8. März 2010 Internationaler FrauenMädchenLesben Kampftag

8. März: Für eine proletarische Frauenbewegung!

von
Anne Moll

 

03/10

trend
onlinezeitung

Heute ist der 8. März in vielen kapitalistischen Ländern kein Kampftag mehr; er ist zu einem gegenseitigen Schulterklopfen über die erreichte Gleichberechtigung oder zu Saalveranstaltungen von Gewerkschaften verkommen.
Sie zeigen zwar die Ungleichbehandlung der Frauen in der Lohnarbeit auf und nehmen den 8. März jährlich zum Anlass, besonders auf die Belange von Frauen aufmerksam zu machen, doch dass sie weit davon entfernt sind, ihn zu einem Kampftag für die Forderungen der Frauen zu machen, zeigt sich nicht nur in ihren Aufrufen und an den fehlenden Straßenaktionen, sondern auch an der Folgenlosigkeit des jährlichen Anprangerns der mangelnde Gleichberechtigung.
Welch Kontrast zu vielen anderen Ländern! Weltweit kämpfen Frauen am 8. März. In der Türkei, in Kurdistan, im Iran, in Indien oder Bangladesch gehen zehntausende Frauen auf die Strasse, um gegen Unterdrückung und Repression zu kämpfen.

Dabei gibt es auch hier keinen Grund zum Feiern und erst recht keinen, im Kampf für die Frauenbefreiung nachzulassen.

Wie der Artikel „Frauen und Krise“ von Christine Schneider zeigt, droht sich die Lage der Frauen aus der Arbeiterklasse - ob nun „vollbeschäftigt“, prekär arbeitend oder arbeitslos, ob in der Familie oder alleinerziehend - dramatisch zu verschlechtern. Die Frage lautet also: Wie können wir eine Frauenbewegung schaffen, die auch hier mit Kundgebungen, Veranstaltungen, Aktionen, Streiks gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiterinnen und für die Befreiung der Frau von Ausbeutung und Unterdrückung kämpft? Wir können dabei sowohl aus der Geschichte der proletarischen und sozialistischen Frauenbewegung, die ja auch den 8. März als internationalen Kampftag ins Leben gerufen hat, wie auch von den Frauen aus den Ländern der „Dritten Welt“ lernen.

Proletarische Frauenbewegung oder Kampf aller Frauen?

Diese Kämpfe haben oft gerade deshalb solche Dynamik, weil sie von Arbeiterinnen (tw. auch von landlosen oder armen Bäuerinnen) geführt werden und eng mit dem Kampf gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse oder wie im Fall der KurdInnen gegen die nationale Unterdrückung verbunden sind. Gemeinsame Bewegungen mit der bürgerlichen Frauenbewegung hingegen lähmen den Kampf, führen letztlich zur Unterordnung der Arbeiterinnen. Warum?
Die Interessen der proletarischen Frauen unterscheiden sich von denen der bürgerlichen Frauen ebenso, wie die Interessen der gesamten Arbeiterklasse sich von der Kapitalistenklasse unterscheiden. Sie sind einander entgegensetzt. Natürlich streiten wir nicht ab, dass auch bürgerliche Frauen Sexismus und Diskriminierung ausgesetzt sind. Aber zugleich, haben sie - wie die gesamte herrschende Klasse - ein Interesse an der Ausbeutung der Lohnabhängigen und auch der lohnabhängigen Frauen.

Während z.B. die bürgerliche Frau ihre Reinigungskraft mit sozialversicherungsfreiem Mini-Job für 400 Euro arbeiten lassen will, will die Arbeiterin aus der Billiglohn-Mühle heraus. Allein daran scheitert schon eine gemeinsame Bewegung für einen Mindestlohn, von dem die Arbeiterin ohne Not und Elend leben kann.

Gegen Chauvinismus!

Darüber hinaus müssen sich Frauen aber auch gegen den Chauvinismus innerhalb der eigenen Klasse wehren.
Wenn Arbeitsplätze rar werden, wenn die Verteilungskämpfe sich verschärfen, sind auch viele proletarische Männer bereit, die noch verbliebene Arbeit nach Geschlecht zu verteilen bzw. Zugeständnisse zu machen, welche Frauen bei der Erwerbsarbeit benachteiligen.

Oft genug wird diese Diskriminierung der Lohnarbeit von den Gewerkschaften auch deshalb nicht verhindert, weil diese v.a. für „ihre“ oft männlichen Stammbelegschaften eintreten - auf Kosten anderer ArbeiterInnen.

Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft und werden von klein auf trainiert, dass es geschlechtsspezifische Aufgaben gibt. Aus diesem Grund gilt es für die Masse der Arbeiterklasse als selbstverständlich, das Frauen für Hausarbeit und Kinder zuständig sind, die Männer fürs Geldverdienen und für körperlich schwere Arbeit. Den Männern erscheint es erstrebenswert, diese Aufgabenteilung beizubehalten, auf den ersten Blick sehen sie Vorteile für sich dabei.

