Generalstreik in Griechenland
von Ludwig Börne03/08
trend
onlinezeitungÜber 400.000 Leute nahmen am 19.3.2008 an Demonstrationen und Streiks in vielen griechischen Städten teil. Seit einigen Tagen streiken zahlreiche Teile von verbeamteten Arbeitern und Angestellten gegen den Plan der Regierung zu einer Änderung des Versicherungssystems, viele weitere Berufsrichtungen hatten sich gestern angeschlossen.
An dem Protest gegen eine geplante Rentenreform der konservativen Regierung nahmen Krankenhausärzte, Fluglotsen, Hafenarbeiter, Lehrer, Journalisten, Hotelpersonal und Beschäftigte von Tankstellen teil, Ärzte behandelten Patienten nur in dringenden Fällen. Wegen einer vierstündigen Arbeitsniederlegung der Fluglotsen wurden Dutzende von Inlandsflügen abgesagt. Viele internationale Flüge konnten nur verspätet starten oder landen. Gestrandete Reisende waren aber kaum zu sehen, da die Fluglinien ihre Kunden zuvor informiert hatten, es war bereits der dritte Generalstreik seit Dezember.
Heute Entscheidung im Parlament
Am heutigen Donnerstag will die Regierung über die Reform abstimmen. Bereits am Dienstag waren Eisenbahnbeschäftigte in einen 24-stündigen Streik getreten. Auch Banken waren geschlossen geblieben, die Gerichte sind von einem einwöchigen Streik der Anwälte betroffen. In den Straßen türmte sich am Mittwoch wegen des Streiks der Müllwerker der Abfall, ein Ausstand beim größten Elektrizitätsversorger führt seit zwei Wochen zu ständigen Stromausfällen. Da die Journalisten sich im Ausstand befanden, gab es aus diesem Grund am Mittwochmorgen keine Nachrichten im Radio und Fernsehen, viele griechische Zeitungen titelten mit "Nein". Wegen der Proteste mussten Dutzende Flüge gestrichen werden, Schiffe wurden nicht abgefertigt. Der Streik ging landesweit und dauerte zunächst 24 Stunden.
Direkte Aktionen gegen Banken und Kameras
In der Innenstadt von Athen fand die größte Demonstration statt. Dabei kam es zu Zusammenstößen zwischen Autonomen, welche die Polizei vor dem Parlamentsgebäude attackierten. Die Polizei setzte Tränengas ein, zahlreiche Schaufenster von Banken gingen kaputt, Mülltonnen landeten auf der Straße. Demonstranten bewarfen die Polizei in mit Steinen und Molotowcocktails, die Sicherheitskräfte feuerten Tränengasgeschosse ab. Aktionen gegen Kameras wurden in Heraklion (Kreta) durchgeführt. In Athen kommt es schon seit Monaten immer wieder zu Anschlägen, zuletzt wurden mehrere Haushaltsgasflaschen vor dem Eingang des Büros eines Parlamentsabgeordneten im Zentrum Athens angezündet. Vor einem Monat wurden auch zwei Polizeiwachen und eine Filiale des Arbeitsamtes angegriffen. In Tessaloniki setzten Demonstranten zwei Banken und drei Geldautomaten in Brand. In Athen protestierten insgesamt ca.100.000 Menschen gegen die geplante Rentenreform der Regierung, in Thessaloniki waren es über 8.000.
Kämpfen gegen eine längere Arbeitszeit
Die Demonstranten protestierten gegen ein Rentenreform-Gesetz der konservativen Regierung. Zu den umstrittenen Änderungen zählt die Erhöhung der Rentenbeitragszeit um zwei Jahre. Damit könnten die Griechen erst nach 37 Beitragsjahren und frühestens im Alter von 60 Jahren in Rente gehen. Bisher müssen sie 35 Jahre arbeiten und können schon mit 58 in den Ruhestand gehen. Die Regierung von Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis hatte erklärt, das derzeitige Rentensystem könne ohne Reformen in wenigen Jahren zusammenbrechen. Derzeit gebe es in Griechenland etwa 170 Rentenfonds, denen angeblich ein Defizit von insgesamt 120 Milliarden bis 400 Milliarden Euro drohe. Die Gewerkschaften befürchten niedrigere Alterseinkünfte und ein höheres Renteneintrittsalter. Organisiert werden die Streiks größtenteils von der Gewerkschaftsbund GSEE und der Gewerkschaft der Angestellten des öffentlichen Dienstes ADEDY. Die Regierung dürfe die öffentliche Empörung nicht unterschätzen, sagte deren Vorsitzender. Arbeitsministerin Fani Palli Petralia sagte jedoch, die Regierung halte an den Reformen fest. "Wir können sie nicht verschieben." Die Probleme müssten nun einmal gelöst werden. Das sehen die Demonstranten ähnlich, nur eben auf ihre Art und Weise.Editorische Anmerkungen
Wir spiegelten den Text von Indymedia.
Infos von Indymedia-GriechenlandAthen: Protest vor dem Parlament
http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=843464
Thessaloniki: Angriffe auf Banken
http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=843289
Patras: HochschulstudentInnen halten Hörsäle besetzt
http://patras.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=946
Heraklion: Aktionen gegen Überwachungskameras
http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=843525
Heraklion: Autonome stürmen ein Regierungsgebäude
http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=843569Bilder zu den Aktionen in Thessaloniki http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=844089