Texte
zur antikapitalistischen
Organisations- und Programmdebatte

03/12

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011/12 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

Stellungnahme zur Programm- und Organisierungsdebatte
von der Gruppe Revolutionäre Perspektive Berlin (RPB)

Liebe GenossInnen.

Entschuldigt, dass wir erst jetzt auf eure E-Mail antworten. Eigentlich wollen wir uns nicht in die Debatte auf dem arschhochblog einschalten, wollen Euch aber dennoch eine Antwort oder Erklärung dazu geben.

Wir haben uns bereits vor einigen Jahren entschieden, den notwendigen Organisierungsprozess nicht über theoretische Debatten, sondern primär über eine gemeinsame Praxis in die Gänge zu bringen. Zugegeben, das macht den Prozess nicht weniger problematisch und auch nicht schneller, aber sicherlich handfester. Das theoretische Ringen mit zur Identität gewordenen Positionen sind Windmühlenkämpfe, die in der Praxis kein Fundament für eine revolutionäre Organisierung herstellen können. Sie werden immer potenzielle Spaltungsmomente sein, weil sie als geistiges Eigentum funktionieren. Eigentum, das sich aus der Interpretation von historischen Kämpfen und Bedingungen gebildet hat. Da zurzeit keine politische Kraft durch eine überzeugende revolutionäre Gegenmacht zu einer „Enteignung“ des geistigen Eigentums in der Lage ist, sehen wir nur den Weg, über die Praxis wieder zu einem kollektiven Verständnis von einer revolutionären Strategie zu kommen, die den heutigen Bedingungen entspricht.

Schauen wir uns die Orgas und Einzelpersonen an, die sich in der Debatte teilweise redlich um den Zusammenschluss der „subjektiven RevolutionärInnen“ bemühen, ist es einfach nicht zu übersehen, dass die ideologischen Probleme und Fixpunkte der alten 70er/80er Jahre Linken in der Diskussion zur Endlosschleife werden.

Für uns ist es wichtig, die Fehler in der kommunistischen Bewegung zu analysieren, die Spuren zu suchen, an die wir heute anknüpfen können und negative Tendenzen zu kritisieren und zu verwerfen, um heute glaubhaft für den Kommunismus als Perspektive einzutreten. Uns interessieren aber einfach nicht mehr die alten Kontroversen zwischen den „Stalinisten“, „Trotzkisten“, „Leninisten“ etc. Sie haben hier und heute keine Relevanz für den Aufbau einer revolutionären Organisation. Eine Organisation über die theoretische Einheit herstellen zu wollen, geht an der Realität „ausdifferenziertes, individualisiertes linkes Bewusstsein, Kleingruppen“ vorbei.

Von Organisationen, die sich in geschlossenen ideologischen Linien bewegen, grenzen wir uns nicht per se ab, sondern knüpfen erstmal am gemeinsamen Interesse für eine gemeinsame Praxis an. Aus der Bündnisarbeit entsteht nicht automatisch ein engerer Zusammenhang, aber frau/man lernt sich kennen, einschätzen, gewinnt Vertrauen und weiterführende Diskussionen haben damit eine konkrete Grundlage.

Ausgang und Ziel unserer Praxis sind bestimmte politischen Basics, die gar nicht viel anders sind als die im SIB-Papier. Wir behandeln diese Basics aber nicht in erster Linie als Ausschluss- oder Abgrenzungskriterien in der Zusammenarbeit mit anderen Linken, sondern als eigene Leitlinien, die uns vor Beliebigkeit schützen.

Grob und recht abstrakt umrissen:

Unser Fernziel ist die freie kommunistische Gesellschaft, das Werkzeug ist die revolutionäre kommunistische Organisation, die in ihrer eigenen Praxis und in allen gesellschaftlichen Kämpfen auf den revolutionären Bruch zielt. Ihre inneren Strukturen müssen neu entwickelt und erprobt werden in der Praxis. Sie müssen gleichzeitig partizipatives, verbindliches und effektives Arbeiten ermöglichen, Strategie und Taktik sind dabei gleichzeitig abhängige und bewegliche Programme, die aus den gegenwärtigen Bedingungen bestimmt werden. Dazu braucht es historisches Bewusstsein, grundlegendes Wissen zur kapitalistischen Produktionsweise, eine Klassenanalyse und die Kenntnisse der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse, also der eigenen subjektiven Seite und der objektiven Seite.

Wir halten es nicht für sinnvoll eine offene Debatte im Netz über Ziele, Grundsätze, Mittel und Methoden einer revolutionären Organisation zu führen. Das ist möglich, wenn es um das Zusammenraufen für eine legale Partei geht. Wir streben allerdings langfristig eine Organisation an, die für den Repressionsapparat kein offenes Buch ist, aber dennoch in den legalen Kämpfen steckt. An dieser schwierigen Perspektive wollen wir gemeinsam mit allen Interessierten arbeiten.

mit solidarischen Grüßen
Revolutionäre Perspektive Berlin

Editorische Hinweise

Wir spiegelten die Stellungnahme vom SIB-Blog, wo sie am 10.3. erschien.