"Bedingte Eigenwerbung"
Mao in Altötting und Waldkraiburg

von Max Brym

03/2019

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onlinezeitung

Der Text ist nur bedingt Eigenwerbung. Die Geschichte der Linken in der Bundesrepublik gehört aufgearbeitet, um daraus zu lernen.

Auszüge

„Viele Menschen wurden in den siebziger Jahren in maoistischen K- Gruppen politisch sozialisiert. Nach der Forschung durchliefen rund 100.000 Personen in der BRD solche Gruppen. Besonders stark waren außerhalb der Großstädte in Bayern, solche Organisationen in den tiefschwarzen Landkreisen Altötting und Mühldorf. Diese Geschichte in der ich persönlich stark involviert war wird aufarbeitet. Geschichte ist geronnene Erfahrung und darf nicht vergessen werden. Es geht um die SIK ( Sozialistisches Initiativkomitee Altötting- Mühldorf- Wasserburg), die KPD/ML und die „Arbeiter Basis Gruppen“ später „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“, sowie die nichtmaoistische DKP im ländlichen Raum.

Das Buch behandelt die Gründung des Habermas Lesekreises in Altötting im Jahr 1968. Es geht um die Auseinandersetzung bezüglich des Jugendzentrums am Ort. Dann folgte 1972 die Spaltung der SIK, es entstanden die „ Arbeiter Basis Gruppen“ in Altötting. Die KPD/ML sorgte Anfang der siebziger Jahre für viel Aufsehen in Burghausen und insbesondere in Töging am Inn. Der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD war mit seiner Zeitung „ Der Rote Landbote“ besonders in Waldkraiburg und in Altötting aktiv. Personen welche damals öffentlich auftraten und somit als Personen der Zeitgeschichte gelten werden mit ihren Klarnamen benannt. Andere Namen von Aktivisten wurden abgeändert. Auch wenn die Gruppen aus heutiger Sicht klein erscheinen mögen erreichten Sie in den genannten Landkreisen im Lauf der Jahre hunderte von vor allem jugendliche Menschen welche kürzere oder längere Zeit in einer oder mehreren der genannten Gruppen aktiv waren. Die Publikationen vor allem des Arbeiterbundes hatten durchaus Einfluss in bestimmten Betrieben etwa dem Werk Gendorf in Burgkirchen, oder der WASAG Chemie in Aschau am Inn sowie dem Betriebswerk der DB in Mühldorf am Inn. Die DKP Zeitung „Im Chemie Dreieck“ brachte den einen oder anderen Kommunalpolitiker in Waldkraiburg und Burghausen ins schwitzen. Ähnliches gilt für den „ Roten Landboten“ des Arbeiterbundes in Altötting und der „Vertriebenenstadt“ Waldkraiburg. Bekannt wie bunte Hunde waren damals in den beiden Landkreisen der Altkommunist Georg Kellner, ( DKP) aus Burghausen, Harald Haugwitz, wohnhaft in Neuötting ( Arbeiterbund) Dietmar von der Au, aus Altötting ( SIK) und meine Person vor allem in Waldkraiburg ( DKP dann Arbeiterbund). Die Jusos waren damals auch im südostoberbayerischen Chemiedreieck ziemlich weit links. In Altötting wurden sie von Walter Roßdeutscher repräsentiert. In Burghausen von dem jetzigen SPD Bürgermeister Hans Steindl. Er galt damals als „ roter Rebell“ und bezichtigte auf einer DKP Veranstaltung in Burghausen, die DKP zu weit „ rechts zu stehen“.

Sinn und Zweck

Das vorliegende Büchlein stellt eine Mischung aus persönlicher Erinnerung und realen zeitgeschichtlichen Ereignissen dar. Es soll gezeigt werden, dass es in dem Marinewallfahrtsort Altötting nicht nur bescheidene Arbeiter im Weingarten des Herrn gab, sondern auch Juden, Antifaschisten und rebellierende Jugendliche im Gefolge der Studentenbewegung von 1968. In der „Vertriebenenstadt“ Waldkraiburg hielten nicht nur gestrenge sudetendeutsche Revanchisten Hof, sondern eben so sehr sudetendeutsche Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Auch in Waldkraiburg entwickelten sich ab Anfang der siebziger Jahre oppositionelle kommunistische Gruppen. Natürlich verändert sich manches in der persönlichen Betrachtungsweise im Lauf der Zeit, aber das Ideal einer sozial gerechten Gesellschaft bleibt. Zudem ist jeder Mensch das Produkt seiner Umgebung und seiner Familie. Nach meiner Erfahrung haben ehemalige Freunde von mir in Altötting und Waldkraiburg eine nachhaltige Prägung erhalten. Wenn ich die heute angegrauten „Linksextremisten“ aus Waldkraiburg und Altötting in München treffe, fällt mir immer wieder auf: Keiner dieser linken Rebellen aus Waldkraiburg und Altötting ist politisch nach rechts gegangen. Sie sind in unterschiedlicher Form links geblieben. Offensichtlich hat die katholische Dogmatik aus Altötting in umgekehrter Form eine bestimmte Eigendynamik entwickelt. Auch der Katholizismus enthält soziale Elemente. Bei einigen Menschen führte diese Dynamik zu den Lehren von Karl Marx. Die Härte der Auseinandersetzung in den genannten Orten, härtete ab. Der neoliberale Zeitgeist hat bei Altlinken aus Altötting und Waldkraiburg schlechte Karten.

Zum Hintergrund

Bevor die konkrete Entwicklung der genannten Gruppen und Personen in den Lankreisen Altötting und Mühldorf beschrieben werden kann, ist es notwendig etwas zur Entstehung der KPD/ML, des Arbeiterbundes und der DKP zu erläutern. Bekanntlich endete im Jahr 1968 die sogenannte „ bleierne Zeit“,die „ Adenauer Zeit“ endgültig. Zum zweiten mal waren nach 1848 die Studenten in der deutschen Geschichte 1968 mehrheitlich links. Protestiert wurde gegen den Schah-Besuch in Berlin 1967, gegen die Notstandsgesetze sowie gegen den Vietnamkrieg. Die Studentenrevolte stellte in weiten Teilen das gesamte Bildungssystem infrage. Bekannt ist heute noch die Losung: „ Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“. Generell wurde das kapitalistische System infrage gestellt. Auf dem Berliner „ Vietnamkongress 68 mit anschließender Massendemonstration war die zentrale  Parole: „ Es ist die Pflicht jedes Revolutionärs die Revolution zu machen“. Die Studentenbewegung hatte in Rudi Dutschke einen charismatischen Anführer. Die Bild Zeitung titelte damals: „ Dutschke Volksfeind Nummer 1“.Letztendlich führte diese Kampagne gegen Rudi Dutschke zum Attentat auf ihn, welches er schwerverletzt überlebte. An Ostern 1968 wurden daraufhin in vielen Städten die Verlagszentralen der „Springer Presse“ belagert. Beim Versuch die Zeitungsauslieferung der Bild zu verhindern kam es auch in der Münchner Schellingstraße zu einem Todesfall. Auch Studenten aus den Landkreisen Altötting und Mühldorf, schlossen sich zum Teil der militanten Studentenbewegung an und waren an der Kampagne „ Enteignet Springer“ beteiligt. Allerdings blieben die größten Teile der Arbeiterklasse in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich weitgehend passiv. Die Studentenbewegung zerlegte sich nach dem Attentat auf Dutschke in verschiedene rivalisierende Teile. Die These des Cheftheoretikers des SDS Hans Jürgen Krahl„ die antiautoritäre Bewegung benötigt eine antiautoritäre Führung“ wurde in ihr Gegenteil verkehrt. Die illegale KPD reorganisierte sich in Absprache mit dem Bundesinnenministerium als DKP. Dies brachte ihr umgehend den Vorwurf des Revisionismus, ergo einer Abweichung vom Marxismus Leninismus ein. Bekanntlich hatte sich die „ kommunistische Weltbewegung“ in den sechziger Jahren tief gespalten. Der ideologische und staatliche Konflikt zwischen Peking und Moskau, fand seine Fortsetzung in der Bundesrepublik Deutschland. China brachte seit Mitte der sechziger Jahre die „Peking Rundschau“ in deutscher Sprache heraus. Dort wurde die chinesische Kulturrevolution als Schlag gegen die Entartung des Sozialismus abgefeiert. Die Mao Fibel in deutsch wurde massenhaft verkauft. Viele Jugendliche aus der Studentenbewegung waren davon angetan. China war weit weg und schien für viele eine Alternative zur negativ wahrgenommenen DDR zu sein. Die Trotzkisten hatten sich in dieser Debatte in Deutschland selbst aus dem Spiel genommen. Zwar war der Theoretiker der sich auf Leo Trotzki berufenden 4 Internationale Ernest Mandel sehr bekannt. Sein Büchlein „ Einführung in den Marxismus“ wurde massenhaft gelesen. Aber die Anhänger Mandels in Deutschland versteckten sich weiter tief in der SPD. Ergo wurden sie von den Studenten und Studentinnen kaum wahrgenommen. Die Dominanz der verschiedenen Varianten des Stalinismus DKP, oder KPD/ML, KPD/AO, Arbeiter Basis Gruppen ( dann Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD) KB und später KABD ( heute MLPD) und KBW war somit vorherbestimmt.

