Spaltung des
Einheitlichen und Erkenntnis seiner widersprechenden
Bestandteile (siehe Zitat aus Philo über Heraklit am Anfang von
Teil III („Vom Erkennen") des Lassalleschen Heraklit*) ist das
Wesen (eine der „Wesenheiten", eine der grundlegenden,
wenn nicht die grundlegende Besonderheit oder Seite) der
Dialektik. Geradeso stellt auch Hegel die Frage (Aristoteles
ringt damit beständig in seiner „Metaphysik" und kämpft
gegen Heraklit, resp. die heraklitischen Ideen.
Die Richtigkeit dieser Seite des Inhalts der Dialektik muß an
Hand der Geschichte der Wissenschaft geprüft werden. Dieser
Seite der Dialektik wird gewöhnlich (zum Beispiel bei Plechanow)
nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet: die Identität der
Gegensätze wird als Summe von Beispielen genommen
[ „zum Beispiel das Gerstenkorn"; „zum
Beispiel der Urkommunismus". Auch bei Engels. Jedoch „aus
Gründen der Gemeinverständlichkeit" . . . ],
nicht aber als Gesetz der Erkenntnis
(und Gesetz der objektiven Welt).
In der Mathematik + und —. Differential und Integral.
Mechanik Wirkung und Gegenwirkung.
Physik positive und negative Elektrizität.
Chemie Verbindung und Dissoziation der Atome.
Gesellschaftswissenschaft Klassenkampf.
Identität der Gegensätze (vielleicht richtiger: deren
„Einheit"? obwohl der Unterschied der Termini Identität und
Einheit hier nicht besonders wesentlich
ist. In gewissem Sinne sind beide richtig) bedeutet Anerkennung
(Aufdeckung) widersprechender, einander ausschließender,
gegensätzlicher Tendenzen in allen Erscheinungen und
Vorgängen der Natur (darunter auch des Geistes und der
Gesellschaft). Bedingung der Erkenntnis aller Vorgänge in der
Welt in ihrer „Selbstbewegung", in ihrer spontanen
Entwicklung, in ihrem lebendigen Leben ist die Erkenntnis
derselben als Einheit von Gegensätzen. Entwicklung ist „Kampf"
der Gegensätze. Die beiden grundlegenden (oder die beiden
möglichen? oder die beiden in der Geschichte zu beobachtenden?)
Konzeptionen der Entwicklung (Evolution) sind: Entwicklung als
Abnahme und Zunahme, als Wiederholung, und Entwicklung
als Einheit der Gegensätze (Spaltung des Einheitlichen in
einander ausschließende Gegensätze und das Wechselverhältnis
zwischen ihnen).....
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Editorische Hinweise
Das Fragment ist entnommen: Lenins Werke,
Berlin 1970, Bd. 38, S. 338-344
OCR-Scan: red. trend
Im Bd. 38 gibt es noch folgenden Hinweis
unter der Fußnote 163:
"Das Fragment „Zur Frage der
Dialektik" steht in dem Heft „Philosophie" zwischen dem
Konspekt zu Lassalles Buch über die Philosophie Heraklits und
dem Konspekt zur „Metaphysik" des Aristoteles; Verweise auf
die „Metaphysik" im Text des Fragments lassen jedoch vermuten,
daß das Fragment erst geschrieben wurde, nachdem Lenin das
Werk des Aristoteles gelesen hatte. Das Fragment „Zur Frage
der Dialektik" hat den Charakter einer Verallgemeinerung der
Arbeit Lenins an der philosophischen Problematik in den Jahren
1914/1915.
In diesem Fragment analysiert Lenin das dialektische Gesetz
von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze, die
metaphysische und die dialektische Konzeption der Entwicklung,
die Kategorien des Absoluten und Relativen, des Abstrakten und
Konkreten, des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen, des
Logischen und Historischen u. a., zeigt er den dialektischen
Charakter des Erkenntnisprozesses sowie die
erkenntnistheoretischen und klassenmäßigen Wurzeln des
Idealismus." (Ebd. S.722)
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