Vom Geschäftemachen versteht Madagaskars
Präsident Marc Ravalomanana etwas. Schließlich hat sich der
59-Jährige vom radelnden Joghurt-Verkäufer zum Chef des
Firmenimperiums Tiko empor gewirtschaftet. Das Geschäft mit
Milch hat ihn zum reichsten Mann der Tropeninsel gemacht - schon
bevor er 2002 in den Präsidentenpalast einzog.
Aber auch als Chef des bitterarmen Inselstaates wirtschaftete
Ravalomanana erfolgreich - nach Ansicht der Opposition vor allem
in die eigene Tasche. Selbstbereicherung und Korruption wirft
Andry Rajoelina, Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo, dem
Präsidenten vor und ist drauf und dran, ihn aus dem Amt zu
jagen.
Was viele Madagassen besonders empört, ist
ein Deal, den Ravalomanana mit dem südkoreanischen Konzern
Daewoo Logistics einfädelte. Ende 2008 sicherte sich das
Handelsunternehmen die Rechte an 1,3 Millionen Hektar Land -
etwa die Hälfte der fruchtbaren Fläche der Insel.
Auf Madagaskar tobt seit einer Woche ein
Machtkampf zwischen Präsident Marc Ravalomanana und
Oppositionsführer Andry Rajoelina, Bürgermeister der Hauptstadt
Antananarivo.
Bei Ausschreitungen kamen in den
vergangenen Tagen mehr als 100 Menschen zu Tode. Die Opposition
wirft dem Präsidenten einen diktatorischen Regierungsstil und
Korruption vor.Der Präsident setzte Rajoelina, der sich bereits
zum neuen Inselchef ausgerufen hatte, gestern als Bürgermeister
ab.
Daewoo, das die Ländereien für 99 Jahre
pachtete, will Mais und Palmöl anbauen und die Ernte nach
Südkorea verschiffen. Die Firma, so Manager Shin Dong-Hyun,
wolle die Hälfte des südkoreanischen Maisbedarfs aus Madagaskar
beziehen. Die Insel selbst ist auf Reisimporte angewiesen und
rangiert im Welthungerindex auf einem der hinteren Plätze.
Was Madagaskar von dem Deal hat? Pachterträge jedenfalls nicht.
Ravalomanana lässt die Südkoreaner umsonst ackern. "Wir werden
Arbeitsplätze bereit stellen", erklärte ein Daewoo-Sprecher. Das
Unternehmen bringe Know-how und Fachleute auf die Insel und
steigere so die Produktivität des Landes.
Für die internationale Umwelt und
Agrarorganisation Grain ist der Daewoo-Deal mit Madagaskar ein
besonders krasser Fall einer "Landnahme", die die
Ernährungssicherung der heimischen Bevölkerung gefährde.
Lebensmittel- und Finanzkrise hätten eine neue "globale
Landnahme" ausgelöst, bilanziert Grain in einer Studie.
Vor allem Schwellenländer und Ölstaaten
sicherten sich Ackerflächen in armen Staaten. Eine lange Liste
des "offshore farmings" präsentiert Grain, führt etwa die
saudische Firma Adco auf, die im Sudan auf 10 000 Hektar die
Weizenernte einfährt und übers Rote Meer heimholt, während im
Anbaugebiet die Menschen hungern.
Jacques Diouf, Chef der
UN-Ernährungsorganisation, brandmarkt solche Geschäfte als "eine
Form von Neokolonialismus". Grain und die
Menschenrechtsorganisation Fian warnen vor dem groß angelegten
Ausverkauf von Grund und Boden.
Statt Kleinbauern zu fördern, die sich und
die Bevölkerung der Region versorgen könnten, würden riesige
Flächen für eine industriell betriebene Landwirtschaft genutzt,
um Getreide für weit entfernte Absatzmärkte zu produzieren.
Auf Madagaskar darf Daewoo nach offiziellen
Angaben wegen der Proteste erst einmal (noch) nicht ackern.
Tatsächlich aber wird der Boden schon bereitet. Der Mainzer
Tropenmediziner und Madagaskar-Experte Johannes Wantzen hat bei
seinem jüngsten Aufenthalt bereits Planierraupen im Westen der
Insel gesehen. "Da wird offensichtlich schon für eine
industrielle Landwirtschaft terrassiert."
