Shimon Peres im Bundestag
Sahra Wagenknecht, Christine Buchholz und Sevim Dagdelen applaudieren nicht

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03/10

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Anlässlich des Holocaust-Gedenktages sprach am 27. Januar sprach Schimon Peres der israelische Staatspräsident,  im Deutschen Bundestag. Sahra Wagenknecht, Christine Buchholz und Sevim Dagdelen von der Linkspartei blieben während seiner Rede sitzen und applaudierten nicht. Sofort wurde rundherum massive Kritik laut.

Die taz vom 2.2.10 kommentierte: "Solche Verweigerungsgesten sind im parlamentarischen Raum am Auschwitz-Gedenktag bislang nur von der NPD bekannt."

Veranlasst durch solche Angriffe nahm Sevim Dagdelen wie folgt am 5.2.10 Stellung:

Erklärung zur Rede von Shimon Peres im Bundestag am 27. Januar 2010

Am 27. Januar 2010 fand im Deutschen Bundestag eine Gedenkveranstaltung aus Anlass des 65. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz durch die Sowjetische Armee statt, an der ich teilgenommen habe. Selbstverständlich habe ich mich bei Beginn zum Gedenken an die Opfer des Holocaust von meinem Platz erhoben.

Die Ausführungen zu den Verbrechen der Nazis und der deutschen Bevölkerung an jüdischen Frauen, Männern und Kindern und zu dem Leid und der Zerstörung, die Nazideutschland über unzählige Menschen gebracht hat, haben mich tief bewegt. Niemals darf dieses entsetzliche Verbrechen des deutschen Rassenwahns vergessen werden. Niemals darf sich dies wiederholen.

Doch konnte ich die von Shimon Peres vorgetragenen Teile seiner Rede mit Bezug zum Iran nicht mit stehendem Beifall gut heißen. Grund dafür ist, dass Shimon Peres seine Rede zur ideologischen Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran genutzt hat. In seiner Rede hat Peres fälschlicherweise den Iran beschuldigt, im Besitz von Nuklearraketen zu sein. Dazu kam eine Gleichsetzung des Irans mit Nazideutschland, die ich für fatal halte. Angesichts der aktuellen politischen Lage sind diese Äußerungen äußerst gefährlich. Sie erinnern an Vorgänge und Kriegslegitimationsversuche, wie wir sie im Vorfeld des völkerrechtswidrigen Feldzugs gegen den Irak erlebt haben.

Dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie auch der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sich jetzt diese verbalen Kriegsvorbereitungen zu Eigen machen, steigert die Gefahr eines neuen Krieges im Nahen und Mittleren Osten, der katastrophale und unkalkulierbare Konsequenzen für die Gesamtregion hätte.

Quelle: http://www.sevimdagdelen.de/

Nun nahmen die Angriffe noch zu. Am 8.2. verfassten Pfr. Barbara von Bremen, Pfr. Thomas Schöps und Pfr. Thomas Wessel  den folgenden "offenen Brief":

Als am 27. Januar Israels Staatspräsident Schimon Peres das Kaddisch-Gebet für die Opfer der Schoah sprach, erhob sich der Bundestag zu Ehren der ermordeten Juden. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen von der Linkspartei blieb hingegen sitzen. Nun haben drei Pfarrer einen offenen Brief an die Politikerin verfasst, den Israelnetz.com im Wortlaut dokumentiert.

Sehr geehrte Frau Dagdelen,

Respekt ist das, was einen überkommt, wenn man zurückblickt, lat. respectare. Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz saßen Sie im Deutschen Bundestag. Sie saßen da, als Schimon Peres zurückgeblickt hat und seinen Großvater vor sich sah, wie er ihn, den Elfjährigen, in einen Zug setzt, der ihn nach Israel bringt, bevor ihn Deutsche umbringen konnten. Sie saßen da, als er, der Überlebende, das Kaddisch sprach für sechs Millionen, die ermordet wurden, und saßen da, als er, der Präsident des Staates Israel, sagte "Nie wieder." Sie saßen da und blieben sitzen, als sich der Bundestag erhob.