Kurz etwas zu den Gruppen

Der Gründung der DKP ging im Juli 1968 ein Gespräch von zwei Funktionären der KPD mit dem damaligen Justizminister Gustav Heinemann   der regierenden Großen Koalition   voraus, in dem dieser eine Wiederzulassung der KPD ablehnte und die Gründung einer neuen Partei als den Weg für eine Legalisierung der politischen Arbeit von Kommunisten in der Bundesrepublik empfahl. Mit der Zulassung einer kommunistischen Partei wollte die damalige Bundesregierung ihr Image international verbessern. Gleichzeitig war die Zulassung der DKP ein Signal der beginnenden neuen Ostpolitik. Egon Bahr prägte die Formel „ Wandel durch Annäherung“. Letzteres war zeitgeschichtlich betrachtet das Konzept der feindlichen Übernahme Das KPD Verbot von 1956 blieb jedoch bestehen und damit der bundesdeutsche Antikommunismus als Staatsdoktrin. Nachdem die DKP am 25. September 1968 vom „Bundesausschuss zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei“ in Frankfurt am Main gegründet worden war – man sprach von einer Neukonstituierung, der KPD welche nie aufgehört hatte zu existieren. Auf dem ersten Parteitag der DKP wurde das Konzept der „antimonopolistischen Demokratie“ und des „friedlichen Übergangs zum Sozialismus“ beschlossen. Die Masse der alten KPD Mitglieder in der Bundesrepublik traten der neugegründeten Partei bei. Darunter auch Georg Kellner aus Burghausen, eine komplette Familie aus Altötting, Leo Hundsmann aus Mühldorf am Inn. Aber auch der ehemalige Widerstandskämpfer Ludwig Lankes aus Burghausen.Dazu stießen neue Mitglieder welche in München studierten. Aber auch einige wenige Jugendliche speziell aus Altötting. Es gelang Georg Kellner jedoch nicht aus dem im Frühjahr 1968 gegründeten „Habermas Lesekreis“ in Altötting Mitglieder zu gewinnen. In dem Kreis sammelten sich junge Menschen welche von der Studentenbewegung in Deutschland beeinflusst waren. Hauptsächlich handelte es sich bei dem Lesekreis um Jugendliche aus „ gutem Haus“. Darunter der Sohn eines Großgastronomen und Metzgereibetreibers. Aber auch der Sohn eines der größten Textilhändlers vor Ort. Das sorgte für einigen Unmut bei Vätern und Müttern in Altötting.

Georg Kellner aus Burghausen

Georg Kellner wurde im Jahr 1931 Mitglied der KPD. Kellner engagierte sich im antifaschistischen Widerstand. Er organisierte den Transport von illegalen Schriften von der Tschechoslowakei nach Bayern. Dann verbrachte er einige Jahre im KZ. Nach der Befreiung vom Faschismus engagierte sich Kellner sofort wieder in der KPD. Er arbeitete einige Jahre u.a. als Fahrer für den Landesvorsitzenden der KPD in Bayern. Nach dem 1. Parteitag der DKP Anfang 1969 übernahm Kellner das Amt des DKP Kreisvorsitzenden im oberbayerischen Chemiedreieck. Der Parteikreis ging allerdings bis Passau. In Passau hatte die DKP ziemlich schnell eine relativ starke Gruppe unter Führung eines örtlichen Gastwirtes konstituiert. Im Jahr 1969 hatte die DKP rund 9.000 Mitglieder auf Bundesebene. Der gelernte Automechaniker Kellner hätte nach dem Parteitag der DKP fast seine Arbeitsstelle in Burghausen verloren. Der Boss sah ihn im Fernsehen auf dem DKP Parteitag und tobte. Allerdings solidarisierten sich die Arbeiter mit ihrem kurz vor der Rente stehenden Kollegen Georg Kellner. Kellner war ein erfahrener Parteikader, er sprach einfach und seine Beispiele waren oft mitten aus dem Leben gegriffen. Immer wieder verwies Kellner auf den Fakt, dass der Faschismus ohne den Kapitalismus nicht begriffen werden kann. An der Sowjetunion und an der DDR ließ er keinerlei Kritik zu. Schnell verdächtigte Kellner Genossen und andere Gruppen im „ Dienst des Klassenfeindes“ zu stehen. Bekanntlich wurden viele Parteikader der KPD aus der Weimarer Republik Opfer der stalinistischen Säuberungen. Kellner hatte aus dieser Zeit einen bestimmten „ Agentenfimmel“ mitgebracht. Seine Bemühungen in Burghausen wieder eine starke kommunistische Partei zu schaffen scheiterten weitgehend. Zwar gab es vor 1933 eine ziemlich starke KPD speziell innerhalb der örtlichen Wacker Chemie und in Burghausen Neustadt , aber viele der noch lebenden Aktivisten wollten nicht mehr von vorne anfangen. Andere ehemalige KP Leute waren Mitglieder der in Burghausen starken SPD geworden. Allerdings gelang es Kellner in Altötting einige Jugendliche zu beeindrucken. Dieser Prozess setzte sich später in Waldkraiburg fort. Kellner litt in Burghausen unter dem Fehlen von Jugendlichen. Diese radikalisierten sich innerhalb der Jusos oder speziell in Burghausen und Töging am Inn durch die KPD/ML.

Etwas zur Entstehung der KPD/ML

Die KPD/ML wurde am 31. Dezember 1968 in Hamburg gegründet. Seit Juni 1967 gab Ernst Aust aus Hamburg die Zeitung „ Roter Morgen“ zuerst als oppositionelles Organ innerhalb der KPD heraus. Der KPD Politiker Ernst Aust (1923–1985) hoffte als ehemaliger Redakteur der in Hamburg sehr populären KPD nahen Zeitung „Blinkfüer“ Mitglieder der KPD für den Maoismus zu gewinnen. Das gelang jedoch obwohl die offizielle Parteiführung in Ost-Berlin in heller Aufregung war nur sehr marginal. Der prominenteste Altkader der KPD welcher bis 1970 mit Aust zusammenarbeitete war der aus Solingen stammende Willi Dickhut. Dickhut war einst stellvertretender Kaderleiter der KPD, sowie vorher aktiv im antifaschistischen Widerstand. Heute genießt der 1992 verstorbene Willi Dickhut (1904-1992) fast schon Kultstatus in der MLPD. Aust propagierte den „ Sieg im Volkskrieg“ nannte Mao den „ größten lebenden Marxisten-Leninisten“ und bezeichnete die sich an Moskau orientierenden Genossen als „ Revisionisten“ und „Verräter“. Im Titelkopf des „ Roten Margen“ waren Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao abgebildet. Die KPD/ML wurde am 31. Dezember 1968 in Hamburg gegründet. Damals entstanden viele ähnliche Organisationen. Die konkurrierenden Grüppchen innerhalb des maoistischen Spektrums gaben der KPD/ML den Namen“Gruppe Roter Morgen“.Die KPD/ML breitete sich relativ schnell in das Ruhrgebiet aber auch nach München aus. Ab dem Jahr 1970 scheint es die ersten Mitglieder und Sympathisanten der KPD/ML im Landkreis Altötting gegeben zu haben. Seit 1971 wurde regelmäßig im „ Roten Morgen“ über politische Ereignisse in dem Landkreis berichtet. In Töging am Inn und in Burghausen entstand die „ Rote Garde“ die Jugendorganisation der KPD/ ML im Jahr 1971. Besonders interessant ist die Gründung der Roten Garde und der KPD/ML in der kleinen Arbeiterstadt Töging am Inn. Die Gruppe bestand Anfangs aus fast 20 Jugendlichen. Das waren 17 bis 18 jährige Jungs und Mädels welche sich an der Mao Fibel berauschten. Es waren Schüler am Gymnasium in Mühldorf am Inn aber auch junge Mitglieder der starken DGB Jugend in Töging mit eigenem Gewerkschaftsjugendheim. Der DGB Kreisvorsitzende Sigi Richter aus Neuötting verließ mehrmals das Gebäude in Töging einmal sogar durch einen Sprung aus dem Fenster nachdem er dort als „ sozialdemokratischer Sozialfaschist“ angegriffen wurde.

Die KPD/ ML war extrem linkssektiererisch mit ihren Parolen wie „ Nur der Griff der Massen zum Gewehr schafft den Sozialismus her“. Bei einigen Jugendlichen im streng katholischem Landkreis Altötting viel das auf fruchtbaren Boden. Es wurden einfach die Bibel durch die Mao Fibel ersetzt.

