Stellungnahme des Arbeitskreises kritischer
Jurist_innen Frankfurt (akj ffm)
zum Gastbeitrag „Die Flüchtlingskrise kann
rechtsstaatlich bewältigt werden“ der Professoren
Peukert,
Hillgruber,
Foerste
und Putzke
auf FAZ.net vom
09.02.2016.
In ihrem Gastbeitrag
fordern die Professoren Peukert,
Hillgruber,
Foerste
und Putzke
die Schließung der
EU-Binnengrenzen Deutschlands und behaupten, das
Unionsrecht stehe einer Schließung nicht ent-gegen. Sie
sei nach deutschem Recht vielmehr „geboten“. Die
vorgetragenen rechtlichen Argumente sind dabei
bestenfalls einseitig und vom politischen Ziel der
Abschottung getragen.
Gestützt wird die
Position auf eine fehlgeleitete Deutung von Art. 20
Abs. 4 der Dublin-III-VO, die den innereuropäischen
Umgang mit Anerkennungsverfahren regelt, sowie Art. 13
Abs. 4 Grenzkodex des Schengen-Abkommens. Danach könne
sich Deutschland für die Durchführung des
Anerkennungsver-fahrens für Schutzsuchende für
unzuständig erklären, weil die Einreise aus Österreich
nur de facto
und nicht de
iure erfolgt sei,
was eine Zuständigkeit Österreichs begründe.
Das dehnt die zitierte
Regelung unzulässig aus. Art. 20 Abs. 4 Dublin-III-VO
regelt eine genau be-grenzte Fallkonstellation: wenn
ein Antrag auf internationalen Schutz in einem
Mitgliedstaat der EU gestellt wird und sich die
antragstellende Person zu dieser Zeit
in einem anderen
Mitgliedsstaat aufhält. Der Regelungsgehalt lautet,
dass in diesem Fall der Mitgliedsstaat zuständig ist,
in dem sich die antrag-stellende Person
tatsächlich
aufhält. Dieser enge Anwendungsbereich von Art. 20 Abs.
4 Dublin-III-VO soll durch den zweifelhaften Rückgriff
auf Art. 13 Abs. 4 Schengener Grenzkodex ausgeweitet
werden (ausführlich dazu Lehner
verfassungsblog.de v.
26.02.2016). In der Konstruktion der vier Pro-fessoren
erscheint das Grenzgebiet zwischen Deutschland und
Österreich dann aber als zuständigkeits-freier „Orbit“,
in dem sich die beteiligten Staaten je darauf berufen
könnten, der jeweils andere Staat sei zuständig. Das
verkennt einerseits, dass das kooperativ angelegte
Dublin-System gerade keine einseitige Zurückweisung von
Asylsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat erlaubt –
vor einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedsstaat
muss dieser der Rückschiebung zustimmen. Andererseits
degradieren die vier Autoren Schutzsuchende zu einem
passiven Objekt nationalstaatlicher
Kompetenzstreitigkeiten.
Der akj
kritisiert diese stark
konstruierte Auslegung formaler
Zuständigkeitsregelungen als politisch motivierten
Versuch, das materielle Recht auf internationalen
Schutz in Deutschland weiter auszuhe-beln. Besonders
kritikwürdig ist daran, dass die vier Autoren „das
Recht“ für ihre politischen Ziele in Anspruch nehmen
und die politisch motivierte Grenzschließung als
„Rückkehr zum Recht“ darstellen. Wie schön wäre es
doch, wenn Deutschland zur Rückschiebung rechtlich
verpflichtet wäre. Um dieser mehr als zweifelhaften
Konstruktion den Schein des geltenden Rechts zu
verleihen, instrumentalisieren
die Autoren ihre
Autorität als Rechtsprofessoren. Ihr Status soll ihre
besondere Kompetenz bei der Aus-legung komplizierter
Rechtsnormen untermauern. Ihren Ausführungen kann
ohnehin kein Laie folgen, sie*_er* wird deshalb in der
Regel den Herren Professoren vertrauen. Das aber wäre
falsch. Mindestens drei der vier Autoren sind im Asyl-
und Migrationsrecht nicht vom Fach – sie forschen in
anderen Rechtsgebieten und haben zum (europäischen)
Asyl- und Flüchtlingsrecht bis zu ihrer jetzigen
Stellung-nahme keine Zeile geschrieben. Ihre
„praktische Vernunft“ beschränkt sich auf die
Herabsetzung von Schutzsuchenden auf ungewollte
Objekte, die man irgendwie loswerden muss. Der Beitrag
der Autoren ist gerade im Kontext einer politisch
aufgeheizten Debatte, die durch Populismus und
Autoritätshörig-keit geprägt ist, nicht als
„rechtspositivistisch“ oder streng akademisch zu
verstehen, sondern flankiert und verbrämt rassistische
Positionen, weshalb er diskursiv gesehen Teil dieser
Positionen wird. Das ist das Problem ihrer Ausführungen
und nicht etwa, dass ihre „Argumente schwer zu
verstehen“ wären.
Ihr
Plädoyer für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wäre
nur dann ernst zu nehmen, wenn die Autoren nicht nur
ihre akademische Autorität ausspielten, um eine
politische Agenda zu verfolgen, sondern wenn sie
Partizipationsrechte für die an der Grenze von Gewalt
und Herabwürdigung betroffenen Newco-mer*innen
einforderten. So aber bleiben die demokratischen
Appelle leere Phrasen eines überholten
nationalstaatlichen Verständnisses von Demokratie und
Recht.
Der Arbeitskreis
kritischer Jurist_innen an der Universität Frankfurt
per Email
am 2.3.2016 |