Regierungsbeteiligung in NRW
Rosa-rote Illusionen

von Edith Bartelmus-Scholich

03/10

trend
onlinezeitung

"Der Eintritt von Sozialisten in bürgerliche Regierungen, erscheint als ein
Experiment, das nur zum Schaden des Klassenkampfes ausfallen kann."
(Rosa Luxemburg)

DIE LINKE.NRW hat einen Parteitag hinter sich, der nicht besonders aufregend war. Die Delegierten beschlossen ein Zukunftsinvestitions- und ein Dringlichkeitsprogramm für NRW. Das im November 2009 in Hamm verabschiedete Landtagswahlprogramm wird dadurch nicht korrigiert, sondern konkretisiert. Dennoch dienen die Beschlüsse denen, die nach Regierungsverantwortung streben, als Anknüpfungspunkt.

Es überrascht nicht, dass Landessprecher Wolfgang Zimmermann wieder die Gelegenheit ergriffen hat, seine Offenheit für eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei in NRW darzustellen. Das dem WDR gegebene Interview (1) liegt auf der Linie, die schon seit Februar 2008 von Zimmermann verfolgt wird (2), aber es verdient trotzdem besondere Beachtung.

Die Bejahung der Übernahme von Regierungsverantwortung ist deutlich wie nie zuvor. Zudem erklärt Zimmermann auch an der Parteibasis würde die Akzeptanz für einen Eintritt der Linkspartei in eine Landesregierung steigen. Diese
Behauptung wird von ihm durch nichts belegt. Dafür gibt es Hinweise, dass diese Annahme falsch ist. Weder der Programmparteitag in Hamm noch die VertreterInnenversammlung in Mülheim im November 2009 hat Sympathien für eine linke Regierungsbeteiligung in NRW erkennen lassen.

In Hamm hatten die Delegierten einen Antrag zu befassen, der sinngemäß lautete: "DIE LINKE.NRW wird zur Erreichung ihrer Ziele auch in eine Landesregierung eintreten." Dieser Antrag wurde vom Parteitag abgeschmettert. Bei wenigen Enthaltungen stimmten lediglich drei (!) von 220 Delegierten dafür. Für die Ausführungen des Landessprechers zu möglichen Regierungsoptionen in der Parteitagsdebatte gab keinen Beifall, sondern Stirnrunzeln, abwertende Bemerkungen im Plenum und engagierte Gegenreden, die ihrerseits von viel Beifall begeleitet wurden. Auf der
VertreterInnenversammlung in Mülheim quittierten die Delegierten Zimmermanns Offenheit für einen Regierungseintritt mit einem Ergebnis von nicht einmal 65% der Stimmen bei seiner Kandidatur auf Platz 2 der Landesliste. Ein wenig
bekannter Mitbewerber nahm ihm mehr als 30% der Stimmen ab.

Darüber hinaus offenbart das Interview, dass Zimmermann, obgleich Mitglied der Strömung Antikapitalistische Linke, den gleichen Irrtümern anhängt, wie alle Regierungsbefürworter in der Linkspartei. Kardinalirrtum ist hierbei, die Annahme, dass "Mitgestaltung" , also der Eintritt in eine bürgerliche Regierung, geeignet sei eine erfolgreiche Reformpolitik zu begründen. Das Gegenteil ist richtig. Nicht Integration in die bürgerliche Staatsmaschinerie, sondern Druck auf dieselbe durch kämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist der Weg zur Verbesserung der
Lebenslage der kapitallosen Menschen. Denn dadurch werden den Herrschenden Zugeständnisse abgerungen, wohingegen eine linke Regierungspartei die Funktion erfüllt, solche Zugeständnisse höchstens in einem für das Kapital
verträglichen Rahmen zuzulassen.

Zimmermann schürt, statt Mitglieder und WählerInnen über diese Zusammenhänge aufzuklären, die Illusion, dass DIE LINKE mit Eintritt in eine Landesregierung für die Menschen etwas zum Positiven verändern könne. Allerdings würde eine kleine, parlamentsunerfahrene Partei auch unter guten politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in einer Landesregierung schon deswegen nicht viel erreichen, weil es ihr an Stärke und Erfahrung fehlt. Hoch problematisch wird es, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Und das ist auch auf absehbare Zeit noch der Fall.

Im Landtag wird es keine Bündnispartner für DIE LINKE geben. SPD und GRÜNE sind nicht bereit eine Politik, die die Interessen der kapitallosen Bevölkerungsmehrheit in den Mittelpunkt stellt, auch nur ansatzweise zu versuchen. Vielmehr werden sie ihre Politik den Interessen des Kapitals unterordnen. Und jeder Partner einer solchen Koalition wird sich dieser Gesetzmäßigkeit zu unterwerfen zu haben.

Durch die immer noch anhaltende Wirtschaftskrise hat sich zudem das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit noch einmal zu Ungunsten der Lohnabhängigen verschoben. Die raschen, mageren Lohnabschlüsse der Gewerkschaften IGMetall und Ver.di seit dem Jahreswechsel sprechen für sich. Auch der Klassenkampf von oben gegen Erwerbslose und Arme wird mit zunehmender Härte geführt. Protest und Widerstand gegen das Abwälzen der
Krisenlasten auf die Lohnabhängigen sind hingegen kaum sichtbar.

Wichtige politische Weichenstellungen zur Ausweitung der Umverteilung von unten nach oben im Zuge der Refinanzierung der Krisenlasten sind aber schon erfolgt. Der ohnehin geringe Finanzspielraum wird zukünftig durch die seit 2009 grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse dem Land genommen. Linke Minister werden vornehmlich dazu gebraucht werden, den Lohnabhängigen weitere Zumutungen aufzubürden und ihnen diese als alternativlos darzustellen.

Sobald DIE LINKE in eine Landesregierung eintritt, wird eine weitere Folge dessen das Fehlen einer linken Opposition im Landtag sein, mit der sich Protestbewegungen verbünden könnten. Vielmehr gäbe es dann die Konstellation, dass protestierende, Widerstand leistende Menschen mit Polizeigewalt konfrontiert würden, die eine regierende LINKE mit gegen sie in Bewegung setzen würde. Allein dies ist eine unerträgliche Vorstellung.

Das alles ist nicht nur Theorie, sondern auch Erfahrung und erlebbare Praxis in den bisherigen rot-roten Landesregierungen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Überall wo sie mitregiert, hat die
Linkspartei den Lohnabhängigen neue Zumutungen aufgebürdet, an der Umverteilung von unten nach oben teilgenommen, das öffentliche Eigentum an das Kapital verschleudert und die Polizei mit neuen Vollmachten ausgestattet. Die Idee, dass es in NRW anders sein könnte, nur weil DIE LINKE.NRW linker und glaubwürdiger ist, als die Landesparteien im Osten, ist gefährlicher Irrsinn.

Zimmermanns Argumentation zeigt auf, dass DIE LINKE eine strategische Kehrtwende vornehmen muss. Um einen Schritt voran zu kommen muss sie zunächst der Regierungsbeteiligung eine klare, aus Theorie und Erfahrung begründete Absage erteilen. Ferner muss sie im strategischen Dreieck aus Mitgestaltung, Sozialprotest und antikapitalistischer Perspektive die "Mitgestaltung" ersetzen durch die "Unterstützung solidarischer Selbstorganisation" und ihre Politik danach ausrichten.

(1 )www.wdr.de/themen/politik/landtagswahl_2010/die_linke/100227_interview.jhtml?rubrikenstyle=politik
(2) http://www.scharf-links.de/49.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=742&tx_ttnews[backPid]=89&cHash=49a17fcba5

 

Editorische Anmerkungen

Wir  erhielten den Artikel von der Autorin. Er wurde erstveröffentlicht auf der Website SCHARFLINKS.