Der griechische Journalist Moisis Litsis wird zur Zielscheibe der faschistischen „Goldenen Morgenröte“

03-2013

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als wir uns im September letzten Jahres in Griechenland aufhielten, trafen wir auch Moisis Litsis. Er hat uns sehr engagiert und kenntnisreich über die soziale und politische Lage in Griechenland informiert. In unseren Gesprächen wies Moisis immer wieder auf die Gefahren durch die „Goldene Morgenröte“ hin – einer Partei, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennt. Diese hat damit begonnen, eine faschistische Massenbewegung in Griechenland aufzubauen. Dabei verfügt sie über erhebliche Unterstützung aus der Polizei. In Athen haben beispielsweise 50 Prozent der Polizisten bei der letzten Wahl dieser faschistischen Partei ihre Stimme gegeben. Bei Übergriffen auf Flüchtlinge und Andersdenkende können die Schlägertrupps der „Goldenen Morgenröte“ auf das Wohlwollen der Polizei und in vielen Fällen auf deren direkte Unterstützung bauen.

Jetzt wurde Moisis Litsis zur Zielscheibe der griechischen Faschisten. Moisis Litsis ist auch Gründungsmitglied des CAMDT (Comité pour l’Annulation de la Dette du Tiers Monde / Ausschuss für die Abschaffung der Schulden der Dritten Welt). Diese Organisation arbeitet in zahlreichen Staaten Europas (Belgien, Frankreich, Schweiz, Spanien, Portugal) sowie in Asien, Afrika uns Südamerika.

Aus einer Erklärung der CAMDT:

Griechenland: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ (Brecht, Arturo Ui)

Das Neonazi-Magazin „Stohos“ veröffentlichte eine „biographische Notiz“ zu Moisis Litsis, in der alle seine gewerkschaftlichen und politischen Aktivitäten in den letzten beiden Jahrzehnten aufgeführt werden. Unter der Überschrift „ESIEA (die Journalistengewerkschaft) hat einen Juden als Schatzmeister“ behauptet das rassistische Pamphlet weiter: „Er spricht perfekt Hebräisch, er liebt Israel, obwohl er behauptet Antizionist zu sein (aber wer würde ihm glauben) …Auf Generalversammlungen von ESIEA verbreitet sich Moisis Litsis – anstatt über Probleme zu sprechen, die griechische Journalisten betreffen - über den Holocaust und die Notwendigkeit die Goldene Morgenröte zu verurteilen...“

Unser Kollege Moisis Litsis wurde öffentlich an den Pranger gestellt und wird damit direkt bedroht. Aber der Angriff gilt nicht nur ihm:

  • Getroffen werden sollen alle Journalisten, die sich kritisch mit dem wachsenden politischen Einfluss von rassistischem und faschistischem Gedankengut auseinandersetzen.

  • Getroffen werden sollen auch die Ärzte und Ärztinnen, die in den sozialen Gesundheitszentren nicht nur verarmte griechische Bürger, sondern auch mittellose Flüchtlinge umsonst behandeln.

  • Getroffen werden sollen Lehrer und Lehrerinnen, die den Aktivitäten der „Goldenen Morgenröte“ an den Schulen entgegentreten.

Wie ihr Vorbild, die NSDAP, bekämpft die „Goldene Morgenröte“ die kollektive, gewerkschaftliche Interessenvertretung der Lohnabhängigen. Am 2. Mai vor 80 Jahren stürmte die SA die Gewerkschaftshäuser – das Ende freier und unabhängiger Gewerkschaften in Deutschland.

Mit deutschen Neonazis hält die „Goldene Morgenröte“ enge Beziehungen. Führende Kader der „Freien Kameradschaften“ aus Franken waren im Januar 2013 auf dem Parteitag der „Morgenröte“ in Athen und nahmen an deren „Imia-Marsch“ teil. Im Stile der SA zogen sie durch die Straßen Athens. Auf der Internetseite der fränkischen Neo-Nazis „Freies Netz Süd“ schreiben sie: „Den deutschen Nationalisten, welche der Einladung der Partei nach Athen folgen durften, wurde an diesem Wochenende mehr als bewusst, dass sich Chrysi Avgi durchaus als Speerspitze eines nationalen Erwachens in ganz Europa verstehen darf.“

Leider haben die deutschen Neo-Nazis in diesem Punkt Recht. Die Spardiktate der Troika haben große Teile der griechischen Bevölkerung in die Verelendung getrieben. Mit fortschreitender Dauer und Intensität der Krise wächst die Hoffnungslosigkeit – verstärkt durch eine Regierungspolitik, in der zunächst soziale und tarifliche Rechte beseitigt wurden und nun der gewerkschaftliche Widerstand mittels Notverordnungen, Streikverboten und Zwangsverpflichtungen unterdrückt werden soll. Die Hoffnungslosigkeit bildet den Nährboden für die rassistischen und faschistischen Demagogen.

Wir bitten unsre Kolleginnen und Kollegen: Unterstützt den gewerkschaftlichen Widerstand in Griechenland gegen die Diktate der Troika und die entsprechenden Sparbeschlüsse der griechischen Regierung und solidarisiert euch mit dem antifaschistischen Widerstand!

Solidaritätserklärungen für die griechische Journalistengewerkschaft ESIEA und für Moisis Litsis (bitte möglichst in englischer Übersetzung) an: litsism@ath.forthnet.gr und rinfo@esiea.gr

Bitte Cc. an Manfred.Klingele@t-online.de

  • Im Anhang findet ihr die vollständige Erklärung des CAMDT sowie ein Brief von Moisis Litsis an die Reisegruppe.

Direkte rassistische Drohungen der Nazipartei Goldene Morgenröte gegen das Gründungsmitglied von CADTM Griechenland Moisis Litisis

Griechenland: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ (Brecht, Arturo Ui)

Als Antwort auf die direkten rassistischen Drohungen der Nazipartei Goldene Morgenröte gegen das Gründungsmitglied von CADTM Griechenland Moisis Litisis möchte das internationale CADTM-Netzwerk unterstreichen, wie real die Gefahr des aufkommenden Faschismus ist; eine Entwicklung, die die direkte Konsequenz der sozialen Verschlechterung ist, die aufgezwungen wird von Gläubigern, denen die Bedienung öffentlicher Schulden wichtiger ist als grundlegende Menschenrechte.

Das Neonazi-Magazin „Stohos“ veröffentlichte eine „biographische Notiz“ zu Moisis Litsis, in der alle seine gewerkschaftlichen und politischen Aktivitäten in den letzten beiden Jahrzehnten aufgeführt werden. Unter der Überschrift „ESIEA (die Journalistengewerkschaft) hat einen Juden als Schatzmeister“ behauptet das rassistische Pamphlet weiter: „Er spricht perfekt Hebräisch, er liebt Israel, obwohl er behauptet Antizionist zu sein (aber wer würde ihm glauben)! …Auf Generalversammlungen von ESIEA verbreitet sich Moisis Litsis –anstatt über Probleme zu sprechen, die griechische Journalisten betreffen- über den Holocaust und die Notwendigkeit die Goldenen Morgenröte zu verurteilen...“

Die stetige Verschärfung der sozialen und ökonomischen Krise ermöglicht es der extremen Rechten Ausländer zu verteufeln (Einwanderer, Asylbewerber). Sie benutzt den Antisemitismus um Sündenböcke zu finden und die wahren Ursachen der Probleme des griechischen Volkes hinter einer Nebelwand zu verbergen. Die brutalen Sparmaßnahmen, die von der Troika dem griechischen Volk aufgezwungen werden, bringen viele dazu neue Wege damit umzugehen zu suchen und zu finden, wobei sie nicht immer davor gefeit sind, die dunklen Pfade des Faschismus zu betreten.

Es muss jedoch daran erinnert werden, dass das Ziel der Goldenen Morgenröte, einer rassistischen, gewalttätigen und Progrome anstiftenden Organisation, ist, jegliche gewerkschaftliche, politische und kulturelle Vereinigung der Arbeiter zu zerstören, den Widerstand aller Bürger zu brechen, das Recht anders zu sein abzuschaffen, sowie alle diejenigen auszulöschen, die anders oder schwächer sind, was die physische Auslöschung einschließt.

Diese rassistische, rückwärtsgerichtete, autoritäre und diskriminierende Gegenreaktion ist eine der besorgniserregendsten Auswirkungen des ablaufenden Prozesses, mit dem Kreditgeber unseren Sozialstaat zerstören nur um größtenteils illegitime Schulden einzutreiben.

Das internationale CADTM-Netzwerk möchte aufs Neue ihre vollständige Solidarität mit dem griechischen Volk ausdrücken in seinem Kampf für Souveränität, gegen die Sparpolitik, für die Durchsetzung seiner Rechte und die Streichung der verhassten und mörderischen Schulden.

Wir schließen uns den vielen Stimmen in der ganzen Welt gegen den Aufstieg des Faschismus in Europa an. Unser Kampf gegen die Sparmaßnahmen zur Rückzahlung der öffentlichen Schulden kann nicht von dem Kampf gegen den Faschismus in Europa getrennt werden.

Unsere Solidarität gilt Moisis Litsis, der griechischen CADTM und all den linken Kräften, die die Sparpolitik und das sie ausbrütende System bekämpfen.

CADTM international

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Brief von Moisis Litsis vom 8. November 2012:

Liebe Genossen,

ich will versuchen euch über die jüngste Entwicklung in Griechenland zu informieren. Gestern war ein großer Tag. Über 100.000 Menschen versammelten sich vor dem Parlament, in dem die Abgeordneten das neue Memorandum diskutierten, das nur aus einem einzigen Artikel bestand (!!!), der 700 Seiten lang war und an die Parteien am Morgen verteilt worden war - parlamentarische Demokratie von ihrer besten Seite! Wenn es nicht geregnet und es keine Provokationen von Molli-Werfern im Namen das "Anarchismus" gegeben hätte, hätten die Menschen die ganze Nacht bleiben können. Was auch noch ermutigend war, war, dass in der Demonstration die Anhänger von Syriza, KKE (Komm. Partei) und Antarsya (Extreme Linke) de facto zum ersten Mal sich vereinigten - die KKE organisisert sonst immer getrennte Demos. Am Dienstag und Mittwoch war ein zweitägiger Generalstreik - am Dienstag war die Demo nicht so massenhaft, weil sogar die U-Bahn-Beschäftigten streikten, so dass es für viele Streikende schwierig war ins Zentrum von Athen zu gelangen. Sie streiken immer noch - sogar die Taxifahrer streiken bis morgen. Am Dienstag waren auch viele kleine Läden geschlossen. Das neue Memorandum wurde mit 153 von 300 Stimmen beschlossen. Sogar einige Pasok-Abgeordnete stimmten dagegen - sie wurden aus der Partei ausgeschlossen. Einige Mitglieder der Demokratischen Linken stimmten nicht ab - die offizielle Linie war mit "anwesend" zu stimmen [bedeutet wohl Stimmenthaltung] - ein Abgeordneter stimmte dafür (!), er ist ein verrückter Regenbogenpresse-Journalist ("celebrity journalist"). Sogar ein Abgeordneter der Nea Demokratia stimmte dagegen. Die PASOK bricht zusammen und die Demokratische Linke hat auch große Probleme.

Die neuen Maßnahmen sind sehr hart. Die Tarifverträge sind offiziell abgeschafft - der Staat legt das neue Mindesteinkommen fest, 580 Euro, für unter 25-Jährige 510 Euro. Der Verheiratetenzuschlag wird abgeschafft, was 10% Kürzung bedeutet, zusätzlich zu den 40% im öffentlichen und privaten Sektor in den letzten Jahren. Abfindungen werden um die Hälfte gekürzt für diejenigen, die mehr als 16 Jahre im selben Betrieb arbeiten. Renten werden ab einer Höhe von 1000 Euro gekürzt. Jeder, der ein Medikament kauft, muss einen Euro mehr bezahlen (das ist eine Menge Geld für die armen älteren Menschen, die viele Medikamente benötigen). Um in ein öffentliches Krankenhaus zu kommen, muss man 25 Euro bezahlen. Alle bestehenden Gesundheits- und Rentenversicherungen, auch die selbstständigen, die ohne staatliche Finanzierung auskommen, werden gezwungen sich mit EOPYY zusammenzuschließen, welches die bankrotte nationale Rentenversicherung ist. Alle Gesundheitsversicherungen haben Millionen von Euro verloren nach der Umschuldung und auch die guten Gesundheits- und Rentenversicherungen (z. B. die für uns Journalisten) werden in zwei bis drei Jahren kein Geld mehr haben, um alle Ausgaben zu decken. Und es gibt natürlich noch jede Menge anderer Einzelmaßnahmen, die unser Leben komplett zerstören - Ich glaube, etwas Ähnliches passierte im Chile Pinochets.

Am 14. November wird es neue Demonstrationen geben. Um die Wahrheit zu sagen, es ist nicht einfach, in einen unbefristeten Streik zu treten, weil man eine Menge Geld in einer sehr schwierigen Zeit verliert. Auf jeden Fall radikalisieren sich mehr und mehr Menschen und gehen auf Demos usw. Syriza verlangt jetzt Neuwahlen, was vielleicht bald passieren wird, weil es für die Regierung sehr schwer wird mit ihrer schmalen Mehrheit all diese Maßnahmen umzusetzen und die Troika macht sehr viel Druck. Schäuble sagte gerade wieder, dass es nicht sicher sei, dass sie uns das Geld geben werden. Mein Eindruck ist, dass Deutschland (und die EU) uns kein Geld geben werden, sie werden Griechenland zwingen aus dem Euro auszuscheiden. Denn wenn der Staat kein Geld hat zu bezahlen, wird er de facto eine "nationale" Währung drucken müssen.

In der letzten Umfrage waren 74% für den Euro, aber 70% sagen, nicht zu jedem Preis, 72% sind überhaupt gegen die Sparmaßnahmen, 78% sind der Ansicht, dass sich das Land auf dem falschen Weg befindet.

Ich bin sicher, dass der Widerstand weiter geht, aber es ist schwierig alle Bereiche für einen unbefristeten Streik zu mobilisieren, wie es manche Genossen von der extremen Linken wollen. Mobilisierungen, wie die vom 14.11. auf einer gesamteuropäischen Ebene können helfen. Wir werden sehen, ob es in den nächsten Tagen mit der Mobilisierung der Griechen weitergeht. Irgendwie waren die Leute nach 2010 oft müde oder enttäuscht, aber sie gingen wieder und wieder auf die Straße. Meines Erachtens müssen wir eine vereinte Bewegung schaffen (sehr schwierig) und eine echte linke Alternative, die die Macht ergreifen und beginnen kann, Dinge zu ändern (auch das ist schwierig; denn auch wenn man die besten Absichten hat, muss man die reaktionären Kräfte innerhalb und außerhalb Griechenlands bekämpfen; ich bin mir nicht sicher, ob Syriza das realisiert).

Ich wünsche euch alles Gute und viel Erfolg bei eurer Veranstaltung! Solidarität mit den verzweifelt kämpfenden Griechen und all den anderen Menschen in Europa! Vergesst nicht die Gefahr durch die Goldene Morgenröte (den Neonazis)!

Moisis