Proteste gegen Madagaskars Präsidenten
Polizei erschießt Plünderer und Demonstranten
Nach gewalttätigen Protesten auf der
Tropeninsel Madagaskar hat die Polizei offenbar zahlreiche
Plünderer erschossen. Laut der Nachrichtenagentur dpa stieg die
Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit den Demonstrationen und
folgenden Krawallen damit auf mindestens 60. Am Montag waren
Medienberichten zufolge drei Demonstranten erschossen und elf
weitere zu Tode getrampelt worden. Nach Angaben des Rundfunks
erschossen die Sicherheitskräfte mindestens 20 Plünderer in der
im Südwesten der Insel gelegenen Hafenstadt Tulear und weitere
fünf in der Hauptstadt. Die Feuerwehr teilte zudem mit, dass 20
Plünderer in einem Einkaufszentrum in der Hauptstadt
Antananarivo verbrannt seien.
Ausgangssperre verhängt
Das Militär verhängte eine nächtliche
Ausgangssperre über die Hauptstadt Antananarivo. Zwischen 21.00
und 04.00 Uhr Ortszeit durfte sich niemand mehr auf den Straßen
zeigen, teilte die Armee mit. In der Nacht zuvor waren laut
Medienberichten sieben Einkaufszentren komplett geplündert und
zahlreiche Firmenfahrzeuge in Brand gesteckt worden.
Die Proteste richteten sich vor allem gegen Präsident Marc
Ravalomanana und dessen Reichtum, den er größtenteils im Lauf
seiner Amtszeit erworben hat. Für scharfe Kritik seiner Gegner
sorgte der Kauf eines neues Dienstflugzeugs für umgerechnet rund
45 Millionen Euro. Ziel der Plünderungen waren unter anderem
Geschäfte aus dem Firmenimperium des Präsidenten.
Präsident unter Druck
Ravalomananas Kritiker werfen ihm auch vor,
politische Gegner zu verfolgen und mit Hilfe seiner Zeitungen
und seines Fernsehsenders MBS mit Hetzkampagnen zu überziehen.
Daneben entzündete sich der Zorn der Demonstranten an Eingriffen
in die Pressefreiheit. Die Ausschreitungen hatten nach einer
Massendemonstration begonnen, bei der Zehntausende gegen die
Schließung eines populären regierungskritischen TV-Senders
protestiert hatten.
Madagaskars Präsident hat in seiner Amtszeit privaten Reichtum
angehäuft. Kritiker werfen ihm vor, politische und
wirtschaftliche Interessen zu vermengen. Proteste gegen ihn
mündeten in Plünderungen mit vielen Toten. Dem Land droht ein
Bürgerkrieg.
Madagaskar, bettelarmer Inselstaat vor der Südostküste Afrikas,
steht am Rande eines Bürgerkriegs: Es gilt eine nächtliche
Ausgangssperre, viele Ausländer sitzen auf gepackten Koffern,
die deutsche Botschaft empfiehlt Bundesbürgern, ihre Wohnungen
nicht zu verlassen. Im Rundfunk wird vor Straßenräubern gewarnt,
die mit erbeuteten Maschinenpistolen Passanten überfielen.
Dutzende Tote bei Zusammenstößen
Nach einer Demonstration von 80.000
Menschen Anfang der Woche war es in der Hauptstadt Antananarivo
zu Zusammenstößen mit der Armee gekommen. Dabei kamen über 30
Menschen ums Leben, der regierungskritische Rundfunk berichtete
gar von über 70 Toten. Sicher ist, dass nach Plünderungen und
Brandschatzungen allein in einem Einkaufskomplex 25 Leichen
gefunden wurden - völlig verkohlt. Die Menschen hatten versucht,
so viel wie möglich aus dem brennenden Gebäude herauszuschleppen
und waren dabei in eine tödliche Falle geraten.
Der außer Kontrolle geratene Protest
richtete sich gegen Präsident Marc Ravalomanana und sein - wie
viele sagen - diktatorisches Regime. Ravalomanana, für viele im
Westen bisher ein Hoffnungsträger, wird der hemmungslosen
Bereicherung sowie der Verquickung politischer und
wirtschaftlicher Interessen beschuldigt. Zu bestreiten ist das
kaum. Ihm gehören Zeitungen, Radiosender und eine
Fernsehstation, eine Druckerei, eine Straßenbaufirma und eben:
Einkaufszentren. Viele Plünderer hatten deshalb nicht einmal ein
schlechtes Gewissen, als sie Ravalomananas Geschäfte leerräumten
und sein Medienzentrum in Brand steckten.
Der Unmut schwelt schon lange. Gerade hatte
sich der Präsident für 60 Millionen Dollar einen neuen Dienstjet
gegönnt. Dann ließ er auch noch den beliebten
regierungskritischen Privatsender Viva schließen.
Editorische
Anmerkungen
Den Artikel erhielten wir
von der Autorin zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe. Es
handelt sich um eine Textzusammenstellung aus folgenden
Quellen: