8. März 2009
Internationaler
FrauenMädchenLesben Kampftag

03/09

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Nein heißt NEIN!“: queer_feministische Demonstration für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper

Seit den 1920er Jahren ist der 8. März der „internationale Frauentag“. Er ist im Zuge des Kampfes der sozialistischen Arbeiter_innenbewegung für Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht entstanden. Seitdem ist er ein Kampftag gegen patriarchale Verhältnisse und für gesellschaftliche Mit- und Selbstbestimmung. Anschließend an diese kämpferische Tradition wollen wir auf die Straße gehen und gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt demonstrieren.

Mittlerweile hat dieses Datum jedoch leider vielfach an revolutionärer Kraft verloren. Immer mehr verkommt er zu einem zweiten Muttertag. Der Ehefrau, Mutter, Liebespartnerin oder Tochter wird an diesem Tag mal ausnahmsweise das Frühstück zubereitet, sie erhalten einen Blumenstrauß und dürfen für einen Tag mal die Füße hochlegen. Wenn Unterdrückung und Herrschaftsverhältnisse im Zuge des 8. Märzes thematisiert werden, dann vermehrt mit dem Blick auf andere, ‚ach so’ patriarchale Gesellschaften. Denn hier seien alle doch so gleichberechtigt: Frauen können seit 1918 wählen gehen, Vergewaltigungen innerhalb einer Ehe sind seit 1996 eine Straftat, Frauen stehen alle Bildungswege offen und arbeiten gehen sie auch schon lange.
Wir setzen jedoch dem Glauben, dass, Frauen/Lesben/Trans gleichberechtigt sind, ein entschiedenes NEIN entgegen. Hier von Gleichberechtigung zu sprechen ist patriarchaler Hohn. So haben beispielsweise Frauen weiterhin meist die Zuständigkeit für Haushalt und Familie. Sieben von zehn Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit, sobald das erste Kind geboren ist. Männer hingegen verfolgen ihre berufliche Karriere, sind u.a. aufgrund dessen die Besser-Verdiener und in höheren Positionen vertreten. Aber auch jenseits von familiären Zwängen verdienen Frauen durchschnittlich nur 78 Prozent des Einkommens von Männern – bei gleichwertiger Arbeit. Bezüglich der fachlichen Ausbildung stehen Frauen formal alle Bildungswege offen. Mädchen, haben im Verhältnis zu Jungen die besseren Schulabschlüsse, dementsprechend erhalten auch mehr Mädchen die Zugangsberechtigung zu Hochschulen. Allerdings endet dann auch eine Hochschulkarriere für die meisten Frauen mit ihrem Abschluss und dies nicht, weil er schlechter ist als der von Hochschulabsolventen. Gesellschaftliche Prestige-Positionen werden von Männern dominiert. Männer fördern Männer und Frauen müssen sich da irgendwie durchboxen. Sie müssen gegen Vorurteile ankämpfen wie, dass sie einfach nicht dazu geboren seien, Verantwortung zu übernehmen und leitende Positionen zu besetzen.

Der bittere Alltag sexualisierter Gewalt

Aber nicht nur diverse frauenfeindliche Vorurteile machen Frauen/Lesben/Trans das Leben schwer, sondern ebenso weitere geschlechtsspezifische Gewaltverhältnisse. Jede zweite Frau muss sich an ihrem Arbeitsplatz anzügliche Bemerkungen anhören, jede dritte Frau wird mit ‚Pokneifen’ oder –klapsen belästigt während drei Prozent aller arbeitnehmenden Frauen zu sexualisierten Handlungen gezwungen werden.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass sexualisierte Gewalt nicht Ausnahme sondern Alltag ist. Sexistische Strukturen, die das Ausüben sexualisierter Gewalt erst möglich machen, durchziehen alle gesellschaftlichen Bereiche. Somit ist die Gefahr, sexualisierter Gewalt ausgesetzt zu sein, nicht lediglich am Arbeitsplatz gegeben, sondern überall.