Die „ Arbeiter Basis Gruppen“

Im Juni 1968 gründeten sich die Arbeiter-Basis-Gruppen in München (ursprünglich „Basis-Gruppen der Außerparlamentarischen Opposition“) Die Initiatoren waren die beiden leitendenden SDS ( Sozialistischer Deutscher Studentenbund) Kader in München ,Thomas Schmitz Bender und Helge Sommerrock. Im Rahmen des Kampfes gegen die Notstandsgesetze ging der der SDS in München davon aus, „ dass nur die Arbeiterklasse imstande sei wirklichen Widerstand zu leisten.“ Die Gruppe wollte hin zur arbeitenden Bevölkerung, um die Isolierung der Studenten zu überwinden. Dabei konnten die „ Arbeiter Basis Gruppen für den Aufbau der Kommunistischen Partei“ durchaus Erfolge erzielen. Spontan wurde das scheinbar Nächstliegende angepackt: der Kampf an der Seite der Münchner Bevölkerung gegen die Einführung des „Weißen Kreises“ (d. h. die Aufhebung der Begrenzung der Mieten). Es wurde sogar zunächst erfolgreich gekämpft – aber als Schwerpunkt der Tätigkeit führte das doch bald an Grenzen. Es wurde ein Schwenk hin zu den Betrieben gemacht. Relativ schnell konnten die Arbeiter Basis Gruppen in der damaligen Lehrlingsbewegung Fuß fassen. Es entstanden Betriebsgruppen speziell in den Münchner Druckbetrieben. Besonders bekannt wurde der ABG Betriebsrat beim Münchner Merkur Hans Zintl. Die Gruppe schaffte es in München zum dominierenden Faktor im K Gruppenmilieu zu werden. Anfang der siebziger Jahre wurden im Anschluss an die DGB Maikundgebung eigene Demonstrationen durchgeführt. Dabei gingen Anfang der siebziger Jahre zwischen 10 und 15.000 mit der Gruppe am „revolutionären 1. Mai“ auf die Strasse. Die Gruppe lehne ebenfalls die DKP als „ revisionistisch“ ab und konzentrierte sich stark auf den Aufbau von gewerkschaftlichen Oppositionsgruppen. Die Arbeiterbasisgruppen orientierten sich an Mao. Gleichzeitig lehnten sie die einfache Verkündung eine Partei zu sein ab. Das brachte sie in starken Gegensatz zur KPD/ML von Aust, beziehungsweise zur 1970 in Berlin gegründeten KPD/ Aufbauorganisation durch Horlemann und Semmler. Die Arbeiter Basis Gruppen wurden in München das was der KB „ Kommunistischer Bund „ in Hamburg war. Eine auf die Region begrenzte maoistische K Gruppe welche in ihrem Gebiet durchaus Einfluss hatte. Zug um Zug breitete sich die Arbeiterbasis Gruppen in Bayern aus. 1971 gab es Syhmpatisantengruppen der Arbeiterbasisgruppe in Weiden, Passau, Regensburg und Altötting. Im Jahr 1973 benannte sich die Gruppe in „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ um. Die Sympathisantengruppen wurden Ortsgruppen. Hinzu kam noch eine Gruppe in Nürnberg. Der KB nannte den Arbeiterbund „ bayerische Knödelmaoisten“ der Arbeiterbund sprach nur vom „ KB-Nord“. Seit 1971 existierten die „Arbeiterbasis Gruppen“ auch in Altötting. Angeleitet wurde die Gruppe von dem aus München nach Neuötting geschickten charismatischen Kader Harald Haugwitz. Zuerst waren die Mitglieder dieser Strömung in Altötting Mitglieder des Sozialistischen Initiativkomitees SIK Altötting. Die SIK wurde 1969 in Altötting gegründet. In der 'Kommunistischen Arbeiter Zeitung' der ABG Nr.15 (vgl. Juli 1971, Okt. 1971) wird u.a. berichtet über das Sozialistische Initiativkomitee (SIK) Altötting, welches laut ABG aus Schülern, Studenten und 3 Arbeitern besteht. In einer Beilage wird die Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR) 1971 vorgestellt. Neben den 11 Gründungsorganisationen wird auch noch die Teilnahme vermeldet vom Sozialistischen Initiativkomitee Altötting. Die SIK dominierte das „ autonome Jugendzentrum“ in Altötting ab dem Jahr 1970. Die örtliche CSU war in heller Aufregung. Im Frühjahr 1972 wurden dem Jugendzentrum sämtliche Zuschüsse durch den Stadtrat in Altötting gestrichen. Auf einer  Stadtratssitzaug im Juni 1972 kam es zum Eklat. Anhänger der SIK, der ABG sowie der KPD/ML aus Burghausen versuchten die Stadtratssitzung zu sprengen. Es kam zum Polizeieinsatz im Rathaus. Trotz aller Proteste wurde die Leitung des Jugendzehnturms abgesetzt und die Zuschüsse gestrichen. Das scheint die letzte gemeinsame Aktion der ABG und der SIK gewesen zu sein. Die ABG trennten sich von dem Kreis um Dietmar von der Au ( SIK) . Die ABG organisierten sich endgültig selbständig und unterstellten der SIK „ trotzkistische Abweichungen“ zu haben.

Zur Person Harald Haugwitz

Die überragende Führungsfigur in den ABG in Altötting und später im Arbeiterbund war Harald Haugwitz. Haugwitz damals Anfang 30, war ein exzellenter Rhetoriker. Oft besuchte Haugwitz Veranstaltungen der SPD aber auch der CSU im Landkreis. Besonderen Eindruck hinterließ Harald Haugwitz bei Frauen und Mädchen. Es waren damals viele Frauen und Mädchen im Arbeiterbund organisiert. Besonders auffällig war das bei einer 1. Mai Veranstaltung des Arbeiterbundes in Altötting am 1. Mai 1974. Unter den mehr als hundert Teilnehmern der Veranstaltung zum „ Kampftag der Arbeiterklasse“ in Altötting waren mehr als die Hälfte weiblich. Das lag bei den meisten an der Person von Harald. Dies obwohl er nicht dem klassischen Bild eines Casanovas entsprach. Haugwitz sprach immer zu konkreten Fragen im Landkreis aber natürlich auch über die „chinesische Kulturrevolution“ und das „sozialistische Albanien“. Haugwitz wollte klarstellen wie eine Degenerierung der sozialistischen Revolution verhindern werden könnte. Der Arbeiterbund kritisierte sehr stark die Anbiederung der DKP an die Gewerkschaftsbürokratie und lehnte den „friedlichen Übergang zum Sozialismus“ als illusionär ab. Dennoch war der Arbeiterbund damals keine weltfremde Sekte. Ab April 1973 gab der Arbeiterbund die Zeitung „ Der Rote Landbote“ heraus. Verantwortlich für den Inhalt war natürlich Haugwitz. Viele Berichte befassten sich mit „ betrieblichen Schweinereien“ im Werk Gendorf in Burgkirchen aber auch bei der Wacker Chemie in Burghausen. Die auf Initiative von Haugwitz ins Leben gerufene Zeitung „ Der rote Chemiearbeiter“ erschien jedoch nur kurz. Der Plan von Haugwitz in Gendorf und Burghausen ( Wacker Chemie) Betriebsgruppen zu schaffen ging nicht auf. Bezüglich der Wacker Chemie kam Haugwitz schlicht zu spät. Die KPD/ML hatte zwischen 1971 und 73 dort eine ultralinke Betriebsgruppe. Die Gruppe wurde durch die Geschäftsleitung in Burghausen enttarnt. Kein Arbeiter wollte gefeuert werden. Haugwitz wurden nur gelegentliche Infos zugesteckt. Im Jahr 1978 trennten sich die Wege von Haugwitz und des Arbeiterbundes. Haugwitz befand das 1977 erschienene Werk des DDR Dissidenten Rudolf Bahro ( Die Alternative) lesenswert. Er wollte diese Sache diskutieren. Das wurde ihm im AB verweigert. Nach dem Abgang von Haugwitz zerlegte sich der Arbeiterbund in Altötting. Daran konnte auch die vom AB vorgenommene Kaderverschickung nach Altötting nichts ändern. Ein Erich Grun hatte kurz in der örtlichen DGB Jugend in Altötting für den Arbeiterbund einige Jugendliche rekrutiert. Er selbst machte nach einem Jahr aber Schluss mit der Politik. Dagmar Sinn konnte die Jugend welche Harald Haugwitz hatte nicht halten. Der Schwerpunkt der Arbeiterbund Aktivitäten verlegte sich ab 1978 nach Waldkraiburg.

