Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Geschenke an die Unternehmen
Gegenleistungen? My ass!

 

03-2014

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Der Mann hat wahrlich einen Sinn für Nuancen. „Es handelt sich nicht um ein ,Geschenk an die Bosse‘, sondern an die Unternehmen“, reagierte Frankreichs Arbeits- und Sozialminister Michel Sapin am 09. Februar 14 auf verbreitete Kritiken. (Vgl. http://www.lemonde.fr/ ) Natürlich, logisch, „die Unternehmen“ können aus seiner Sicht nicht etwa mit dem egoistischen Interesse der Kapitalinhaber identifiziert werden – nicht doch -, sondern man muss sie sich als „menschliche Gemeinschaften“ vorstellen. In letzteren gebe es bisweilen „divergierende Interessen“, aber „eine Konvergenz durch Win-Win-Kompromisse“ und „sozialen Dialog“ sei möglich. Konvergenz ist machbar, Herr Nachbar.

Sapin, der ansonsten vor allem durch seinen fantasievollen Umgang mit wachsenden Arbeitslosenzahlen – in seinen öffentlichen Reaktionen schafft er es noch immer, irgendwelche Tendenzumkehrungen zu erkennen – bekannt ist, reagierte mit seinen Aussprüchen auf die heftige Kritik aus Gewerkschaftskreisen auf den „Pakt für Verantwortung“. Letzteren hatte Präsident François Hollande am 31. Dezember 13 in seinen Neujahrsgrüßen erstmals in Aussicht gestellt. Konturen nahm er anlässlich von Hollandes Pressekonferenz am 14. Januar dieses Jahres an. Prosaisch ausgedrückt, geht es dabei um nichts anderes, als die so genannte „Belastung“ der Unternehmen durch Steuern, aber vor allem durch Sozialabgaben nochmals um dreißig Millionen Euro jährlich zu senken. Bis in drei Jahren sollen die Unternehmensabgaben an den „dritten Zweig“ des französischen Sozialversicherungssystems – neben Arbeitslosen- und Rentenkasse -, aus dem u.a. Wohngeld für Geringverdienende sowie Kindergeld bezahlt werden, komplett verschwinden.

Bereits einmal waren die so genannten Lohnnebenkosten für Unternehmen in Frankreich um zwanzig Milliarden jährlich abgesenkt worden. Und zwar durch die „Beschlüsse zur Wettbewerbsfähigkeit“, die Anfang November 2012 verkündet worden waren. Damals hatte Louis Gallois, ein ehemaliger Unternehmensleiter u.a. bei Airbus und bei der französischen Bahngesellschaft SNCF, einen Untersuchungsbericht zum Thema Steigerung ebendieser Wettbewerbungsfähigkeit vorgelegt. Alle Welt erwartete, dass der dickleibige Abschlussbericht der von Gallois geleiteten Kommission in den Schubladen verschwinden und verstorben werde, wie so viele Berichte vor ihm unter so vielen verschiedenen Vorgängerregierungen. Doch weit gefehlt. Die regierende französische Sozialdemokratie legte gesteigerten Wert darauf, nur nicht als kapitalfeindlich und „Wirtschaftshemmnis“ dazustehen.

Irgendwelche nachprüfbaren Gegenleistungen (ach, welch garstig Wort!) von der Kapitalseite waren schon damals nicht vorgesehen. Ansonsten hätte man ja wohl erwarten können, selbst Sozialdemokraten und Grüne seien in der Lage und gewillt, ein paar halbwegs vorteilhafte Handlungen – vielleicht Arbeitsplätze für junge Leute, Entwicklungen im Umweltschutz oder den Verzicht auf Massenentlassungen vielleicht – im Gegenzug für solche Erleichterungen des Kapitals zu erwarten. Alles, was dem amtierenden Premierminister Jean-Marc Ayrault einfiel, war allerdings die Einrichtung einer „Beobachtungsstelle für die Praktiken der Unternehmen“. Diese wird ihren Bericht im Jahr 2017 vorlegen, also just im Superwahljahr, indem Präsident und Parlament zum nächsten Mal gewählt werden. Der Rapport wird also garantiert saumäßig kritisch ausfallen.

