Perspektiven für die Klimastreikbewegung

von
Franz Rieger

03/2020

trend
onlinezeitung

25. Februar 2020

Nach einem Jahr steht die Klimastreikbewegung am Scheideweg. Sie hat die größte politische Jugendbewegung seit Jahrzehnten ausgelöst und Millionen Jugendliche politisiert und radikalisiert.

Sie hat ein gigantisches Medienecho gefunden. Und trotzdem konnte sie keine einzige ihrer Forderungen umsetzen. Langsam macht sich Müdigkeit, Frust und Resignation unter vielen Aktivisten breit. Am deutlichsten wurde das beim letzten Klimastreik am 29. November. An diesem Tag gingen bundesweit mit 640.000 weit weniger Menschen auf die Straße als noch am 20.9. (1,2 Mio). Allein in Berlin war ein Rückgang von 240.000 auf 60.000 zu verzeichnen.

Eine Massenbewegung kann nicht auf Dauer mobilisiert bleiben. Sie bedeutet eine große Kraftanstrengung für alle Teilnehmer. Wenn diese nicht mehr das Gefühl haben, etwas durch ihre Aktion bewirken zu können, bleiben sie zuhause und die Bewegung flaut ab.

Das können wir gegenwärtig mit der Klimastreikbewegung beobachten. Von Anfang an war die Führung der Bewegung von liberalen Ideen geprägt. Durch moralisches Handeln der Individuen, durch Apelle, Gespräche und Protest sollten die Mächtigen zur Vernunft gebracht werden. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass diese Strategie zum Scheitern verurteilt ist. Politiker und Kapitalisten wissen seit Jahren genauestens über den Klimawandel und seine Folgen Bescheid. Wenn sie dennoch untätig bleiben liegt das nicht an mangelnder Vernunft, sondern daran, dass sie die Profitinteressen der Kapitalisten über den Umweltschutz stellen.

Eine neue Strategie muss her!

Die Masse der Jugendlichen hat in der Praxis gelernt, dass Apelle und braver Protest nichts bringen. Ihr Vertrauen in diese Methoden schwindet. Wenn die Bewegung weiter gehen soll, muss die Führung eine neue Strategie vorschlagen, die dazu in der Lage ist, echten Klimaschutz durchzusetzen. Das wird die Massen wieder mit Vertrauen in die Bewegung ausstatten.

Die Profitinteressen der Kapitalisten sind für den Klimawandel verantwortlich. Wir müssen an die Wurzel gehen und den Kapitalismus in seinen Grundlagen angreifen. Wir müssen eine reale, gesellschaftliche Macht aufbauen, die mehr kann als Mahnen, Appellieren und Bitten. Das geht nur durch einen Klassenstandpunkt und den Generalstreik. Nur die Arbeiterklasse hat auf Grund ihrer Stellung im Produktionsprozess die Kraft, die Herrschaft der Unternehmer zu brechen: Kein Kohlekraftwerk läuft, kein Auto rollt vom Band, keine Glühbirne brennt, kein Telefon klingelt ohne die freundliche Zustimmung der Arbeiterklasse. Wenn die Arbeiter sich organisieren und streiken, heißt das Stillstand der Produktion und täglich Milliardenverluste für die Industrie.

Wie wir die Arbeiterbewegung für den Klimastreik gewinnen können

Dieselben Großkonzerne, die Löhne kürzen, Arbeiter entlassen und prekäre Arbeitsverhältnisse vorantreiben, sind für Abgasskandale und die Fortführung der umweltschädlichen Produktion verantwortlich. Klimastreikbewegung und Arbeiterbewegung haben den gleichen Gegner und letztlich die gleichen Ziele. Dafür ist es entscheidend, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Deswegen muss die Klimastreikbewegung Forderungen aufstellen, die nicht im Widerspruch zu den Interessen der Arbeiterklasse stehen, sondern im Gegenteil dazu in der Lage sind, sie für die Klimastreikbewegung zu gewinnen.

Mit solchen Forderungen kann FFF eine massive Kampagne starten, um die Gewerkschaften für den Klimastreik zu gewinnen. Man stelle sich vor was passieren würde, wenn sich tausende Schüler und Studierende aktiv mit den um ihren Arbeitsplatz kämpfenden Kohle- und Autoarbeitern solidarisieren würden. Unsere Antwort wäre: Streik gegen die Unternehmer, Vergesellschaftung der Unternehmen und Umstellung auf klimafreundliche Produktion bei Erhalt aller Arbeitsplätze. So wären wir diejenigen, die für einen kompromisslosen Kampf um Verbesserungen stehen.

Was wäre das Resultat? Alle Argumente der Kapitalisten und der Politik die einen großen Teil der Bevölkerung davon abhalten sich mit der Klimastreikbewegung zu solidarisieren würden zu Staub zerfallen, wenn wir klar machen, dass Klimaschutz nicht soziale Verschlechterungen, sondern gemeinsamer Kampf um soziale Verbesserungen heißt. Ein Streik der Kohlearbeiter wäre nebenbei bemerkt auch wesentlich effektiver als jede noch so heroische und unterstützenswerte Blockadeaktion von Ende Gelände. Doch stattdessen forciert die gegenwärtige FFF-Führung diese Vorurteile und treibt damit die Arbeiter in die Arme der Kohle- und Autokapitalisten.

Die Klimabewegung am Scheideweg

Entweder sie geht den nächsten Schritt, nimmt einen Klassenstandpunkt ein, versucht die Arbeiterbewegung zu gewinnen und organisiert den Generalstreik aller Arbeiter, Schüler, Studierenden und Auszubildenden. Oder sie wird, jedenfalls fürs erste, abflauen. Doch selbst das wäre nicht das Ende. Hunderttausende Jugendliche betraten das erste Mal die politische Bühne. Sie haben im Kampf wertvolle Erfahrungen gesammelt und viele Illusionen in den Kapitalismus und die bürgerliche Demokratie verloren. Ein bedeutender Teil von ihnen wird radikalere und letztlich revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen. Dabei ist die Klimastreikbewegung nur das Vorspiel für schwere Klassenkämpfe und riesige Massenbewegungen der nächsten Jahre, die als Produkt der organischen Krise des Kapitalismus die einstmals stabile BRD erschüttern werden.

Bild- und Textquelle: https://www.derfunke.de/rubriken/oekologie/2610-perspektiven-fuer-die-klimastreikbewegung