Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Rechtsradikale Polizisten im nordfranzösischen Amiens vom Dienst suspendiert
Intensive Verbindungen zum Front National und zu einer rechtsextremen Polizeigewerkschaft nachweisbar

03/08

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Wie in der zweiten Febuarwoche erstmals der Öffentlichkeit bekannt wurde, hat die französische Innenministerin Michèle Aliot-Marie drei Polizisten im nordfranzösischen Amiens vom Dienst suspendiert. In der Nacht vom Freitag, den 1. zum 2. Februar hatten sie in einer Bar in ihrer Stadt rechtsradikale Parolen gegrölt und waren vom Wirt hinaus komplimentiert worden, nachdem Gäste sich beschwert hatten und aggressiv zu werden drohten. Allem Anschein nach besteht zumindest teilweise ein organisierter rechtsextremer Hintergrund. Alle drei gehörten den Brigades anti-criminalité (BAC) an, einer militarisierten Sonderheit der Polizei, die für die Bekämpfung von Kriminalität insbesondere in den Sozialghettos der französischen Trabantenstädte zuständig ist.

Die drei Polizeibeamten im Alter von 39, 37 und 30 Jahren befanden sich nach Dienstschluss in Zivil, als sie gegen 23.30 Uhr die gut gefüllte Bar ‚My Goodness’ betraten. Dort stießen sie ‚Sieg Heil’-Rufe (auf Deutsch wie im Original) aus, sangen Nazi-- oder ähnliche Lieder und klopften zudem antisemitische Sprüche: „Tod den Juden“, „Man müsste die Verbrennungsöfen wieder anwerfen“. Einer der drei soll zudem noch rassistische Auslassungen hinzugefügt haben: „Und wenn es mich meine Karriere kosten würde, ich werde nicht zulassen, dass mein Land von ‚bougnoules’ (Anm.: rassistisches Sprichwort für Araber, ähnlich wie ‚Kanaken’ im Deutschen) und Negern kolonisiert wird.“ Zumindest zwei der Polizisten sollen sich zudem positiv auf die rassistische ‚White Power’-Bewegung bezogen haben. Insgesamt waren fünf Personen an dem Aufzug beteiligt, neben den drei Polizisten in Zivil - die von Gästen erkannt worden waren - befanden sich auch ein 40jähriger Metzger sowie ein 41jähriger Fleischgroßhändler mit am Tisch. Die Polizeibeamten waren Gästen als solche aufgefallen, da sie sich schon des öfteren in der Bar aufgehalten haben sollen, wo sie mindestens einmal bei einer vorausgegangenen Provokation ihre Dienstausweise gezückt hätten.

Wie die Regionalzeitung ‚Le Courrier Picard’ zunächst bekannt gab, soll der älteste und ranghöchste der drei Polizisten - der 39jährige, der den Rang eines Brigadenchefs bekleidet - bereits an Wahlkämpfen des Front National (FN) teilgenommen haben. Ferner sei seine Ehefrau Regionalparlamentarierin der rechtsextremen Partei für die Picardie. Hingegen berichtet die sozialdemokratische Pariser Tageszeitung ‚Libération’ vom Samstag (9. Februar), dass „laut einer anderen Quelle“ ein anderer der drei Beamten mit einer Frau verheiratet sei, die früher dem Parti des forces nouvelles (PFN, „Partei der neuen Kräfte“) angehört habe. Bei letzterem handelt es sich um eine rechtsextreme Partei, die im Laufe der 1970er Jahre in Konkurrenz zum FN stand - und zeitweise stärker war als dieser selbst -, danach aber marginalisiert wurde, da sie sich nicht zwischen einer Strategie des Bündnisses mit konservativen Kräften und einer anderen Strategie der „Autonomie“ gegenüber Letzteren (wie der FN sie verfocht) entscheiden konnte. Der überwiegende Teil der Kader dieser Partei wurde in den frühen 80er Jahren durch die Konservativen aufgesogen.


Der Rechtsextremismusspezialisten Jean-Yves Camus (vgl. http://www.rue89.com ) präzisiert, dass es bei demjenigen unter den drei Beamten mit den besten „politischen Kontakten“ um den 39jährigen Brigadenchef Christophe Lengelé handelt. Also um den ranghöchsten unter den dreien. Er wurde vor einigen Jahren aus dem Pariser Raum in den nordfranzösischen Bezirk von Amiens versetzt. Laut Camus waren seine rechtsextremen Auffassungen aber bereits während seiner Dienstzeit in Paris bekannt. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2002 trat er (als stellvertretender Kandidat, also als Zweiter in einem Tandem, nach dem französischen Wahlsystem) im sechsten Wahlkreis dieses Bezirks für den FN an. Gleichzeitig kandidierte seine Schwester für die rechtsextreme Partei im Bezirk Rhône, d.h. im Raum Lyon. Noch im November 2007 war Christophe Lengelé Kandidat zum „Zentralkomitee“, das zweit- bzw. dritthöchste Führungsgremium der rechtsextremen Partei, auf ihrem Kongress in Bordeaux. Und seine Ehefrau ist nach wie vor Abgeordnete des FN im Regionalparlament der Picardie (deren Hauptstadt Amiens ist). Auch wenn der Vorsitzende der FN-Fraktion im Regionalparlament, Michel Guiniot, sich nach der jüngsten Affäre im Prinzip distanzierte – er erklärte, er sei „dafür bekannt, dass ich systematisch Skinheads aus der Partei säubere“, während die drei Polizisten Symbole und Sprüche der Skinheadbewegung benutzt hatten – so sind (oder waren??) die familiären und politischen Bindungen des angeklagten Beamten in die Partei hinein offenkundig intensiv.

Derselbe Christophe Lengelé ist ebenfalls Mitglied der rechtsextremen Polizistengewerkschaft FPIP. Zudem sollen alle drei der rechtextremen Polizeigewerkschaft Fédération professionnelle indépendante de la police (FPIP, „Unabhängiger Berufsverband der Polizei“) angehört oder ihr nahe gestanden haben. Einer von ihnen soll bei der FPIP auch Funktionär gewesen sein. Bei ihr handelt es sich um eine seit 1973 existierende rechtsextreme Gewerkschaft, die in den 90er Jahren teilweise in Konkurrenz zur FN-eigenen Polizistengewerkschaft ‚FN Police’ geriet. Doch der FN Police wurde im Anschluss durch die Gerichte verboten bzw. darf sich nicht länger als Gewerkschaftsorganisation bezeichnen. Bei den Personalratswahlen der französischen Polizei im Dezember 1995, die den Höhepunkt des offenen rechtsextremen Einflusses markiert, hatten FPIP und ‚FN Police’ zusammen 13 Prozent der Stimmen erhalten, mit leichtem Übergewicht zugunsten der Erstgenannten.

Am 7. und 8. Februar wurden die fünf an den verbalen Ausfällen beteiligten Personen im Polizeigewahrsam vernommen. Daraufhin wurde ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet, die Betroffenen wurden bis zum Prozess auf freien Fuß gesetzt. Unterdessen läuft ein dienstrechtliches Verfahren gegen sie.


Nachdem die Affäre zu Anfang des Monats aufgeflogen war, hatte etwa die politisch moderate Polizeigewerkschaft FO sich – ebenso wie die polizeiliche Hierarchie – beeilt, anzumerken, die drei Beamten hätten bislang „gute Noten“ bei ihrer Bewertung erhalten und seien nicht auffällig gewesen.

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Text am 28.2.08 vom Autor zur Veröffentlichung.