Kapitalistischer Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Berlin am 27.2.2013
Erneut Zwangsräumung verhindert
von "mieter"

03-2013

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onlinezeitung

Heute versammelten sich 200 Menschen in Reinickendorf um die Zwangsräumung der schwerbehinderten, 67-jährigen Rosemarie F. zu verhindern. Die Räumung wurde in letzter Sekunde abgebrochen, die Gerichtsvollzieherin musste unter Polizeischutz flüchten. Das Gericht hatte in allerletzter Sekunde die Räumung untersagt um Räumungsschutzanträge zu prüfen. Der öffentliche Druck führt dazu, dass Räumungen nicht mehr still und leise stattfinden.

Nach der Räumung in der Lausitzerstraße sagt Ali Gülbol: "Der Kampf beginnt jetzt erst". Zwei Wochen später verhinderte er zusammen mit 200 Leuten eine Räumung in Reinickendorf.

Video von der Zwangsräumung der Wohnung der Familie Gülbol in der Lausitzer Str.8

Nach der Räumung in der Lausitzerstraße begann eine lebhafte Diskussion in Berlin. Die Gerichtsvollzieherin wurde bei der Räumung als Polizistin verkleidet um sie über einen durchschnittenen Zaun ins Haus zu schmuggeln. Es ist noch unklar, ob dies überhaupt rechtmäßig war. Eine Klage wird deswegen eingereicht. Die Zwangsräumung wurde sowohl im Innenausschuss als auch bei der Sitzung des Abgeordnetenhauses thematisiert. Dort stand auch das unverhältnismäßige Aufgebot der Polizei in der Kritik. Statt der zunächst angegeben 400 Polizist*innen waren 815 im Einsatz.

Der neue Berliner Polizeipräsident Kandt versuchte die Blockade mit der Demonstration gegen den Polizeikongress in Beziehung zu setzen, sprach wiederholt von "Extremisten" und von 75 Ermittlungsverfahren. Die Boulevardpresse verlegte sich teilweise auf Krawallbilder von brennenden Autos und titelte: "So sieht Kreuzberg aus, wenn die Gerichtsvollzieherin kommt." Neben den Kriminialisierungsversuchen wurde gleichzeitig der Protest vereinnahmt. Der Linkenchef Lederer rief dazu auf alle kommenden Zwangsräumungen zu verhindern, auch die Grünen und Piraten setzten sich in Szene. Hier findet ihr einen ausführlichen Pressespiegel.

Keine Räumung von Rosemarie !

Während sich die Politiker*innen noch mit sich selbst beschäftigten, bereitete sich das Bündnis auf eine kurzfristig bekanntgewordene Zwangsräumung in Reinickendorf vor. Dort sollte die schwerbehinderte, 67-jährige Rosemarie F. zwangsgeräumt werden. Ihre Miete wird zwar regelmäßig vom Grundsicherungsamt gezahlt, aber durch Adressänderungen wurden Mietschulden verursacht, was zum Räumungstitel führte. Das Bündnis ging gemeinsam mit Rosemarie zum Bezirksamt von Reinickendorf und erreichte die Zusicherung, dass das Amt regelmäßig die Miete zahlt und auch alle Mietschulden übernommen werden. Die neuen Vermieter*innen stellten sich trotzdem stur, sie hatten die Wohnung erst im Herbst letzten Jahres erworben und wollten die Mieterin loswerden. Bei einem Besuch des Bündnisses verkündeten sie, dass Rosemarie doch in den Dschungel ziehen solle. Moralische Bedenken eine Schwerbehinderte zu räumen kannte das Ehepaar Hartig nicht, es ging schließlich um ihr Eigentum.
Die Presse versuchte teilweise die Mieterin für die Situation verantwortlich zu machen. Dagegen betonte das Bündnis "Zwangsräumung verhindern", dass es unmenschenlich ist Rosemarie in die Obdachlosigkeit zu schicken. Am Tag selbst versammelten sich 200 Menschen in der Nähe des Hauses in Reinickendorf. Die Polizei hatte das Haus großflächig mit Hamburger Gittern abgesperrt und war mit einem Großaufgebot und Hunden vor Ort. Die Gerichtsvollzieherin wurde wiederum ins Haus hineingeschmuggelt. Die Räumung lief schon, als das Gericht überraschend intervenierte. Die Räumung wurde aufgrund des öffentlichen Drucks vorerst zurückgenommen. Die Justiz entschied sich in letzter Sekunde die eingegangenen Vollstreckungsschutzanträge juristisch zu untersuchen (Pressemitteilung). Es ist unklar, wie diese Untersuchung ausgehen wird und ob und wann der nächste Räumungsversuch ansteht. Die Gerichtsvollzieherin wurde nach der Räumung mit Protesten konfrontiert und musste unter Polizeischutz flüchten. Nach Ende der Kundgebung wollten die Versammlungsteilnehmer*innen zur U-Bahn gehen, die Polizei war damit überfordert. Sie setzte Faustschläge ein, es kam zu drei Festnahmen und einigen Verletzten.

Heute ist deutlich geworden, dass der Widerstand gegen Zwangsräumungen weitergeht. Zwangsräumungen können zunehmend nur noch mit Polizeigroßeinsätzen durchgesetzt werden. Der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen stellen sich Menschen ganz konkret in den Weg und können damit auch Erfolge erzielen.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von Indymedia.