Was ist sexualisierte Gewalt?

Sexualisierte Gewalt umfasst jegliche sexuell konnotierten Worte, Gesten, Handlungen und Verhaltensweise, die als übergriffig, grenzüberschreitend und verletzend empfunden werden. Fast jeder Frau widerfährt während ihres Lebens diese Gewaltform. Ebenfalls betroffen sind Menschen, die nicht in die herrschenden Geschlechterkategorien passen, sowie Männer, hauptsächlich wenn sie nicht dem hegemonialen Männlichkeitsbild entsprechen. Die Täter sind zu 99% männlich und entgegen herrschender gesellschaftlicher Mythen sind sie den Betroffenen meist sehr gut bekannt. Sie stammen mehrheitlich aus deren Nahbereich, es ist der Vorgesetze, Kollege, Genosse, Freund, Mitschüler, Nachbar, Verwandte oder Liebespartner, der ganz „normale“ Mann eben. Und wo wir gerade schon dabei sind, Annahmen als Mythen zu entlarven, machen wir auch weiter damit:
Sexualisierte Gewalt hat nichts mit Sexualität zu tun. Bei sexualisierter Gewalt geht es nicht um sexuelle Bedürfnisse, sondern eine gewaltförmige Handlung wird vom Täter mit Sexualität verknüpft. Dies dient der Ausübung von Macht und Kontrolle. Gerade durch Abhängigkeitsverhältnisse wird es Betroffenen erschwert, sich den Übergriffen zu entziehen und ihnen etwas entgegen zu setzen. So ist beispielsweise die Hürde für eine Angestellte, sich gegen sexualisierte Übergriffe durch einen Vorgesetzten zu wehren, sehr hoch. Zusätzlich zu solchen direkten Abhängigkeitsverhältnissen, wird die Möglichkeit sich vor Übergriffen zu schützen auch durch andere gesellschaftliche Machtverhältnisse eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht. Dies gilt zum Beispiel für illegalisierte Frauen, aufgrund ihres nicht gesicherten Aufenthaltstatus.

No means No!

Weitere Mythen beziehen sich auf die Frage nach der Schuld. Doch egal welche Schuldumkehrungen und Rechtfertigungen aufgefahren werden: Betroffene von sexualisierter Gewalt haben niemals Schuld an diesem Übergriff. Die Verantwortung hat immer der Täter. Eine Teilschuld kann allerdings dem Umfeld gegeben werden, wenn ein Wissen über sexualisierte Gewalt besteht, worauf nicht reagiert, eingegriffen und die Betroffene unterstützt wird.
Und: Nein heißt NEIN! Es wird endlich Zeit, mit dieser bekloppten Annahme, Frauen würden ja meinen, wenn sie nein sagen, aufzuräumen. Nein heißt NEIN. Und dabei ist es völlig egal, in welcher Form sich dieses NEIN ausdrückt. Jedes „Vielleicht später“, „Nein danke“, „Verpiss dich“, „Ich weiß noch nicht“, „Ich mag dich, aber…“, „Ich will jetzt lieber schlafen“ bedeutet genauso NEIN, wie auch jedes Abwenden, Zögern, Schweigen und jede Stille.
Ebenso darf die Unterstellung „wer A sagt muss auch B sagen“ nicht länger Berechtigung haben. Knutschen besagt nicht, dass auch angrapschen gewollt ist. Jemanden nach einer Party nach Hause zu begleiten heißt nicht, dass selbstverständlich Sex gewollt ist. Sexuelle Handlungen gemeinsam zu starten bedeutet nicht, dass diese nicht auch verändert, verlangsamt oder eben auch gestoppt werden können. Wer A sagt bzw. macht muss gar nichts! Die Unversehrtheit und Selbstbestimmung des eigenen Körpers muss selbstverständlich und unantastbar sein!

Für die Definitionsmacht der von sexualisierter Gewalt Betroffenen

Ein queer-feministisches Verständnis von sexualisierter Gewalt, welches den herrschenden patriarchalen Gesellschaftsstrukturen kritisch entgegentritt, muss die Macht, Grenzüberschreitungen zu benennen und Widerfahrenes als sexualisierte Gewalt zu definieren, in die Hand der Betroffenen legen. Und dies ohne das Einfordern jeglicher Beweise. Grenzüberschreitungen können nicht objektiv bewiesen werden. Lediglich Betroffene sind diejenigen, die sagen können, ob ihre Grenzen überschritten worden sind und niemand anderes! Die Betroffene hat die Definitionsmacht über das Geschehene und sie bestimmt ebenso wer, wann und wie von dem Übergriff erfahren soll und welcher Umgang gegenüber dem Täter gewollt ist. Das Konzept der Definitionsmacht setzt der bestehenden sexistischen Scheiße einen emanzipativen Raum entgegen und überlässt Betroffenen die Kontrolle und Entscheidung über sich selbst. Dieser Freiraum muss jedoch fortwährend angeeignet, hergestellt und verteidigt werden. Sexistische Strukturen erledigen sich nicht von alleine, sondern müssen aktiv angegriffen werden.

Falsches Ganzes? Weg damit!

Sexistische Strukturen zwängen Menschen in binäre Geschlechterkategorien. Menschen werden entweder als weiblich oder männlich konstruiert und alle tragen aktiv an dieser Konstruktion bei. Dass Geschlecht konstruiert ist, bedeutet jedoch nicht, dass es keine Frauen und Männer gibt, denn dafür hat die Konstruktion eine zu große Wirkungsmacht. Die Art und Weise, wie wir uns selber und andere Menschen wahrnehmen ist erlernt. Durch dieses spezifische gesellschaftliche Sehen werden andere Lebensrealitäten den dominanten Kategorien angepasst oder unsichtbar gemacht. Es gibt keine Essenz und keinen Wesenskern von Geschlecht. Die Natürlichkeit von Geschlecht basiert auf gesellschaftlichen Mythen. Die Annahme von Weiblichkeit und Männlichkeit als etwas natürliches, eindeutiges und unveränderbares, verschleiert die Konstruktion von Geschlecht. Die vermeintlich natürlichen Geschlechterkategorien stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. In dieser zweigeschlechtlich organisierten Gesellschaft besteht eine patriarchale Geschlechterhierarchie. Sexismus ist jede Handlung und verfestigte, gesellschaftliche Struktur, die die Unterdrückung und Marginalisierung einer Person oder Gruppe aufgrund ihres Geschlechts bewirkt und fortschreibt. Konkret bedeutet dies, dass Männer generell, insbesondere jedoch der weiße, heterosexuelle Mann, strukturell privilegiert, also begünstigt wird. Menschen die nicht dem Ideal des weißen heterosexuellen Mannes entsprechen, sind gezwungen sich mit den sexistischen, rassistischen und homophoben Gewaltstrukturen auseinanderzusetzen, die ihnen tagtäglich entgegentreten. Eine queer_feministische Gesellschaftskritik muss genau diese verschiedenen Herrschaftsverhältnisse mitdenken und angreifen und darf nicht bei einer Kritik an patriarchalen Strukturen stehen bleiben. Sexistische, kapitalistische, rassistische und antisemitische Strukturen sind Gewaltverhältnisse, die die Selbstbestimmung, körperliche Integrität und Freiheit von Menschen beschneiden, einschränken und unmöglich machen. All diese Strukturen müssen angegriffen werden und Platz machen für ein emanzipatorisches Miteinander.

Aus dieser Motivation werden wir am 7. März auf die Straße gehen und den 8. März als Kampftag gegen die beschissenen Herrschaftsverhältnisse solange aufrecht erhalten, bis diese Herrschaftsverhältnisse Geschichte geworden sind.

Quelle: http://femko.blogsport.de