Doch diese Aufgabenteilung spaltet die Arbeiterklasse, verschärft letztlich auch die Ausbeutung der Männer und dient dem Kapital. Die proletarischen Männer haben zwar unmittelbare Vorteile, aber diese sind jedoch „nur“ die Kehrseite der Verfestigung ihrer eigenen Unterdrückung. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Frauen haben sie jedoch keine Klassenprivilegien zu verteidigen, kein Interesse, das - historisch betrachtet - im Widerspruch zu dem der proletarischen Frauen steht.

Es wäre aber naiv, eine Gewinnung der proletarischen Männer für den gemeinsamen, gleichberechtigten Kampf nur durch Aufklärung und Einsicht für möglich zu halten. Die proletarischen Frauen müssen sich auch in einer eigenen Bewegung organisieren, die den Chauvis die Leviten lesen kann, und die trägen Apparate der Arbeiterbewegung, allen voran die Gewerkschaften, zum Handeln zwingt.

Welche Forderungen?

Damit sich eine solche Bewegung bilden kann, braucht sie auch Forderungen, um die herum Arbeiterinnen, arbeitslose Frauen, Schülerinnen, Studentinnen, Rentnerinnen, Migrantinnen mobilisiert werden können. Wir wollen hier nur einige, unserer Meinung nach zentrale, Ziele anführen, die bei der Abwehr der Angriffe auf die lohnabhängigen Frauen wichtig sind.

  • Kampf gegen alle Entlassungen - auch der LeiharbeiterInnen oder prekär Beschäftigten -, die vor allem Frauen treffen! Umwandlung von Billigjobs und Leiharbeit zu unbefristeten, tariflich geregelten Arbeitsplätzen!
  • Weg mit den Hartz-Gesetzen! Stattdessen Mindestlohn von 11 Euro/Std. netto und steuerfrei, Arbeitslosengeld und Mindesteinkommen für RentnerInnen, Studierende, SchülerInnen ab 16 von 1.600 Euro/monatlich!
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - kontrolliert durch Kontrollausschüsse der arbeitenden Frauen!
  • Keine Privatisierung von sozialen Leistungen, Kitas, der Gesundheitsvorsorge und Renten!
  • Kostenlose ausreichende Kitas und Ganztagschulen, so dass eine Kinderbetreuung rund um die Uhr gesichert ist, deren Qualität von den Eltern, v.a. den proletarischen Frauen kontrolliert wird! Freier und kostenloser Zugang zu allen Bildungseinrichtungen!
  • Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper! Freier und kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln! Für das Recht auf Abtreibung auf Krankenschein!
  • Legalisierung aller „illegalen“ Arbeits- und Lebensverhältnisse von Flüchtlingen, Migrantinnen oder verschleppten Frauen (z.B. Zwangsprostituierten)! Besondere Förderungsmaßnahmen zur Integration der Frauen in die Arbeitswelt! Abschaffung aller Aufenthaltsbeschränkungen für MigrantInnen und volle Staatsbürgerrechte für sie!

Viele diese ökonomischen, sozialen und politischen Forderungen im Kampf gegen Frauenunterdrückung und Krise sind nicht zufällig gleichlautend mit jenen der männlichen Arbeiter. Sie zeigen, dass ein gemeinsamer politischer und gewerkschaftlicher Kampf nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist.

So kann die Grundlage gelegt werden zum gemeinsamen Kampf für die Beseitigung nicht nur der Wurzel der Frauenunterdrückung - der privaten Hausarbeit - durch den Kampf gegen den Kapitalismus selbst. Denn die Vergesellschaftung der Hausarbeit ist letztlich erst möglich, wenn wir eine Gesellschaft schaffen, in der die Arbeitskraft aufhört, eine Ware zu sein, in der Produktion und Reproduktion nicht gemäß dem Profitinteresse der herrschenden Klasse, sondern gemäß den Bedürfnissen der Arbeitenden, ob Mann oder Frau, organisiert sind.

Veranstaltungen zum internationalen Frauentag am 8. März

Berlin, 8.3., 19.30, Blauer Salon, Mehringhof, Gneisenaustraße 2a
Kapitalistische Krise und lohnabhängige Frauen

Veranstaltet von Arbeitermacht und REVOLUTION mit
Christine Schneider (Arbeitermacht) und Rike Möller (REVOLUTION)


Wir wollen diskutieren:
- Wie wirkt sich die Krise auf Arbeiterinnen und arbeitslose Frauen aus?
- Warum sind sie von der Krise trotz rechtlicher Gleichstellung besonders betroffen?
- Für welche Forderungen treten wir im Kampf gegen Frauenunterdrückung ein?
- Warum es keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus und keinen Sozialismus ohne Frauenbefreiung geben kann.

Kassel, 18.30, Schlachthof, Mombachstraße 12
Die Lage der Frau und der Kampf für die 5. Internationale


Stuttgart, 20.00, Subversiv, Burgstallstraße 54
Internationaler Frauentag - Kampftag gegen Unterdrückung und Ausbeutung oder Feiertag für erreichte Gleichberechtigung?


Wir wollen diskutieren:
- Wie weit ist Gleichberechtigung erreicht und wie weit nicht?
- Unterschiede in der Lage der lohnabhängigen Frauen und der gutbürgerlichen Frauen.
- Ist Gleichberechtigung im Kapitalismus überhaupt möglich?
- Für welche Forderungen müssen SozialistInnen heute kämpfen?

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel über

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 472
3. März 2010


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