Die Tarifrunde
2020 im Bereich Metall und Elektro wird
keine gewöhnliche Auseinandersetzung
zwischen den Unternehmern und der
Gewerkschaft – so viel ist klar. Die IG
Metall muss mit einer dreifachen Krisenlage
zurechtkommen: Insbesondere der Kernsektor
Automobil rutscht in eine veritable
Konjunkturkrise. Die Zulassungszahlen für
Autos gehen zurück, die Märkte sind
übersättigt. Alle großen Hersteller habe
bereits Personalabbau beschlossen oder sind
dabei ihn durchzuführen. Mehrere Firmen –
auch aus der Zulieferindustrie – meldeten
langfristig Kurzarbeit an.
Gleichzeitig
ist das Produkt „Auto“ in einer echten
Lebenskrise. Der individuelle Autoverkehr
mit Verbrennungsmotoren erstickt das Leben
in den Städten und ist nicht nur
verantwortlich für ein gutes Viertel der
CO2-Emissionen, sondern der Bereich, dessen
Klimagas-Ausstoß nicht nur nicht gesenkt
werden kann, sondern beharrlich wächst –
weltweit. Das Image und der simple
Gebrauchswert des Autos sind in einer
Dauerkrise. Statt Jubelmessen um PS-Protze
und kriegstaugliche SUVs müssen die
Auto-Kapitalist*innen
Rechtfertigungszeremonien aufführen.
Die einzige
Perspektive aus dieser Krise sind Phantasien
von neuen, angeblich klima-neutralen
Antrieben, allen voran das Elektroauto –
aber niemand scheint daran wirklich zu
glauben, und alle seriösen Gutachten sagen:
Das Elektroauto ist keine Alternative zur
Sackgasse des bisherigen Automobils, es ist
nicht klima-neutral und wird das Recht auf
Mobilität für die Menschen nicht umwelt- und
menschengerecht einlösen können.
Und
schließlich drittens, ist die Metall- und
Elektroindustrie von der großen Welle der
Digitalisierung aller Produktions- und
Vertriebsverfahren erfasst, die eine
erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen
vernichten und den Rest neu ausrichten wird.
Tarifpolitik? Tarif und Politik!
In dieser
Situation ist klar, dass die Tarifrunde 2020
eine politische Tarifrunde werden muss. Das
hat auch die IGM-Führung begriffen. Sie
möchte auf jeden Fall vermeiden, dass sich
das wiederholt, was bei der letzten großen
Wirtschaftskrise 2008 passierte, wo die IG
Metall mit einer stolzen Forderung in die
Tarifrunde ging, um dann nach wenigen Tagen
und angesichts der Krise komplett
zurückzurudern.
Aber das
konkrete Verhalten des IGM-Vorstandes ist
leider weder Tarif noch Politik, sondern
Zögern und Betteln. Am 4. Februar wurde
offiziell beschlossen, was auf
Tarifbezirksebene schon lange verkündet
wurde: Die IG Metall möchte zunächst auf
konkrete Forderungen verzichten und
stattdessen mit den Metall-Unternehmen einen
Pakt zur Sicherung der Arbeitsplätze und der
Zukunft der Unternehmen abschließen. Das
soll noch innerhalb der Friedenspflicht –
also bis zum 28. April – geschehen und frei
vom Druck durch Forderungen und Streiks
darum erfolgen.
Wie schon
2008 soll auch hierbei stillschweigend oder
mit offener Teilnahme als dritter Partner
die Regierung einbezogen werden. Auf der
Wunschliste stehen
Standortsicherungsverträge,
Investitionshilfen für die Unternehmer,
verlängertes Kurzarbeitergeld und spezielle
Förderungen für Fortbildung und Umschulung.
Als Gegenleistung will die IGM auf
Lohnforderungen über einen einfachen
Inflationsausgleich hinaus verzichten und –
wie stets – auch jede Art von betrieblichen
Sonderregelungen ermöglichen.
Die
Unternehmerseite hat auf dieses Angebot erst
gezögert, um zu schauen, ob es aus den
Reihen der IG Metall großen Protest gibt,
und ist dann mit frechen Forderungen
aufgesprungen: Fünfjährige Tarifverträge
wären die Voraussetzung plus jede Menge
neuer Möglichkeiten der betrieblichen
Willkür- und Sonderregelung. Eine offizielle
Reaktion gibt es aber noch nicht, so dass
mittlerweile in den meisten Tarifbezirken
doch eher von einer „nromalen“ Eröffnung
einer Tarifrunde ausgegangen wird. Die
Unternehmer lassen die IG Metall gerne ein
wenig zappeln – auch da könnte mit
öffentlichen Aktionen schon jetzt Gegendruck
aufgebaut werden.
Dieses
Vorgehen der IG-Spitze ist eine Kapitulation
und eine abermalige Verletzung der
demokratischen Kultur in der Gewerkschaft.
Mitten in die laufenden Vorbereitungstreffen
und betrieblichen Diskussionen mit so einer
Ankündigung aufzutreten, schon vor Ablauf
der Friedenszeit alles „einvernehmlich“
regeln zu wollen, ist ein Schlag ins Gesicht
insbesondere der Aktiven aus der
Gewerkschaftsbasis.
Vom
Ergebnis her wird dadurch mit Sicherheit
nicht viel herauskommen, auf jeden Fall
weniger, als wenn die Kampfkraft der IGM
richtig in Stellung gebracht werden würde.
Die IG
Metall träumt offenkundig davon, dass
öffentliche Gelder (man könnte auch sagen:
Plünderung der Sozialkassen) den
Unternehmern aus der Krise helfen sollen. An
eine gleichzeitige Stärkung der
gewerkschaftlichen und betrieblichen
Kontrolle über diese Gelder wird so gut wie
nicht gedacht.
Politik in dieser Tarifrunde geht anders
Die
Aktiven, vor allem die Linke, in den
Gewerkschaften diskutieren die
Krisensituation erheblich anders. Im
Mittelpunkt stehen Forderungen nach
Arbeitszeitverkürzung ohne
Einkommensverluste, um die die vorhandene
Arbeit auf alle zu verteilen. Niemand soll
die Kosten der Krise allein tragen, schon
gar nicht die heute wieder auf der
Abschussliste stehenden Leiharbeiter*innen.
Sämtliche
Entscheidungen über neue Produkte,
Verfahrensänderungen, Umschulungen dürfen
nicht mit Einkommensverlusten der
Beschäftigten bezahlt werden. Gleichzeitig
müssen dabei die Mitbestimmungsrechte der
Beschäftigten, einschließlich konkreter
Veto-Rechte, ausgebaut werden.
Bezüglich
der konkreten Lohnforderungen wird eine
Erhöhung um 5-6 Prozent und mindestens 200
Euro diskutiert. In vielen Bereichen stehen
auch spezielle Formen der
Arbeitszeitverminderung, vor allem
Altersteilzeit, auf dem Zettel der
Beschäftigten.
Tarifpolitik heißt deshalb gerade in der
Krise: Auf zum Kampf. Die meisten der hier
kurz skizzierten Ziele werden nicht durch
nur betriebliche Kämpfe erreicht werden.
Eine breite Mobilisierung in allen
gesellschaftlichen Bereichen, mit
Bündnispartner*innen aus den sozialen
Bewegungen und Verbänden, der Umweltbewegung
und durch Mobilisierung auch in den
Stadtteilen werden dazu erforderlich sein
Es ist noch
nicht entschieden, wer für die dreifache
Krise, der sich die IG Metall stellen muss,
die Kosten zu zahlen hat. Die Beschäftigten
dürfen und bräuchten es nicht sein.
Quelle:
https://www.antikapitalistische-linke.de/?p=3414
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