Krise und Abwehrkampf
Gegen Krise und Kapitalismus!

von Hannes Hohn

03/09

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„Kein Grund in Sicht“, „Noch kein Licht am Ende des Tunnels“ - so oder ähnlich lauten die Einschätzungen der weiteren Entwicklung der Krise. Auch die Unkenrufe vom „Ende des Kapitalismus“ und der „Wiederkehr des Sozialismus“ verweisen auf die Ängste der Apologeten des Kapitalismus um ihr System und auf die gewaltige Dimension dieser Krise.

Tatsächlich deuten die Fakten der letzten Wochen darauf hin, dass die jetzige Krise der von 1929 vergleichbar, wenn nicht sogar noch tiefer ist.

Während die letzten Krisen (Asienkrise, Krise der „New economy“) nur bestimmte Sektoren der Weltwirtschaft betrafen und noch - wenn auch unter Mühen - austariert werden konnten, sieht die Lage jetzt anders aus. Die gegenwärtige Krise spielt sich synchronisiert überall auf der Welt ab: in den USA, in Japan, in der EU und in aufstrebenden Halbkolonien wie China und Indien. Die Turbulenzen im Finanzsektor, das Platzen der faulen Kredite, sind längst auf die „Realwirtschaft“ durchgeschlagen.

Warum ist die jetzige Krise derart tief und anhaltend? Der Grund dafür ist das schon seit den 1970er Jahren aufgestaute Krisenpotential. Die aufgeblähten Finanzmärkte, der Immobilienboom, die dramatische Verschuldung von Haushalten, Unternehmen und Staaten sowie die Gebirge fiktiven Kapitals sind Ausdruck einer tiefen Stagnationskrise im produktiven Sektor und fallender Profitraten. Riesige Überkapazitäten bedeuten, dass es immer weniger lukrative Anlagemöglichkeiten gibt und das Kapital in den spekulativen Bereich drängt. Der „darunter“ ablaufende Prozess ist die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals (der Anteil des konstanten Kapitals c wächst gegenüber dem variablen Kapital v).

Im Kapitalismus kann diese Krise nur durch die Vernichtung riesiger Massen überschüssigen Kapitals und auf Kosten der Lohnabhängigen „gelöst“ werden. Die Angriffe auf die Arbeiterklasse und die „Dritte Welt“ werden daher zunehmen. Viele Länder stehen vor dem Staatsbankrott. Massenbewegungen entwickeln sich: Proteste, Massenstreiks, Aufstände. Island, Griechenland oder Frankreich sind Beispiele dafür.

Doch auch die Konflikte zwischen imperialistischen Mächten (v.a. zwischen den USA und der EU) und mit aufstrebenden Regionalmächten wie China oder Russland werden sich verschärfen. Wir stehen in einer Periode, die auf eine Neuverteilung der Welt hinausläuft, die von Krisen und heftigen Klassenkämpfen, von vorrevolutionären, ja revolutionären Situationen geprägt sein wird.

Deutschland

Inzwischen schlägt die Krise auch in der BRD voll durch. Jedes zweite Unternehmen erwägt Entlassungen. Zehntausende LeiharbeiterInnen sind schon auf die Straße gesetzt worden, Monat für Monat steigt die Zahl der KurzarbeiterInnen. Etliche Betriebe stehen vor dem Aus. Selbst Groß-Unternehmen wie Opel droht der Untergang.

Die Wirtschaftsinstitute rechnen mit einem Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts von über zwei Prozent 2009 und einer Rezession auch 2010. Manche Ökonomen gehen von 5 Prozent Rückgang aus.

Auch wenn Staat und Kapital versuchen mögen, manche Angriffe erst nach der Bundestagswahl zu starten - klar ist, dass uns Attacken auf Arbeitsplätze, Löhne, Sozialleistungen erwarten, die weit über das hinausgehen, was wir bisher erlebt haben. Und sie werden früher kommen.

Die Bundesregierung versucht, die Krise zu begrenzen, indem sie Milliarden schwere Hilfspakete schnürt, um marode Banken und Unternehmen zu stützen, um zu verhindern, dass deren Crash größere Teile der Wirtschaft mit in den Strudel reißt. Auch Verstaatlichungen und „Enteignungen“ stellen keine „Abschaffung des Kapitalismus“ dar, sondern dienen der Rettung des Gesamtsystems.

Doch die hektische Betriebsamkeit der Regierung beseitigt nicht die Ursachen der Katastrophe. Allenfalls kann sie die Krise dämpfen - um den Preis ihrer Verlängerung. Sie pumpt weiter Geld - das aus neuer Verschuldung kommt - in den Finanzsektor, der sich jedoch als Fass ohne Boden erweist.

