Stand 19. Februar 19
Die
Feinde meines Freundes – auch wenn dieser
Freund einen einigermaßen unangenehmen Geruch
ausströmt – sind notwendig auch unsere
Freunde. Nach diesem Motto handelte
Frankreich einmal mehr in seiner
Afrikapolitik, wobei unter „Freunde“ oft auch
von der Neokolonialmacht abhängige Autokraten
gefasst werden.
Nach
vorausgegangenen Armeeinterventionen
Frankreichs in dem Land in den Jahren 1969,
1972, 1983/84, 1986 und im Februar 2008 griff
es vom 03. bis 06. Februar dieses Jahres erneut
militärisch im Tschad ein. Kampfflugzeuge vom
Typ Mirage 2000 der französischen
Steitkräfte bombardierten Pick Up-Kolonnen der
Rebellentruppe „Union der Kräfte des
Widerstands“ (UFR), die von der libyschen
Grenze her vorrückten. Premierminister Edouard
Philippe informierte darüber offiziell das
Parlament. Die UFR, die über rund fünfhundert
Kombattanten in Waffen im Wüstenkrieg verfügt,
wurde geschlagen. 150 bis 200 ihrer Kämpfer
wurden gefangen genommen. Das tschadische
Regime möchte ihnen nun wegen „Terrorismus“ den
Prozess machen.
In Frankreich erregte dies
jedenfalls kurzzeitig auch kritische
Aufmerksamkeit; in Pressemitteilungen übten
etwa die französisch-afrikanische
Solidaritätsvereinigung AFASPA, die Linkspartei
PG und andere heftige Kritik. Danach ging der
Vorgang in der breiteren öffentlichen Meinung
relativ schnell wieder unter. Bei den
Machthabern im Tschad handelt es sich nicht um
„irgend ein“ korruptes Autokratenregime,
von denen es in seiner Region mehrere gibt.
Idriss Débys Amtsvorgänger Hissène Habré, in
dessen Regierungszeit vn 1982 bis 1990 rund
40.000 Menschen „verschwanden“, wurde 2017 in
Dakar wegen „Verbrechen gegen die Menschheit“
rechtskräftig verurteilt. Der jetzig Präsident
Idriss Déby Itno putschte ihn zwar im Dezember
1990 aus dm Amt – seitdem ist er ohn
Unterbrechung an der Macht -, war jedoch an
Habrés Verbrechen beteiligt, dessen
Generalstabschef er von 1982 bis 89 war. Auch
unter ihm gingen Folter und Ermordung
politischer Widersacher weiter, wenn auch mit
geringerer Intensität. Politische Gegner und
gesellschaftliche Dissidenten werden nun gerne
auch eingebunden und, mit finanziellen
Angeboten, integriert. Sogar auf Gewerkschaften
wird hin und wieder zugegangen. Infolge einer
Vereinbarung von Ende Oktober 18 wurden die
Löhne im öffentlichen Dienst seit dem 1.
Februar dieses Jahres um 35 Prozent. Idriss
Déby ist ein Diktator und bisweilen ein
Schlächter – zuletzt wurde am 12. Dezember der
Oppositionspolitiker Oumar Hissein gefoltert
und ermordet -, jedoch ein intelligenter.
Sein Amtskollege
Emmanuel Macron verbrachte sein Weihnachtsfest
2018, begleitet von vielen französischen
Medien, im Tschad. Nach Gesprächen mit Déby
verbrachte er den medienträchtigen Teil seines
Aufenthalts dann jedoch bei der, seit 1986
dauerhaft im Tschad stationierten französischen
Armee.
Dabei sind die
Feinde des ausgemachten Menschenfeinds Idriss
Déby nicht notwendigerweise selbst
Menschenfreunde. Im Falle der tschadischen
„Union der Kräfte de Widerstands“ sind sie es
mit ziemlicher Sicherheit nicht: Deren Anführer
ist Timan Ardimi, auch Erdimi aus dem
Arabischen transkribiert, ein Neffe des
Diktators, der wohl zu gerne dessen Platz
einnehmen würde. In seinen Methoden, geht es
etwa um den Umgang mit Dissidenz in den eigenen
Reihen, steht er seinem Onkel kaum nach. Es
gibt auch eine zivile, demokratisch
ausgerichtete Opposition im Tschad, welche auch
über einige Vertreter im Parlament verfügt.
