Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Belagerungszustand im Wedding
Zwangsräumung von Daniel durchgesetzt

Bericht von "Hände weg vom Wedding"

03/2020

trend
onlinezeitung

Am 26.2.2020 um ca. 6:30 Uhr wurde unser Nachbar Daniel im Wedding zwangsgeräumt. Ein weiteres beschämendes Zeugnis der kapitalistischen Verwertung von Wohnraum unter Rückendeckung des Bezirks im Wedding. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, sperrte den Kiez um die Transvaalstraße weiträumig ab und schikanierte die Protestkundgebung. Für die Bezirkspolitik: Ein Manifest des Scheiterns im Mietenwahnsinn. Nach der Zwangsräumung liefen ca. 100 Demonstrant*innen mit Daniel zusammen durch den Kiez und vor das Jobcenter am Leopoldplatz.

Schon am Abend zuvor, als Daniel und Unterstützer*innen seine Wohnung leer räumten kamen Beamte der Polizei und versuchten herauszufinden was geplant sei, störten die Arbeit und provozierten die Anwesenden. Auch in der Nacht klopften Uniformierte an die Tür und wollten herausfinden, wieviele Personen dort, dem Verdacht nach, übernachten. Gegen 5 Uhr, glich das Quartier um die Transvaalstraße einer Polizeifestung. Der Zugang zum Haus der Transvaalstraße 20 wurde blockiert, die Hinterhöfe wimmelten von behelmten Polizisten und an den Straßenecken im Kiez lungerten Polizeitrupps vor ihren Wannen. Es gab kein Durchkommen mehr. Die Kundgebung gegen die Zwangsräumung von Daniel wurde vom Haus selbst wegverlegt, auf die andere Straßenseite, um die Sichtbarkeit einzuschränken. Auch durfte die Kundgebungstechnik zuerst gar nicht benutzt werden. Dadurch wurde versucht unseren Protest gegen die Gewalt von Zwangsräumungen unsichtbar zu machen.

Trotz Kälte und der frühen Stunde kamen ca. 100 solidarische Nachbar*innen zur Kundgebung zusammen und solidarisierten sich mit Daniel. Es wurde laut gerufen und anwohnende Nachbar*innen mit Flyern versorgt. In Redebeiträgen wurde auf die Rolle des Jobcenters, des Vermieter Dietrich Zunker und das Versagen des Bezirks eingegangen.

Dietrich Zunker kam jahrelang seiner Instandhaltungspflicht nicht nach. Beispielsweise hatte Daniel jahrelang Bleirohre in seiner Wohnung. Ein Grund warum Daniel überhaupt erst die Miete minderte. Danach kündigte Zunker Daniel die Wohnung und strengte eine Zwangsräumung an. Während des Prozesses machte er Falschaussagen, weswegen noch eine Anzeige gegen den Vermieter läuft. Am Ende verhinderte Zunker die mögliche Beschlagnahmung der Wohnung, in dem er Daniel ein Scheinangebot unterbreitete: Eine viel kleinere Wohnung, mit Mieten weit über Mietspiegel und Mietendeckel, die noch dazu bewohnt war. Oben drauf gab er eine viel zu kurze Frist zum Antworten. Ein klassischer Fall von Eigentümergewalt.

Der Bezirk freute sich, schien das Angebot aber nicht zu prüfen oder hat sogar ein Interesse an steigenden Mieten. Jedenfalls stellen das Amt für Soziales Daniel nun bis zum 31.03.20 lediglich ein Bett in einer Notunterkunft zu Verfügung, welche 22 Euro pro Tag kostet. Der Bezirk trägt hier aktiv dazu bei, Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit als Alternativen zum Mietenwahnsinn zu befördern. Noch dazu wurde die ganze Zeit über Daniels Kopf hinwegentschieden ohne auf seine Bedürfnisse einzugehen.

Daniel steht seit Wochen und Monaten durch die drohende Zwangsräumung unter enormen psychischen Stress. Mehrmals musste er wegen Suizidgefahr ins Krankenhaus. Noch dazu kämpft er mit den Folgen einer Krebserkrankung. Unseren Nachbarn und Mitstreiter Daniel, trotz den attestierten Gefahren einfach zwangszuräumen ist nicht nur grob fahrlässig, sondern verschärft aktiv eine lebensbedrohliche Situation. Vor dem Jobcenter Mitte wurde später auch auf die Rolle des Jobcenters hingewiesen, welche Daniels angebliche Mietschulden nicht übernehmen wollte. Zum Abschluss der Demonstration bedankte sich Daniel für die Unterstützung und rief dazu auf, an der Mietenwahnsinn-Demonstration bzw. Housing Action Day 2020 am 28.03.20 teilzunehmen. 

Wir als Stadtteilorganisierung Hände weg vom Wedding fordern weiterhin:

Keine Zwangsräumung ohne gleichwertige Ersatzwohnung!
Keine Zwangsräumung im Winter! Für ein Recht auf Wohnen!

Quelle: https://www.unverwertbar.org/aktuell/2020/4343/