„Die
Linke hat davon geträumt, die Rechte hat es gemacht“: Dieser
Spruch, der im Französischen einem feststehenden Ausdruck - mit
beliebig austauschbaren handelnden Akteuren - entspricht, passt
beinahe perfekt auf das jüngste Vorhaben des Präsidenten Nicolas
Sarkozy.
Das
konservative Staatsoberhaupt ist immer wieder für Überraschungen
gut. Am Dienstag vergangener Woche (19. Februar) hat der
übereifrige Präsident eine „Kommission für das neue Fernsehen“,
unter dem Vorsitz des Abgeordneten seiner Regierungspartei UMP
Jean-François Copé, eingesetzt. Bis Ende Mai dieses Jahres
sollen die Abgeordneten, Filmemacher und Philosophen nun Zeit
haben, um über ein schönes neues Fernsehen zu beraten - ganz
ohne Werbung. So jedenfalls lautet der Plan für die
öffentlich-rechtlichen Sender. Die Begleiterscheinung wäre
freilich, dass der „Kuchen“ der Werbeeinnahmen für die privaten
Fernsehsender noch wachsen würde. Was auch durch die Überlegung
der Befürworter dieses Plans, zukünftig dann eine Abgabe auf die
Mehreinnahmen an Werbemitteln bei den Privatsendern zu erheben,
deutlich unterstrichen wird.
Die
politische Linke hat tatsächlich lange Zeit mit dem wachsenden
Gewicht der Werbung im Fernsehen und in anderen Medien gehadert.
So schlug der damalige sozialdemokratische Premierminister
Michel Rocard 1989 ihr Verbot auf den öffentlich-rechtlichen
Kanälen vor, musste jedoch unter dem Druck der Wirtschaft und
der „Realisten“ im eigenen Lager zurückweichen. 1999 wiederum
schlugen um die einhundert Intellektuelle, der prominenteste
unter ihnen war der kritische Soziologe Pierre Bourdieu,
dasselbe vor. Auch ihr Ansinnen blieb ergebnislos:
„Unrealistisch“, „wirtschaftsfeindlich“, „der Moderne gegenüber
nicht aufgeschlossen“ lauteten die wichtigsten Einwände.
Und dann
das: Nicolas Sarkozy, der ansonsten nicht eben mit dem
Neoliberalismus auf Kriegsfuß steht, hat sich das Vorhaben zu
Anfang dieses Jahres plötzlich zu eigen gemacht. Der Anlass war
eigentlich beinahe einem Zufall geschuldet: Am 8. Januar weihte
der französische Präsident ein neues Stilmittel ein. Statt der
drögen alljährlichen Neujahrswünsche an die Nation, die seine
Amtsvorgänger in regelmäßiger Wiederkehr im Fernsehen verlesen
hatte, sollte es eine ausführliche Pressekonferenz geben. Bei
ihr sollten die Journalisten den Staatschef ausquetschen können
- auch wenn dieser die Übung geschickt nutzte, um einmal mehr
viel und lange zu reden. Im Vorfeld kamen dann aber in seinem
Beraterkreis Bedenken auf: Was sollte Sarkozy an Neuem,
Kreativem, die Zuschauer und -hörer Beeindruckendem verkünden?
Es fehlte einfach an einer zündenden Idee. Da verbreitete der
Regierungsberater - und kürzlich zurückgetretene Vorständler des
Presseunternehmens ‚Le Monde’ - Alain Minc, der in der neunziger
Jahren zeitweise als Verkörperung der ‚Pensée unique’, des
bürgerlich-neoliberalen „Einheitsdenkens“ galt, seinen Einfall.
„Der Sozialist François Mitterrand hat das Fernsehen
privatisiert“, sagte Minc zu Präsident Sarkozy, unter Anspielung
auf die Veräußerung des ersten Fernsehkanals TF1 im Jahr 1987 an
den Betonkonzern Bouygues, dessen Chef - Firmenerbe Martin
Bouygues - übrigens ein enger Duzfreund Sarkozys ist. „Und Du
wirst derjenige sein, der es nationalisiert!“ Der Ausdruck war
freilich nicht ganz exakt, da Minc nicht die Verstaatlichung der
Sender im Blick hatte, sondern nur an einen Rückzug der privaten
Werbewirtschaft dachte.
Seitdem hat
die Idee sich einen Weg durch die politische Landschaft gebahnt.
Vor allem die bürgerliche Rechte ist über die Neuerung
begeistert, die Linke eher misstrauisch und gespalten. Freilich
dürften die Befürworter einen mächtigen Hintergedanken hegen:
letztendlich die private Medienwirtschaft zu begünstigen, indem
finanzielle Mittel zu ihren Gunsten - und zu Lasten der
öffentlich-rechtlichen Sender - umgeschichtet werden.
Theoretisch soll es nicht darum gehen, sondern „jeder
wegfallende Euro (aus Werbeeinnahmen) wird durch neue Einnahmen
ausgeglichen werden“, wie Sarkozy versichert. So ist daran
gedacht, neue Abgaben auf die erwartete zusätzliche Werbung bei
den Privaten sowie auf Internet-Provider und die prosperierenden
privaten Telekommunikations-Anbieter zu erheben. Schnell dürfte
sich allerdings erweisen, dass es sich bei dem vorgeblichen
Ersatz einer Einnahmequelle durch eine andere um eine
Milchmädchenrechnung handelt. Denn bisher ist die Rede davon,
dass 800 Millionen Euro Werbeeinnahmen für die
öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft zu ersetzen seien. In
einem Memorandum der privaten Medienwirtschaft wurden diese
bereits auf 500 Millionen herunter gerechnet. Allerdings ist
dabei noch gar nicht berücksichtigt, dass beim Wegfall der
Werbung künftig auch drei Stunden zusätzlichen Programms täglich
angeboten werden müssten - die Rechnung für die
öffentlich-rechtlichen Sender läge damit bereits bei 1,2
Milliarden.
Die
Medienschaffenden hegen jedenfalls riesige Befürchtungen. Zumal
die Botschaft Sarkozys zur Werbung verkoppelt ist mit der
indirekten, aber deutlich hörbaren Botschaft, dass - mit France3
- in naher Zukunft ein weiterer Fernsehsender an die
Privatwirtschaft verscherbelt werden könnte. Am Mittwoch
vorletzter Woche (13. Februar) streikten deshalb die
Journalisten und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens in Frankreich, zum ersten Mal seit 1974. Der Ausstand
fiel massiv aus und führte zu zahlreichen Programmausfällen,
auch wenn die Abendnachrichten auf allen Kanälen gesichert
werden konnten. Letztere waren auf mehreren Sendern freilich
vorwiegend dem Arbeitskampf gewidmet.
Für Nicolas
Sarkozy bleibt unterdessen nur noch eine Frage übrig: Soll der
Entzug der Werbung für das öffentlich-rechtliche Fernsehen
abrupt, zum 1. Januar kommenden Jahres, erfolgen? Oder doch
lieber schrittweise? Diese offene Frage soll die Kommission nun
lösen.
Editorische
Anmerkungen
Wir erhielten den
Text am 28.2.08 vom Autor zur Veröffentlichung.