Diese übten allerdings ihrerseits ebenfalls
heftige Kritik am jüngsten militärischen
Eingreifen Frankreichs. Max Kemkoye von der
„Union der Demokraten für Entwicklung und
Fortschritt“ (UDP) bezeichnete es als
„unangemessen“, Mahamat Ahmat Alabo von der
„Partei für Freiheitsrechte und Entwicklung“
(PLD) als „Verletzung internationalen Rechts“
und Einmischung in einen „inneren Konflikt“.
Ardimis
(respektive Erdimis) „Union“ entstand während
des Bürgerkriegs niedriger Intensität der Jahre
2005 bis 2010, in deren Verlauf mehrfach
Rebellengruppen die Hauptstadt N'Djamena
angriffen, aus dem Zusammenschluss von acht
Gruppierungen. In ihnen sind vor allem die
Zaghawa präsent. So heißt die Ethnie des
Präsidenten, die laut offiziellen Zahlen 4,5
Prozent der Bevölkerung des multiethnisch
zusammengesetzten Landes ausmacht – in
Wirklichkeit vielleicht weniger – und deren
Angehörige in aller Regel privilegiert sind und
etwa einen erleichterten Zugang zu Grundstücken
und Handelslizenzen haben. Einige unter den
Zaghawa fühlen sich allerdings noch
unterprivilegiert und würden gerne einen
größeren Anteil für sich reklamieren.
Noch bis im Jahr
2013 wurde die UFR durch den Diktator im
Nachbarland Sudan, 'Omar el-Béchir ( auch „Omar
al-Baschir“ aus dem Arabischen transkribiert),
seit 1989 an der Macht und bis absoluter
Gewissheit kein Menschenfreund, gegen den wegen
Verbrechen im Darfur ein Haftbefehl des
Internationalen Gerichtshofs vorliegt,
protegiert. Danach ließ das sudanesische Regime
diese Rebellengruppe jedoch fallen und zog es
vor, sich an die tschadische Staatsführung
anzunähern. Ardimi / Erdimi seinerseits lebte
seit 2010 im qatarischen Exil. Die zeitweilige
politische und territoriale Zerrissenheit im
nördlichen Nachbarland Tschads, Libyen, in den
Jahren seit 2011 und verstärkt seit 2014
eröffnete jedoch neue Perspektiven für
Rebellengruppen, um sich dort anzusiedeln. Im
Süden Libyens sind nicht allein die Mitglieder
der UFR aktiv, sondern auch andere tschadische
Rebellen wie der zivil-militärisch gemische
„Rat des militärischen Oberbefehls für die
Rettung der Republik“ (CCSMR). Zu dessen
Anführern zählte Hassan Mahamat Boulmaye,
welcher zuvor als anerkannter politischer
Flüchtling in Frankreich lebte. Zusammen unter
anderem mit einem früheren oppositionellen
Abgeordneten im Parlament des Tschad, Abderam
Issa Youssouf, wurde Boulmaye jedoch im Oktober
2017 mutmaßlich im Niger festgenommen und durch
die Behörden, ohne Vorlage von Anklagepunkte
und an jedem Auslieferungsverfahren vorbei,
aller Wahscheinlichkeit nach an den Tschad
ausgeliefert. Dort soll der betagte frühere
Abgeordnete Youssouf im September 2018 in Haft
verstorben sein. Die beiden mit ihm zusammen
Ausgelieferten dürften sich in einem
tschadischen Gefängnis befinden, Boulmaye soll
Anfang dieses Jahres gesehen und photographiert
worden sein. Dagegen richtet sich eine Kampagne
von Tschadern im Exil, wobei der CCSMR
erheblich bessere Verbindungen zur zivilen und
demokratisch orientierten Opposition aufweist
als etwa die Truppe von Ardimi / Erdimi, auch
wenn Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen
in den eigenen Reihen erhoben wurden.
