Während nun aber Friedrich in
der Militärverwaltung den junkerlichen Offizieren völlig freie
Hand ließ, führte er in der Zivilverwaltung einen wahrhaft
selbstmörderischen Krieg gegen das Beamtentum, indem sein Vater
sich eine Stütze der königlichen Gewalt gegenüber den Junkern zu
sichern gesucht hatte. Audi die Bürokratie wurde wenigstens in
ihren maßgebenden Stellen von bürgerlichen Elementen gereinigt;
während seiner ganzen Regierung hat Friedrich nur einen
bürgerlichen Minister ernannt.Ebenso gehörten die Landes- und
Provinzialkollegien dem Adel; einzig als Präsidenten der
Oberrechenkammer bevorzugte der König, bezeichnend genug,
Bürgerliche. Immerhin hatte sich ein gewisses Klassen- und
Pflichtbewußtsein in der Bürokratie erhalten, und es gereichte
dem Generaldirektorium zur Ehre, als es
sich nach dem Siebenjährigen Kriege der Absicht des Königs, für
militärische Zwecke den jährlichen Steuerertrag um zwei
Millionen Taler zu erhöhen, entschieden widersetzte und jede
weitere Belastung des Volkes für unmöglich erklärte. Man muß
sich nur die damaligen Zustände des Landes vergegenwärtigen, die
Schmoller folgendermaßen schildert: „Zu Ende des Krieges waren
die preußischen Provinzen in einem entsetzlichen Zustande; die
Menschen-, Vieh-, Kapitalverluste waren übermäßig; ein Drittel
der Berliner lebte von Armenunterstützung; in der Neumark gab es
notorisch fast kein Vieh mehr; Tausende von Häusern und Hütten
waren niedergebrannt; eine volkswirtschaftliche Krise der
schlimmsten Art folgte dem Frieden und dauerte noch mehrere
Jahre." Somit war das Generaldirektorium in seinem guten Rechte,
wenn es dem bis auf den Tod erschöpften Lande zu den schon
bestehenden schweren Lasten nicht noch neue Steuern auferlegt
wissen wollte. Vielleicht war das Verständnis der Bürokratie für
die Leiden der Bevölkerung auch dadurch geschärft worden, daß
die Beamten während der letzten vier Kriegsjahre statt ihrer
Gehälter sogenannte „Kassenscheine" erhalten hatten, die beim
Wechsler nur mit vier Fünftel Verlust untergebracht werden
konnten, und die nach dem Frieden von den königlichen Kassen mit
dem schlechten Kriegsgelde, also mit ungeheurem Kursverlust
eingelöst wurden.
Statt nun aber auf den pflicht- und sachgemäßen Einspruch des
Generaldirektoriums zu hören, benutzte der König die willkommene
Gelegenheit, dem preußischen Beamtentum einen letzten,
vernichtenden Schlag zu versetzen. Er ließ aus Frankreich einen
Haufen von Steuer- und Zollbeamten kommen, „eine Bande
unwissender Spitzbuben", wie Hamann sagte; „Sansfassons und
Raubmarquis, die man zur Ferme kommen ließ", wie Bürger in einer
Ballade sang; „lauter Schurkenzeug", wie der König selbst nach
fast zwanzigjähriger Bekanntschaft sie nannte. Ihnen übertrug er
die Verwaltung der Akzise und der Zölle, denn aus den direkten
Steuern war — wir werden gleich sehen, weshalb nicht — nichts
mehr herauszupressen. Wie das so in Preußen alte Sitte ist,
wurde die Erhöhung der Steuerlast abermals als eine „Reform" der
Steuern ausposaunt. Der König sagte dem Franzosen de Launay, dem
Leiter der neuen „Generaladministration der königlichen
Gefalle", die im Volksmunde den kürzeren Namen der Regie
erhielt: „Nehmen Sie nur von denen, die bezahlen können: ich
gebe sie Ihnen preis." In einem Briefe an Launay nannte er sich
den Anwalt der Arbeiter und Soldaten, deren Vorteile er bei der
Steuerverwaltung wahrzunehmen habe, und in einem öffentlichen
Patente erläuterte er die „Reform" der Steuern
dahin, daß „die Reichen mit ihrem Überfluß in gewisser
Weise zur Entlastung der Armen beitragen und daß zwischen beiden
ein gerechtes und verständiges Verhältnis besteht". Dies sind
die Sätze, auf denen die schöne Legende des friderizianischen
„Sozialismus" beruht. Schade nur, daß die Apostel dieser Legende
sich an der Bewunderung von Friedrichs Worten genügen lassen und
stets hinzuzufügen vergessen, daß seine Taten über seine Worte
dahinjagten wie ein Regiment schwerer Kavallerie über den
Töpfermarkt.
Beispielsweise hatte der „Anwalt der Arbeiter und Soldaten"
mit Worten die denkbar höchste Steigerung der Weinsteuer
befürwortet, denn „so was bezahlt der Arme nicht", dagegen eine
Herabsetzung der Branntweinsteuer Verlangt und höchstens eine
kleine Steigerung der Biersteuer zugelassen. Dagegen verfügte
der König mit Taten eine kleine Erhöhung der Weinsteuer, eine
Steigerung der Branntweinsteuer mindestens um die Hälfte und die
Verdoppelung der Biersteuer. In Wirklichkeit brachte die Regie
den Volksmassen einzig eine teilweise Ermäßigung der Brotsteuer;
dagegen erhöhte sie in mehr oder minder erheblichem Maße die
Steuern auf Fleisch und Getränke, fügte sie zu dem drückenden
Salzmonopol ein ebenso drückendes Tabaks-
und Kaffeemonopol, unterwarf sie überhaupt alles, was der Mensch
zum Leben und Sterben braucht, der Akzise, so daß beispielsweise
das Verzeichnis der Akzisegegenstände für Berlin
107 Folioseiten umfaßte, deren jede
durchschnittlich 30 bis 40 Artikel enthielt. Befreit von allen
diesen Lasten blieb nach wie vor die reichste Klasse der
Bevölkerung, nämlich der Adel. Zwar
wollten die „Sansfassons und Raubmarquis", die es sich nicht
vergebens hatten sagen lassen, daß ihnen die wohlhabenden
Klassen preisgegeben seien und denen ohnehin in beklagenswerter
Weise das historische Verständnis für die durch Lug und Trug
ergatterte Steuerfreiheit der Junker fehlte, auch dem Adel ihre
Schröpfköpfe ansetzen, aber hier legte der König ein sehr
entschiedenes Veto ein. Nominell war zwar das platte Land
überhaupt von der Akzise frei, aber da eben deshalb der Betrieb
von Handwerk und Industrie mit wenigen Ausnahmen auf dem Lande
verboten war, so mußte die ländliche Bevölkerung, was sie an
Kleidung und Nahrung, an Arbeitswerkzeugen und Genußmitteln
nicht selbst produzierte, aus den Städten entnehmen und in dem
Preise, den sie dort entrichtete, auch die Verbrauchssteuer mit
bezahlen. Hier also mußte die „gesetzliche" Steuerfreiheit des
Landadels gegen die Gelüste der Regie noch besonders „verpanzert
werden, und so verfügte Friedrich, daß ,vas die Junker an Bier,
Wein und sonstigen steuerpflichtigen Gegenständen auf ihre Güter
einführten, von der Akzise völlig befreit 'sein solle. Dagegen
mußte der Bauer in dem Pfluge, mit dem er arbeitete, in dem
Rocke, mit dem er zur Kirche ging, in dem Glase Bier oder der
Pfeife Tabak, mit denen er auf
Augenblicke seine nagenden Sorgen betäubte, auch noch zur Akzise
mitsteuern.
Trotz alledem erreichte der König seinen Zweck nicht; die
Regie hat ihm die jährlichen Mehreinkünfte nicht in dem
ersehnten Maße gebracht. Nach den günstigsten Berechnungen hat
sie in den 21 Jahren ihres Bestehens • etwa ebenso viele
Millionen Mehrertrag abgeworfen, nach den wahrscheinlichsten
noch erheblich weniger, etwa 7 bis 800 000 Taler fürs Jahr. Und
mit Recht hat schon der alte loyale Preuß hervorgehoben, daß
diese höheren Einnahmen in der langen, nur durch ein Kriegsjahr
unterbrochenen Friedenszeit von 1766—1787 „durch erhöheten
Wohlstand und vermehrte Bevölkerung bei redlicher Verwaltung"
gleichfalls erzielt worden wären. Die Ursachen des Mißlingens
liegen auch auf der Hand. Die Kosten der Akzise- und
Zollverwaltung stiegen durch die Regie von'3 auf 800 000 Taler;
außerdem waren die französischen Beamten durch Tantiemen
beteiligt und .die meisten wirtschafteten daneben in ihre
Taschen. Dazu kam, daß eine so drückende und raffinierte
Besteuerung ununterbrochene Defrau-dationen erzeugte. Zwar
bedrohte der König die Hinterziehungen der Akzise mit sehr
schweren Strafen, und zu ihrer Verhütung entstand ein wahrhaft
scheußliches Denunziations- und Spioniersystem, aber das alles
half, wie immer in solchen Fällen, wenig oder nichts. Die Masse
der Bevölkerung stand eben hinter den Schmugglern, und von
Gewissensbedenken brauchte sie sich um so weniger plagen zu
lassen, als der Schmuggel, soweit es sich um die Einschwärzung
preußischer Waren durch die Zollschranken der benachbarten
Gebiete handelte, keinen eifrigeren Beschützer besaß als den
König. Unter diesen Umständen war es noch eine Art
grönländischen Sonnenscheins, daß wenigstens das Haupt der
französischen Beamten gerade kein „unwissender Spitzbube" war.