Die Kosten dieses Krisenmanagements und der „Rettungspakete“ werden letztlich auf Lohnabhängige, Arbeitslose, Jugendliche, Rentner und Frauen abgewälzt - durch Sozialabbau, Lohnraub oder Sondersteuern wie die derzeit diskutierte „Krisenabgabe“. Die dramatisch steigende Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen bedeutet allein schon, dass notwendige soziale Ausgaben gekürzt werden; sie bedeuten auch, dass immer mehr „Volksvermögen“, d.h. von der Arbeiterklasse erwirtschafteter Reichtum, als Schuldendienst dem Finanzkapital in den Rachen geworfen werden muss.

Inzwischen beginnt sich aber auch hierzulande der Widerstand gegen die Auswirkungen der Krise zu formieren. Am 28. März wird es in Berlin und in Frankfurt/M. die ersten bundesweiten Großdemonstrationen geben. Ihr Motto: „Wir zahlen nicht für eure Krise“. Zur Vorbereitung dieser Aktion haben sich Bündnisse aus verschiedensten Spektren und Organisationen gebildet.

Widerstand

Diese bundesweiten Demos müssen zu einem ersten kräftigen Impuls für den Aufbau einer starken klassenkämpferischen Massenbewegung gegen Krise und Kapitalismus werden! Doch die Formierung der Bewegung wirft auch die Frage auf, welche Ziele, welche Methoden, welche Organisationsformen sie haben soll.

Nicht überraschend zeigt sich dabei erneut, dass die Führungen der reformistischen Arbeiterorganisationen DGB, SPD und DIE LINKE nicht an der Formierung von Widerstand interessiert sind, sondern am Erhalt des Kapitalismus.

Sie alle unterstützen die Anti-Krisen-Maßnahmen der Regierung und damit auch deren fatale Folgen für die Massen.

Die Gewerkschaftsführungen haben nicht nur jahrelang Sozialabbau, die Aushöhlung des Tarifsystems und die massive Ausweitung von Billiglöhnerei zugelassen und z.T. selbst mitgetragen. Vor allem haben sie die Massenproteste gegen Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze demobilisiert. Auch die Massenentlassungen von LeiharbeiterInnen haben sie widerstandslos hingenommen. DIE LINKE exekutiert seit Jahren als Regierungspartei in Berlin neoliberale Politik, von der SPD gar nicht zu reden.

Auch jetzt versuchen die Reformisten wieder, die Bewegung zu bremsen oder in eine Sackgasse zu führen. Die Vorstände des DGB und der Einzelgewerkschaften mobilisieren erst gar nicht für den 28. März. DIE LINKE und einzelne Sektoren der Gewerkschaften unterstützen die Mobilisierung zwar, versuchen aber zugleich, der Bewegung in undemokratischer, ja erpresserischer Weise eine reformistische Ausrichtung zu verpassen. Diese äußert sich u.a. darin, dass konkrete Forderungen (wie z.B. die nach 10 Euro Mindestlohn) zugunsten unverbindlicher und verschwommener Formeln abgelehnt wurden. Man will sich ja schließlich nicht festlegen lassen und damit mögliche Koalitionspartner vergraulen oder gar die eigene Regierungspraxis in Frage stellen.

Für diese Leute geht es nur darum, eine Bewegung in Gang zu bringen, die als Verhandlungsmasse missbraucht und in Wählerstimmen umgemünzt werden kann.

Welche Bewegung brauchen wir?

Natürlich müssen für eine starke Bewegung gegen die Krisenfolgen auch die Gewerkschaften, DIE LINKE, ja auch die bürgerliche Arbeiterpartie SPD hineingezogen werden. Dazu braucht es aber keinen Kniefall vor deren Politik; dafür ist es notwendig, von ihnen einen Bruch mit ihrer bisherigen Koalitionspolitik mit dem Kapital, mit ihrem Standortpatriotismus zu fordern. Dazu ist es notwendig, diese Politik zu attackieren und eine klassenkämpferische und eine revolutionäre Alternative aufzuzeigen und dafür Kräfte zu mobilisieren und zu organisieren. Konkret heißt das z. B., am 28.3. antikapitalistische Blöcke zu formieren. Auch Arbeitermacht und die Jugendorganisation REVOLUTION unterstützen diese Blöcke.

Wenn die Bewegung gegen die Krise nicht wie in den letzten Jahren erneut bei Protesten stehenbleiben und ihre Ziele verfehlen will, so muss sie die Schwächen der vergangenen Jahre überwinden. Was heißt das?

Wir dürfen uns nicht auf die reformistischen Spitzen und deren Versprechen verlassen. Wir brauchen eigene, von der Basis demokratisch bestimmte und kontrollierte Kampfführungen, die in einer klassenkämpferischen Basisbewegung koordiniert sind. Diese muss in Gewerkschaften, in Betrieben und Stadtteilen, bei Beschäftigten, Arbeitslosen, ImmigrantInnen und in der Jugend verankert sein.

