Repression & Widerstand unter Hartz IV

Menschenwürdiges Existenzminimum contra Hartz IV: Muss Karlsruhe es wieder richten?
Eine Veranstaltung im Französischen Dom in Berlin

Bericht von N. N.

03/11

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Am Montag, d. 14. März 2011 fand die Veranstaltung „Menschenwürdiges Existenzminimum contra Hartz IV: Muss Karlsruhe es wieder richten?“ im Französischen Dom statt. Im Französischen Dom läutete Peter Hartz im August 2002 die nach ihm benannten Arbeitsmarktreformen ein.

Moderator war Frank Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum, der einleitete. Danach referierte Susanne Kahl-Passoth, Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Sie eröffnete mit dem Satz: „Vor einem Jahr waren wir alle voller Hoffnung.“ Die Diakonie hätte einen Regelsatz über 400 Euro errechnet. Das Diakonische Werk ist übrigens ein Wohlfahrtsverband, der von der Arbeit der Ein-Euro-Jobber profitiert. Dieser Verband gehört also zur Armuts- und Beschäftigungsindustrie.

Interessanter wurde Dr. Jürgen Borchert, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Hessen und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von attac. Er nannte die Hartz IV- Reform ein „Bertelsmann-Projekt“. An Gesetzgebungsverfahren seien mittlerweile eine Vielzahl von externen Mitarbeitern, meistens aus der Wirtschaft, beteiligt.

Jürgen Borchert war als Sachverständiger zur aktuellen Hartz IV-Reform bei der Anhörung im Bundestag dabei. Dort hätte es eine heftige fachliche Kritik von den Sachverständigen gegeben. Insbesondere wurde das Problem der verdeckt Armen bei der Regelsatzbemessung thematisiert. Die Kritik ist schließlich in den §10 der Regelbedarfsermittlung eingeflossen, allerdings müssen Hartz IV- BezieherInnen bis zum 1.1.2016 auf Verbesserungen warten, die dann in die nächste Einkommensverbraucherstatistik (EVS) eingearbeitet werden sollen.

Danach ging er dann auf die Armuts- und Reichtumsentwicklung in Deutschland ein. 37% des Sparpakets gingen zu Lasten von Hartz IV- BezieherInnen, 7,3% des Sparpackets würde von den Banken getragen. Das Sparpacket greift pro Jahr über 5 Mrd. Euro bei den SozialleistungsempfängerInnen ab. Das oberste Zehntel besitze 61,1% des gesamten Nettovermögens, auf der anderen Seite der Skala stehe das Wachstum der Tafeln. Bei der Steuerentwicklung seien insbesondere die ArbeitnehmerInnen durch eine höhere Belastung (Lohnsteuer- und Umsatzsteuer) betroffen, ebenso bei der Lohnentwicklung. Das unterste Fünftel der Arbeiterschaft (18,4%) müsse mit einem Lohn unter 8,50 Euro auskommen. Der Mindestlohn reiche vorn und hinten nicht, um ein angemessenes Leben im Alter zu gewährleisten. Wer 40 Jahre einen Stundenlohn von 11 Euro habe, bekomme eine Rente von 700 Euro. Schon heute sei Hartz IV mit 6,7 Millionen Hartz IV- BezieherInnen an die Grundsicherung im Alter gekoppelt, von der 700-800 000 RentnerInnen leben müssen. Allerdings würde die Arbeitslosigkeit heute die Rentenversicherung in der Zukunft entlasten, denn sie müßte dann aufgrund der geringeren Anwartschaft auch weniger ausschütten, so die zynische Rechnung. Jürgen Borchert endete mit dem Satz: „Die Stärke eines „Volkes“ zeigt sich im Umgang mit seinen Schwächeren.“

Die Folien des Vortrages von Jürgen Borchert finden sich auf der Website des Berliner Arbeitslosenzentrums (BALZ).  

Editorische Hinweise

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