Die KPD/ML im Landkreis Altötting

Seit 1971 verteilt die KPD/ML regelmäßig Flugblätter vor dem Eingang der Wacker Chemie in Burghausen. Die Flugblätter beschäftigen sich nicht nur mit der zentralen politischen Linie der KPD/ML sondern sie greifen durchaus auch innerbetriebliche Probleme auf. Auch im Burghauser Jugendzentrum versucht die Gruppe ebenfalls Fuß zu fassen. Dies gelingt ihr aber nicht. Hans Steindl von den Jusos wusste dies zu verhindern. Insgesamt dürfte die KPD/ML in Burghausen damals knapp 10 Mitglieder gehabt haben. Im Stadtbild konnte man allerdings einen anderen Eindruck gewinnen. Die „ Rote Garde“ Burghausen plakatierte jeden Trafokasten und jede Telefonzelle zu. Überall wurde auf Plakaten und Spuckies zur Revolution aufgerufen. Werbung für den „ Roten Morgen“ war damals im Stadtbild omnipräsent. Die Burghauser Bürgerschaft war sichtlich verwirrt. Seit 1972 war die KPD/ML im Landkreis nachhaltiger Repression ausgesetzt. Die Bosse der Wacker Chemie feuerten innerhalb eines Jahres drei Mitglieder der KPD/ML aus dem Betrieb. Seit dem Jahr 1972 machten sich auch die Staatsorgane daran die KPD/ML zu verfolgen. Dafür gab es zwei Gründe: Mitglieder der KPD/ML verteilten vor einer Bundeswehrkaserne in Traunstein Flugblätter. Darin wurden die Soldaten und Rekruten aufgefordert: „ Befehle zu verweigern“ und „ die Gewehre umzudrehen“. Die Staatsanwaltschaft wertete dies als Straftatbestand. Ebenfalls als Straftatbestand wurde die Besetzung eines geschlossenen Kinos in Töging am Inn gewertet. Dort hatten Mitglieder der „ Roten Garde“ das Gebäude besetzt und es zum revolutionären Arbeiterjugendzentrum“ erklärt. Bilder von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao wurden aus dem Fenster gehängt. Die Polizei beendete nach kurzer Zeit die Besetzung. Der SPD Bürgermeister Max Saalfrank leitete persönlich diese Aktion. Dabei ohrfeigte der robuste Saalfrank einige ihm bekannte Jugendliche aus Töging im Juni 1972. Die Besetzung des Kinos galt als erste bundesdeutsche Hausbesetzung.Insgesamt wurden 9 Mitglieder der Roten Garde in Mühldorf am Inn im Winter 1972 -73 angeklagt. Von den Angeklagten war nur einer Volljährig. Das Gericht verhängte Jugendstrafen. Einige junge „ Rotgardisten“ mussten an 6 Wochenenden in die Haftanstalt nach Laufen. Die KPD/ML forderte bundesweit zur Solidarität mit den „ revolutionären Helden im bayerischen Chemiedreieck“ auf. In Burghausen führen die Sympathisanten der KPD/ML und die Rote Garde (RG) eine Demonstration Anfang Juni gegen den Prozess gegen sie in Mühldorf durch. Rund 800 Anhänger der KPD/ML marschierten unter roten Fahnen mit Hammer Sichel und Gewehr durch Burghausen. Gerufen wurde u,a. „ Sieg, Sieg, Sieg im Volkskrieg“. Die Abschlusskundgebung auf dem Burghauser Stadtplatz war surreal. Die Redner sprachen von der „bevorstehenden Revolution“. Dabei ignorierten sie völlig ihre Isolierung. Die Bürger Burghausens schlossen die Fensterläden. Einige flüchteten sogar nach Altötting zur „ Mutter Gottes“. Die Mischung aus Sektierertum und staatlicher Repression zerstörte die KPD/ML am Jahresende 1973 im Landkreis Altötting. Die jungen Mitglieder der „ Roten Garde“ waren nicht geschult und neben der staatlichen Repression dem Druck ihrer Familien ausgesetzt. Der Rest schloss sich dem Arbeiterbund in Altötting an.

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.

Max Brym arbeitet z.Z. an zwei Projekten: Einmal am 2. Band der Triologie „Verrat in München und Burghausen“. Den ersten Band könnt ihr unter http://www.bookra-verlag.de/b17.html finden.

Parallel dazu  steckt er mitten in den Arbeiten zu „Mao in Altötting und Waldkraiburg“.