Die Bewegung muss ihre Ziele und Methoden offen diskutieren und ein Aktionsprogramm erarbeiten.

Mit Protest allein können Kapital und Regierung zu nichts gezwungen und ihre Angriffe nicht gestoppt werden! Daher muss die Bewegung auch zu Mitteln wie Blockaden, Besetzungen und Streiks greifen! Letzten Endes können nur politische Massenstreiks bzw. ein Generalstreik verhindern, dass die Massen für die Krise des Kapitals bluten. Letztlich braucht es auf die Krise eine politische Antwort der gesamten Klasse und aller Unterdrückten.

Als grundlegende Forderungen für die Anti-Krisen-Bewegung schlagen wir vor:

Nein zu allen Entlassungen! Sofortige Einführung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Aufteilung der Arbeit auf alle Hände unter Arbeiterkontrolle!

Für eine gleitende Skala der Löhne und Sozialeinkommen gegen die Inflation!

Für einen Mindestlohn von 11 Euro/Stunde netto! Weg mit den Hartz-Gesetzen! Arbeitslosengeld und Mindesteinkommen für RentnerInnen und Auszubildende von 1.600/Monat, finanziert aus Progressivsteuern auf Reichtum und Kapital!

Nein zu den Rettungspaketen und Konjunkturprogramme für die Kapitalisten! Offenlegung aller Geschäftsunterlagen, der Konten und Finanzpläne, kontrolliert durch Arbeiterinspektionen!

Enteignung von Banken, Fonds und Börsen sowie deren Zusammenlegung zu einer einheitlichen Staatsbank unter Arbeiterkontrolle!

Enteignung der Konzerne unter Arbeiterkontrolle - beginnend mit allen Unternehmen, die drohen, Löhne zu kürzen und ArbeiterInnen zu entlassen!

Perspektive

Diese Forderungen können nicht durch Wahlen bzw. vom Parlament umgesetzt werden. Sie können nur Resultat von Mobilisierungen, von Klassenkampf sein. Es ist klar, dass jede Errungenschaft im Kampf nur gegen den Widerstand von Staat und Kapital erreicht werden kann und dass der Klassengegner desto rabiater agieren wird, je energischer und offensiver die Arbeiterklasse handelt.

Gerade die jetzige dramatische Krise wirft nicht nur „abstrakt“ die Systemfrage auf; wenn die Grundfesten des Kapitalismus erschüttert sind, kann sich diese Frage sehr rasch ganz praktisch stellen: Welche Klasse diktiert, was geschieht? Wer hat die Staatsmacht? Schon ein Generalstreik wirft diese Frage auf - ohne sie automatisch zu beantworten.

Ein Sofortprogramm für die Arbeiterklasse kann von keiner bürgerlichen Regierung, kann nicht von den Parlamentsparteien durch Reformen umgesetzt werden. Dazu ist eine Arbeiterregierung notwendig, die sich auf räteähnliche Organe der Massenmobilisierung und von Massenstreiks stützt. Nur eine solche Regierung ist in der Lage, die Kapitalisten zu enteignen, die krisengeschüttelte Wirtschaft auf planwirtschaftlicher Grundlage zu reorganisieren und den Widerstand der herrschenden Klasse zu brechen, die ArbeiterInnen in Selbstverteidigungsorganen wie Milizen zu bewaffnen und den bürokratischen Staatsapparat durch einen Rätestaat zu ersetzen.

Es ist die Aufgabe von MarxistInnen, auf diese Konsequenzen des Klassenkampfes hinzuweisen, die Bewegung, die Klasse darauf vorzubereiten und Antworten zu geben.

Die Zuspitzung des Klassenkampfes kann auch in Deutschland o.a. europäischen Ländern zu einer (vor)revolutionären Krise führen, wo die Machtfrage - wie z.B. im letzten Dezember in Griechenland - direkt steht.

Es ist unsere Aufgabe, uns und die Klasse darauf vorzubereiten, also auch das politische Instrument zu schaffen, das die ArbeiterInnen und alle Unterdrückten in diesem Kampf führen kann: eine revolutionäre Arbeiterpartei.

Die kommenden Kämpfe sind Kämpfe, die in ganz Europa, auf der ganzen Welt stattfinden, ebenso wie die Krise und ihre Ursachen keine „nationalen Fragen“ sind. Unser Abwehrkampf muss daher von Beginn an ein europaweiter und internationaler sein. Dazu brauchen wir nicht nur international koordinierte Aktionen, sondern auch einen politischen Generalstab: eine neue, revolutionäre Fünfte Internationale!

Editorische Anmerkungen

Der Text  wurde online erstveröffentlicht auf der Website der Gruppe Arbeitermacht. Wir spiegelten von dort.