Nun geht die Regierung, deren Politik man ganz offensichtlich nicht einmal mehr als sozialdemokratisch – geschweige denn keynesianisch – bezeichnen kann, also mit dem oben genannten „Pakt“ noch einen zusätzlichen Schritt weiter in dieselbe Richtung. Als tröstende Worte fiel dem bereits erwähnten Minister Sapin eine Formulierung dazu ein: „Dies ist kein Pakt mit dem Teufel.“ (Vgl. http://www.lefigaro.fr/) Das war als Entgegnung auf die CGT gemeint, deren aktueller Vorsitzender Thierry Paon sich nicht allzu begeistert von den neuen Vorteilen für die Unternehmen zeigte. Ansonsten bleiben aber auch die Gewerkschaften in ihren Reaktionen zahnlos und stecken in der Defensive fest. Versuche der CGT, am 06. Februar 14 zu Demonstrationen zum Thema zu mobilisieren, waren schlecht vorbereitet – und im Ergebnis ein echter Flop. (Vgl. http://social.blog.lemonde.fr )

Vier von acht Dachverbänden und Zusammenschlüssen französischer Gewerkschaften, unter ihnen die CGT – als stärkster Verband - rangen sich im Januar zu einer gemeinsamen Erklärung durch. Das absolut harmlose Papier beschränkt sich darauf, ein paar „Gegenleistungen“ des Kapitals einzufordern. Da war es doch wieder, das böse Unwort! Auch vom linken Parteiflügel der französischen Sozialdemokratie kamen einige Wochen später, zaghaft vorgetragen, ähnliche Töne. Dem obersten Arbeitgeberpräsidenten Pierre Gattaz – Sohn des früheren Arbeitgeberpräsidenten Yvon Gattaz, zu Zeiten, als der Verband Medef noch CNPF (Nationaler Rat der französischen Patrons) hieß - missfiel es so sehr, dass er Präsident Hollande am 11. Februar 14 seinen Staatsbesuch in den USA – auf welchem er ihn persönlich begleitete – versauen musste. Vor Kameras und Mikrophonen fauchte der Boss der Bosse, auf nordamerikanischem Boden auf das Thema angesprochen: „Man muss vor allem damit aufhören, die Wirtschaft durch Zwänge verwalten zu wollen. Wenn ich heute von Gegenleistungen in diesem Pakt reden höre, dann höre ich auch Leute, die zu mir zu sagen: ,Wir werden Sie zwingen, wir werden Sie verpflichten, wir werden Ihnen Strafen auferlegen.‘ Man muss mit diesen Reden aufhören, das ist unerträglich!“ Gegenleistungen? My ass!

Gattaz war dermaßen erzürnt, dass ein geplanter Auftritt mit ihm bei einer Pressekonferenz in Washington kurzfristig abgesagt wurde. „Aus diplomatischen Gründen“, wie es hieß, ohne dass dieselben näher erläutert worden wären. ( Vgl. http://actu.orange.fr/ und http://www.lemonde.fr/ )

François Hollande und andere Regierungspolitiker waren nicht sehr zufrieden und kritisierten Gattaz dafür, dass ihm der Sinn für den sozialen Dialog (hihi) ein bisschen abgehe. (Vgl. http://www.lemonde.fr/) Pierre Gattaz ruderte daraufhin verbal zurück. Am Mittwoch, den 12. Februar äußerte er sich gegenüber Journalisten in dem Flugzeug, das François Hollande, Industrieminister Arnaud Montebourg und ihn selbst von New York nach San Francisco und in Richtung Silicon Valley transportierte.