Nicht als ob Launay irgendwelche Anwandlungen von sentimentalem
Mitleid mit der so arg ausgebeutelten Bevölkerung gehabt hätte,
aber von den technischen Möglichkeiten der Volksauspressung
hatte er richtigere Begriffe als Friedrich. Er ließ sich eine
fast unumschränkte Vollmacht über die Akzise- und Zollverwaltung
sowie über ihre Beamten geben; er nahm für sich und drei ihm
anfangs beigeordnete Regisseure Jahresgehälter von je 15 000
Talern an, während der ihnen anfangs zum Scheine vorgesetzte
Minister von Horst nur 4000 Taler bezog. Aber als der König für
die Berechnung der Tantiemen ihm und seinen Genossen 25 Prozent
von dem Überschusse anbot, den sie über den Reinertrag der
Akzise im Etatsjahre 1764/65 erzielen würden, hob Launay hervor,
daß dieser Ertrag wegen der Nachwirkungen des Krieges mit noch
nicht ganz 3'/a Millionen Talern nicht normalmäßig sei; er ließ
als Norm erst den Reinertrag von 1765/66 mit etwas über 4
1/2 Millionen gelten, und von dem
über diese Summe zu erzielenden Überschusse beanspruchte er auch
nur 5 Prozent Tantiemen. Launay setzte auch durch,
daß wenigstens die unteren Stellen der
Regieverwaltung mit preußischen Beamten besetzt wurden, während
der König die einheimischen Beamten hermetisch von der
Regieverwaltung ausgeschlossen wissen wollte (1).
Gegen die ganze fürchterliche Plackerei der Regie, die
Friedrich mit Stolz „mein Werk" zu nennen pflegte, machte die
preußische Bürokratie nun aber noch einen pflicht- und
sachgemäßen Vorstoß. Die ungeheuerliche Mehrbelastung des
Massenverzehrs verursachte in dem dünn bevölkerten Lande, in dem
die Arbeitskräfte sehr gesucht waren, eine Steigerung des
Arbeitslohnes. Darüber erhoben die Kapitalisten das
unvermeidliche Lamento und der König
forderte von dem Generaldirektorium amtliche Auskunft über die
Gründe der „noch immer fortdauernden Klagen 'derer Fabricanten
und Kaufleute". In einer „Pflichtmäßigen Anzeige" wies darauf
diese Behörde die „Behinderungen im Commercio in denen
Königlichen Landen" nach; in der ruhigsten und sachlichsten
Weise entwickelte sie die Schädlichkeit der Regie, hob sie die
„verschiedenen im Lande eingeführten Monopolia, insonderheit den
allergrößten Bedruck aus der General-Tabaks-Verpachtung", als
„dem allgemeinen Commercio höchst schädlich" hervor, erklärte
sie die Steigerung des Arbeitslohns aus der höheren Belastung
der Getränke, des Fleisches usw. Kaum aber hatte der König diese
Eingabe am 2. Oktober 1766 erhalten, als er eigenhändig auf
ihrem Rande verfügte: „ich erstaune über der impertinenten
Relation so sie mir schicken, ich entschuldige die Ministres mit
ihre Ignorence, aber die Malice und die corruption des
Concipienten muß exemplarich bestraffet werden sonsten bringe
ich die Canaillen niemahls in der Subordination." Am nächsten
Tage erfolgte dann auch schon die Kabinettsordre, worin Se. K.
M. dero General-Directorio bekannt machen, „wie allerhöchst
Dieselbe den Geheimen Finanzrath Ursinus cassiret und nach
Spandau zur Festung bringen lassen" und worin allen Denjenigen,
die sich auf den Wegen des Ursinus betreten lassen, angedroht
wird, daß „Se. K. M. selbigen, es mögen Räthe oder Ministres
sein, ohne alle Umstände arretiren und auf Zeit Lebens werden
zur Festung bringen lassen". Mit dieser Gewalttat war der
preußischen Bürokratie für Friedrichs Regierungszeit das
Rückgrat gebrochen.