Sie sitzen aber nicht, das ist uns klar, für eine Nazi-Partei im Parlament, sondern stehen für DIE LINKE. In Ihrer Fraktion werden Sie als "Sprecherin Migrations- und Integrationspolitik" geführt. Zu wem sprechen Sie, wenn Sie sitzen bleiben? Sind auch die Anhänger der Hisbollah darunter, mit denen Sie auf Demos gehen und den "Tod! Tod Israel!" verlangen? Antisemitismus ist die Leidenschaft, die den Tod der Juden wünscht. Nur dass Sitzenbleiben nicht sehr leidenschaftlich wirkt, eher kalkuliert. Als rechnete es sich für Sie. Blieben Sie sitzen im Bundestag, weil Sie den Sitz im Bundestag behalten wollen? Könnte sein, dass Sie gar keine Antisemitin sind, sondern eine Politikerin, ganz leidenschaftslos.

Nur dass gerade dies uns fassungslos macht. "Meine verehrten Anwesenden", hatte Schimon Peres im Bundestag gesagt, "die Shoa wirft schwierige Fragen zur tiefsten Seele des Menschen auf. Wie böse kann der Mensch sein?" Seit Hannah Arendt dämmert uns, wie banal das Böse sein kann, sie hat die Banalität des Bösen als "Unwillen" beschrieben: "Da ist keine Tiefe, es ist nicht dämonisch. Es ist einfach der Unwille, sich je vorzustellen, was eigentlich mit dem anderen ist." Einfach der Unwille, "an der Stelle jedes andern zu denken". An der Stelle eines 11jährigen, den der Großvater zum Zug bringt. An der Stelle des 86jährigen, der Ihnen sagt: "Ich danke Ihnen."

Einfach der Unwille mitzufühlen. Der einfache Wille, nichts wissen zu wollen. Früher liefen sie mit, heute bleiben Sie sitzen, es widert uns an. Die Kirchen, die wir bespielen, sind Kirchen der Kulturen, es sind offene Häuser, und manche Gespräche werden darin so offen geführt, dass es weh tun kann. Auch Sie sind hier zu Gast gewesen. Sie werden es nicht mehr sein, Sie sind uns nicht erwünscht. Sie haben denen, die überlebt haben, den Respekt verweigert, unseren haben Sie restlos verloren.

Pfr. Barbara von Bremen | St. Petri-Kirche Dortmund

Pfr. Thomas Schöps | Bleckkirche

Pfr. Thomas Wessel | Christuskirche Bochum

Quelle: http://www.ekklesia-nachrichten.com/

Am 23.2.2010 solidarisierte sich die LIGA für MENSCHRECHTE mit Sevim  Dagdelen gegen die Angriffe der PfrarrerInnen.

Berlin, 23/02/2010

Öffentliche Stellungnahme zum Offenen Brief von
Pfarrerin Barbara von Bremen (St. Petri-Kirche Dortmund),
Pfarrer Thomas Schöps (Bleckkirche Gelsenkirchen),
Pfarrer Thomas Wessel (Christuskirche Bochum)

gerichtet an die
Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen am 04. 02. 2010

sowie zum Widerruf von Frau von Bremen, Herrn Schöps und Herrn Wessel vom
11.02.2010

Sehr geehrte Frau von Bremen,
sehr geehrter Herr Schöps,
sehr geehrter Herr Wessel,

Ihr Offener Brief an die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen hat uns schockiert!

In Ihrer kurzen, zugleich fundamental einseitigen Schmähschrift stellen Sie unter anderem  gegenüber Frau Dagdelen fest: „Sie haben denen, die überlebt haben, den Respekt verweigert, unseren haben Sie restlos verloren.“

Den vollen Wortlaut als PdF-Datei lesen.