Dieses Mal wollte er eventuelle Gegenleistungen nicht mehr „ausgeschlossen“ wissen, sondern wollte sich gerne dazu herablassen, einige „Programmziele“ zu definieren. Letztere sollen dann die Unternehmen tunlichst erfüllen, nachdem ihre (schluchz) „Belastung“ durch Steuern und Sozialabgaben einmal gesenkt worden ist. Aber Vorsicht: „Programmziele“ sind solche, die man gerne in Sonntagsreden anruft. Bereits im Januar 2014 hatte Gattaz, in einer ersten Reaktion auf François Hollandes Ankündigungen zum „Pakt“, in einer Anwandlung von Enthusiasmus angekündigt, man könne „eine Million Arbeitsplätze“ schaffen. – wenn es nur den Unternehmen gut gehe. Satirische Medien wie die Puppensendung ,Les Guignols de l’info’ reagierten, indem sie Pierre Gattaz sagen ließen: „Eine Million Arbeitsplätze, ja zwei Millionen, drei Millionen – warum denn nicht? Wie, was, Bezahlung? Aber wer hat denn von ,Bezahlung’ gesprochen?“

Arbeitgeberlager findet drei gewerkschaftliche Sparringspartner für Unterschrift

Es gibt Leute und es gibt Dinge, auf die ist eben Verlass. Dazu gehört der hemmungslose Rechtsopportunismus der CFDT, also des rechtssozialdemokratisch geführten zweitstärksten Gewerkschafts-Dachverbands in Frankreich (hinter der CGT).

Zusammen mit zwei kleineren Gewerkschaftsverbänden, als da wären die CFTC (Christenheinis, pardon: christlicher Gewerkschaftsbund) und CFE-CGC (Vertretung der höheren und leitenden Angestellten) unterzeichnete die CFDT-Spitze am Abend des Mittwoch, den 05.03.14 eine Vereinbarung. Diese wurde mit den drei Verbänden des Arbeitgeberlagers geschlossen: Medef, CGPME, UPA. Hingegen lehnen die anderen Gewerkschaftsdachverbände – die CGT und FO - sowie der Zusammenschluss der Basisgewerkschaften „Union Syndicale Solidaires“ die Vereinbarung strikt ab.

Gegenstand der Vereinbarung ist die Unterstützung für den so genannten „Pakt der Verantwortung“.

Das Abkommen sieht nunmehr – um das Wort endlich doch noch zu benutzen - „Gegenleistungen“, in Form der Schaffung von Arbeitsplätzen, vor. Als verbale Absichtsbekundungen. Denn festgelegt ist gar nichts, konkrete Zahlen tauchen keine auf. Das Nähere sollen dann spätere Branchenvereinbarungen regeln, auf die im Text verwiesen wird. (Vgl. http://www.lemonde.fr/ Arbeitgeberseite verwies am Abend des 05. März und Vormittag des 06. März gleich darauf, alles Weitere hänge natürlich „vom konkreten wirtschaftlichen Kontext“ der kommenden Monate (und Jahre) ab. Hihi…

Als Studiogast bei ,Radio France Inter’ verwies der französische Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon am Donnerstag früh, den 06.03.14 auf eine frühere Erfahrung mit vergleichbaren Versprechungen der „Schaffung von Arbeitsplätzen“ als Pendant zu Geschenken an die Arbeitgeberseite. Vor nunmehr fünf Jahren erreichten die Arbeitgeber im Hotel- und Gaststättengewerbe, dass die französische Regierung in Brüssel die Senkung der Mehrwertsteuer in ihrem Sektor durchsetze. Damit einhergehend wurde die Schaffung von mehreren Zehntausenden Arbeitsplätzen versprochen; ungefähr 5.000, kaum ein Achtel der in Aussicht gestellten Arbeitsplätze, ist entstanden.

Am 18. März 14 werden in Paris und zahllosen anderen Städten Frankreichs u.a. die CGT, FO, die Union syndicale Solidaires und Andere gegen den so genannten ,Pakt für Verantwortung’ protestieren.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe