktivisten der Jugendzentrumsbewegung) in der Steiermark koordiniert wird. LOGO leistet progressive, vielbeachtete Jugendarbeit.

Die neueste Aktion: Ein Teil des Teams der Jugendinfo LOGO 1997 zieht, koordiniert von den SozialarbeiterInnen Uschi Theissl und Thomas Jaklitsch, gemeinsam mit VertreterInnen
anderer Sozialinitiativen mit dem Logomobil, einem grossen bunt bemalten Bus, im Rahmen sogenannter Infojam-Touren durch das Land, um Jugendliche ueber Aids, Gewalt, ihre Rechte,
Jobmoeglichkeiten, sogenannte Sekten, Satanismus, aber auch ueber Skaten und Auslandsreisen etc. zu informieren. So dringt der ESO-Infodienst mit dem Logomobil auch in die unwegsamen bergigen Regionen der Steiermark vor, um vor den Gefahren zu warnen, die so manche Gurus ihren AnhaengerInnen bescheren.

Eine grosse Hilfe fuer die Arbeit des ESO-Infodienstes ist die von Landesrat Guenter Doerflinger gewaehrte finanzielle Unterstuetzung. Doerflinger konnte sich durch seinen Einsatz fuer progressive Drogenpraeventionsprojekte (Vivid) und andere soziale Praeventionsinitiativen einen ausgesprochen guten Ruf verschaffen und gilt als ein Bollwerk gegen den unsozialen, unsolidarischen
politischen Zeitgeist. Spaeter beteiligte sich auch das oesterreichische Familienministerium (Minister Martin Bartenstein) an der Unterstuetzung des ESO-Infodienstes, zu dessen Aufgabenbereich u.a. Vortrags- und Informationsabende, Programme bei Gemeinden und
Elternvereinen, (Dia-)Vortraege in Schulen, Multiplikatorenschulungen, Informations- und
Beratungsgespraeche, intensive Pressearbeit, Broschuerenerstellung, Erstellung eines ESO-Net im LOGO-Jugendserver fuer das Internet, wissenschaftliche Quellensammlung und -bearbeitung
zaehlen. Seit dem Herbst 1997 ist der ESO-Infodienst zu festen Zeiten ueber eine Handynummer erreichbar.

Kontakt:
ESO-Informationsdienst, c/o LOGO, die Jugendinfo,
Karmeliterplatz 1, A-8010 Graz, (Tel: 0043-316-1799),
ESO-Hotline: 0043-663-9233244 (Mo 10-18 Uhr,Fr 10-13 Uhr)

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