Sie hat mit haushoher Mehrheit
eine Vereinbarung zur Tilgung riesiger Auslandsschulden aus
dem Banken-Kollaps 2008 abgelehnt. Das Geld sollte bis 2024 an
die britische und die niederländische Regierung gehen, welche
heimische Anleger bereits entschädigten. Bei den Verlusten
handelt es sich keineswegs überwiegend um Einlagen von
Kleinsparern, sondern zu beträchtlichen Teilen um
Investitionen institutioneller Mogule, die nach Auffassung
vieler Isländer mitschuldig am Finanzcrash sind und eher
bestraft als entschädigt werden sollten.
Bei dem von der Bevölkerung
erzwungenen Referendum stimmten nach dem vorläufigen Ergebnis
93,3 Prozent gegen und nur 1,7 Prozent für den im vergangenen
Jahr ausgehandelten Vertrag mit den Regierungen von
Großbritannien und den Niederlanden. Fünf Prozent legten am
Samstag bei der ersten Volksabstimmung der isländischen
Geschichte ungültige Stimmzettel in die Urnen. Damit waren
auch alle Meinungsforschungsinstitute blamiert, die in den
letzten Tagen ein viel knapperes Ergebnis prognostiziert
hatten.
Aber die größten Blessuren
trugen all jene europäischen Agenturen davon, die nicht müde
wurden, die isländische Bevölkerung vor einer Ablehnung der
Schuldentilgung zu warnen. Die mögliche EU-Mitgliedschaft
stehe auf dem Spiel, wurde gewarnt. Doch all diese Auguren
unterschätzten die Stimmung der isländischen Bevölkerung,
deren größter Wunsch überhaupt nicht die Mitgliedschaft in
einem maroden Krisenbündnis namens EU ist, die gerade im Fall
ihres Mitglieds Griechenland deutlich macht, dass für sie
Solidarität ein Fremdwort, Diffamierung und Erpressung zu
unsozialen Maßnahmen aber alltäglich ist.
In den letzten Tagen hatten
dagegen griechische Arbeiter mit Streiks und Demonstrationen
mobil gemacht. Dabei fehlten auch nicht Appelle an die
Arbeiter in anderen europäischen Ländern, sich mit den
griechischen Kollegen zu solidarisieren. Das Ergebnis der
isländischen Abstimmung ist eine solche praktische
Solidarisierung, auch wenn es die Abstimmenden mehrheitlich
sicher nicht so verstanden haben wollen. Auch die Schweizer
Bevölkerung hat am Wochenende in einem Volksentscheid
mehrheitlich eine von den bürgerlichen Parteien und Medien als
Akt der wirtschaftlichen Vernunft propagierte Rentensenkung
abgelehnt und folgte damit den Empfehlungen von
Gewerkschaften, sozialen Verbänden und linken Parteien. Anders
als die Abstimmung zu den Minaretten fand das Votum weniger
Resonanz in den ausländischen Medien
Die Proteste in Griechenland,
das Ergebnis aus dem Alpenland und das Nein aus dem hohen
Norden drücken einen Unwillen der Bevölkerung aus, für die
Krise des Kapitalismus den Gürtel enger zu schnallen. „Ya
Basta“, hieß der Ruf auf zapatistisch, „Wir zahlen nicht für
Eure Krise“, lautete die Parolen bei Demonstrationen eines
Antikrisenbündnisses in Deutschland im letzten Jahr.
Europäische Solidarität
Genau das ist auch die
Botschaft aus Island, der Schweiz und Griechenland. Und sie
ist auf der Insel so überwältigend ausgefallen, dass zumindest
die isländische Politik sie nicht ignorieren kann. Noch vor
Tagen wurde in den ausländischen Medien gespottet, die
Isländer stimmen über etwas ab, über das sie gar nicht zu
entscheiden haben. Diese Arroganz der Staatsapparate, der bei
der Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft in Irland einfach
hieß, wählen bis das Ergebnis passt, dürfte dieses Mal nicht
verfangen. Allerdings dürfte der Druck der europäischen Eliten
auf Island zunehmen. Daher ist es jetzt wichtig, sich mit der
isländischen Bevölkerung ebenso zu solidarisieren, wie mit den
griechischen Demonstranten gegen das EU-Spardiktat.
So würde gegen das Europa der
Banken und Konzerne ein Europa des sozialen Widerstands
hergestellt. Das und nicht der Rückfall in nationalstaatliche
Scheinlösungen ist die richtige Antwort auf das aktuelle
EU-Projekt.
Editorische
Anmerkungen
Wir
erhielten den Artikel vom Autor.
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