Durch die
Veränderung der innenpolitischen Lage in Libyen
sehen sich die dort ansässigen Rebellengruppen
nun jedoch zunehmend bedroht. Am 02. Januar
d.J. erließ der Generalstaatsanwalt der
Hauptstadt Tripolis einen Haftbefehl gegen 31
Vertreter von sowohl tschadischen als auch
sudanesischen Rebellengruppen, die sich im
zeitweilig durch keine Zentrealregierung
kontrollierten Süden Libyens niedergelassen
hatten. Aber es erging auch Haftbefehl gegen
sechs libysche Milizenführer – der bekannteste
unter ihnen ist der frühere islamiscieh
Afghanistankämpfer Abdelhakim Belhadj (
Belhadsch ) -, von denen zumindest mehrere
gemeinsame bewaffnete Aktionen in Südlibyen
zusammen mit tschadischen und sudanesischen
Gruppen durchgeführt haben sollen. Parallel
dazu birgt die Tatsache, dass der zuvor in
Ostlibyen erstarkte „Marschall“ Khalifa
al-Haftar nun (seit spätstens September 2018)
auch in Süd- und Südwestlibyen – wo Ende Januar
und Anfang Februar 19 heftige militärische
Kämpfe stattfanden – vorrückt, ebenfalls
Gefahren für die Rebellengruppen aus den
südlichen Nachbarländern. Haftar wird im Süden
Libyens als Vertreter einer Wiederherstellung
arabischer Dominanz gegen die dort lebenden
schwarzen Bevölkerungsgruppen wie die Toubou
wahrgenommen. Viele tschadische Rebellen wie
Boulmaye sind ebenfalls Toubou und konnten
deswegen leicht Allianzen im Raum Sebha
eingehen.
Die im Raum
Tripolis ansässige und nur den Nordwesten
kontrollierende Regierung unter Fazey al-Sarraj
versucht nun ihrerseits, im Süden gegen Haftar
in die Offensive zu gehen. Al-Sarraj ist mit
mehreren, teilweise islamistischen Milizen
verbündet, Haftar zum Teil mit ehemaligen
Gaddafi-Anhängern, aber auch mit pro-saudischen
Salafisten, die ähnlich wie er Ägyptens
„starken Mann“ Abdelfattah Al-Sissi gegen die
Muslimbrüder unterstützen.
Mehrere
Golfmonarchien, insbesondere das mit
Saudi-Arabien seit 2017 offen zerstrittene
Qatar, finanzieren ebenfalls die tschadische
Diktatur. Einen weiteren Verbündeten fand
dessen Anführer Idriss Déby jedoch in Israel,
das er Ende November 2018 aufsuchte. Zu den
offiziellen Zwecken der Reise wurde die
„sicherheitspolitische Kooperation“ gezählt.
Dabei interessieren die Machthaber im Tschad
besonders die Kompetenzen der eng in den
militärisch-industriellen Komplex eingebundenen
High-Tech-Industrie. Laut Angaben von
tschadischen Oppositionellen wurden Daten aus
der Internetüberwachung an ein Zentrum in
Israel übermittelt und dort ausgewertet. Im
Zusammenhang mit dem Déby-Besuch vom 25. bis
27. November 18 sei jedoch entsprechenes
Material an das tschadische Regime geliefert
worden, das eine breitere Überwachung der
Internetkommunikation der Bevölkerung nun
mitsamt Auswertung direkt vor Ort betreibe. Die
Zeitschrift Jeune Afrique fügte
Anfang Dezember 18 hinzu, es sei auch um
Technik zur Satellitenüberwachung im Bergmassiv
Tibesti, wo Rebellengruppen aktiv sind,
gegangen.
Editorische
Hinweise
Den Beitrag
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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