Am 14. März 2003 kündigte
der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die
sogenannte Agenda 2010 an: ein neoliberales Programm
des Sozialabbaus, zu dem neben Hartz IV etliche
Beschneidungen von Arbeitnehmerrechten, verringerte
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie
die Senkung des Rentenniveaus zählen. Die Auswirkungen
dieser „Reform“ sind auch in Köln spürbar – als
massive Verschärfung der sozialen Lage von
Erwerbslosenlosen ,GeringverdienerInnen und
ArmutsrenterInnen. „Das Hartz IV-System“ mit seinen
rigiden Sanktionen bedeutet für viele Menschen Armut
und Ausgrenzung per Gesetz.
Pünktlich zum „ Jubiläum“
veröffentlicht das Jobcenter Köln seine Jahresbilanz
2012. (KStA v. 04.03.2013).
Deutlicher als dort kann die
Bestätigung sämtlicher Kritik am „System Hartz IV“ nicht
belegt werden!
Derzeit liegen der
Arbeitsagentur also 6615 gemeldete offene Stellen vor.
Nach Aussage der Agentur stehen dem 50 173 Arbeitslose
gegenüber. Da werden natürlich die tatsächlichen
Erwerbslosenzahlen statistisch schön gerechnet. Kranke
Erwerbslose und solche in „Maßnahmen“ usw. tauchen hier
nicht auf. Tatsächlich beträgt die Zahl der Erwerbslosen
in Köln ca. 94 000 Menschen. Dabei ist die „ Grauzone“
derjenigen, die es aufgeben haben, um Transferleistungen
zu betteln und stattdessen Flaschen sammeln oder die zu
„vermögend“ sind oder deren LebenspartnerIn
gezwungenermaßen für Erwerbslose aufkommen, nicht
berücksichtigt.
Die ganze Begleitmusik
von der Mär vom „ faulen Arbeitslosen“, der sich in der
sozialen Hängematte ausruht und „ wer Arbeit sucht, der
findet sie auch „ wird angesichts dieser Zahlen ad
absurdum geführt.
Dabei sollte es doch
eigentlich eine einfache Aufgabe sein, bei mehr als 100
000 Arbeitsuchenden 6615 offene Stellen zu besetzen.
Warum also dieser Riesenaufwand zur „Eingliederung“, die
Herausbildung eines monströsen bürokratischen Apparats,
der seit Jahren dreistellige Millionensummen, jährlich,
allein in Köln verschlingt?
Diese Frage führt uns zum
eigentlichen Kern der sog. „ Reform“.
Soeben (14.03.2013)
flimmerte Edmund Stoiber im ZDF mit seiner Laudatio auf
„ Hartz IV“ über den Bildschirm. Im Beisein von Gerhard
Schröder, der ihn zustimmend zu nickte, führte er aus,
dass mit ihm als Kanzler diese „ Reform“ nicht
politisch hätte durchgeführt werden können. Da hat er
Recht! Es bedurfte der SPD und der mit ihr verbundenen
Gewerkschaftsbürokratie, nicht nur, um „ Hartz IV“ zu
entwickeln, sondern auch, um den Widerstand dagegen
klein zu halten und zu spalten. Sie und die mit ihnen
verbündeten Grünen haben „ Hartz IV“ verbrochen und das
sollten wir nie vergessen!
Die SPD, als Sachwalterin
der Interessen des Kapitals, hat die Lehren aus der
Niederlage in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts
auf ihre Art gezogen. Millionen von Erwerbslosen trafen
sich damals wöchentlich in langen Schlangen vor den
Stempelstellen. Hier konnte Solidarität und „Unruhe“
entstehen.
Mit dem „ System Hartz IV“
-
werden Erwerbslosen
vereinzelt und damit Solidarisierungsmöglichkeiten
erschwert,
-
ihnen wird eingeredet,
dass sie selbst versagt haben und deshalb Schuld an
ihrer Lage seien,
-
sie werden einem
monströsen Apparat der „ Verfolgungsbetreuung“
ausgeliefert, der zu KEINEM Ergebnis im Sinne von
Arbeitsvermittlung führt. Erwerblose sind „Kunden“ des
Jobcenters. Und welche Firma verliert schon gerne ihre
Kunden?
-
Soziale Institutionen, die
ehemals die „natürlichen Verbündeten“ vom Armen waren,
hängen sich an den finanziellen Tropf der Jobcenter
und werden zu deren Zuträgern und damit Teil des
Systems.
-
die „ öffentliche Meinung“
wird gezielt gegen Erwerbslose aufgehetzt.
Jeglicher Widerstand soll so
gebrochen werden.
Das Damoklesschwert „ Hartz
IV“, dass über den Köpfen der Noch- Erwerbstätigen
aufgehängt wurde, verfehlt natürlich auch bei diesen
nicht ihre Wirkung. Seit zehn Jahren sind die Löhne real
nicht gestiegen. Der Umverteilungsprozess von unten nach
oben ist gigantisch.
Gegenwehr ist möglich! Sie
findet täglich an vielen Orten in und vor den Jobcentern
und bei den „Maßnahmeträgern“ statt. Die viele kleinen
Initiativen in denen sich bundesweit Erwerbslose
zusammenschließen und deren Aktionen zeigen Wirkung.
Nicht umsonst steht die soziale Spaltung der
Gesellschaft, UmFairTeilen, Mindestlohn, Vermögensteuer
ganz oben auf der Themenliste der kommenden
Bundestagswahlen.
Wir werden „Hartz IV“ nicht
mit dem Stimmzettel „abwählen“. Notwendig ist vielmehr
die Verstärkung des Widerstands gegen die Übergriffe der
Bürokratie in Form der verfassungswidrigen Sanktionen
und die fortwährende Skandalisierung der Polizeifunktion
in die sich Sozialverbände als „ Maßnahmeträger“ begeben
haben, sowie der Unterstützung der passiven und aktiven
Gegenwehr eines Teils der Beschäftigten dort. Die
erhöhte Aufmerksamkeit, während des Wahlkampfs sollte
hierfür genutzt werden.
Wenn der Geschäftsführer des
Kölner Jobcenters in dem erwähnten Artikel des Kölner
Stadtanzeigers ein „strukturelles Problem“ beklagt, kann
man ihm nur Recht geben. Die „Strukturen des System
Hartz IV“ müssen aufgelöst werden und es muss eine
radikale Umorientierung der Arbeitsmarkpolitik
stattfinden, deren zentrale Achse die Verkürzung der
täglichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich sein
muss.
Manfred Müller
Linke
Erwerbslosenorganisation ( L.E.O.)
15.03.2013
Editorische Hinweise
Wir
erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.
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